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Trude Fleischmann – Der selbstbewusste Blick |
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27. Jänner bis 29. Mai 2011 im Wien Museum Karlsplatz Wien (wien museum) - Sie fotografierte Theaterstars, Tänzerinnen und Intellektuelle. Berühmt geworden sind ihre Porträts von Zeitgenossen wie Karl Kraus, Adolf Loos oder Albert Einstein. Für Furore sorgten in den 1920er- Jahren ihre Bewegungsstudien von nackten Tänzerinnen. Trude Fleischmann (1895-1990) gehört zu den großen Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Sie war eine jener selbstbewussten jungen jüdischen Fotografinnen, die nach dem Ersten Weltkrieg in Wien eigene Studios eröffneten und in einem traditionellen Männerberuf Karriere machten, weil sie gewagter und moderner fotografierten und die Zeichen der neuen Zeit verstanden. Die 1920er-Jahre waren geprägt von gesellschaftlichem Aufbruch und ästhetischen Experimenten. In diesen Jahren machte die "Neue Frau" von sich reden, die nach Emanzipation und Unabhängigkeit strebte. Trude Fleischmann selbst verkörperte dieses Image der jungen, selbstbewussten Frau. Ihr Atelier wurde zum Treffpunkt des Wiener kulturellen Lebens - bis 1938 der "Anschluss" ihrer Karriere vorerst ein jähes Ende bereitete. Nach ihrer Vertreibung gelang es ihr, in New York eine zweite berufliche Existenz aufzubauen. Erste große Überblicksausstellung Das Wien Museum präsentiert nun - mehr als 20 Jahre nach ihrem Tod - die erste große Überblicksausstellung zu Trude Fleischmann, in deren Mittelpunkt ihre Wiener Zeit von 1920 bis 1938 steht. Zu sehen sind aber nicht nur ihre bekanntesten Werke, sondern auch bisher unbekannte Arbeiten: Fleischmann war eine überaus vielfältige Fotografin, ihr Werk reicht weit über ihre bekannten Studioaufnahmen hinaus, es ist umfangreicher und thematisch deutlich breiter als bisher angenommen. Ein großer Teil der in der Ausstellung gezeigten Arbeiten stammt aus der Fotosammlung des Wien Museums, das eines der größten und international bedeutendsten Fleischmann-Konvolute besitzt. Mit 25 Jahren ein eigenes Atelier Von 1913 bis 1916 war Trude Fleischmann Schülerin an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt, wo sie eine fundierte technische und praktische Ausbildung erhielt. Es folgten Praktika im berühmten Atelier d´Ora (der Fotografin Dora Kallmus) und beim avancierten Fotografen Hermann Schieberth. Bereits 1920 - im Alter von 25 Jahren - eröffnete Fleischmann ihr eigenes Fotoatelier in der Ebendorferstraße 3 in der Nähe des Rathauses. Das dafür notwendige Kapital bekam sie von ihrer Familie zur Verfügung gestellt, der Vater war ein gut situierter Kaufmann. Die Eroberung einer Männerdomäne war kein Zufall: Arbeitskräfte wurden im Laufe des Ersten Weltkrieges immer knapper, man setzte Frauen mehr und mehr in "Männerberufen" ein - so auch in den Fotoateliers. Als sich nach 1918 zahlreiche junge Frauen, viele von ihnen jüdischer Herkunft, selbstständig machten, spitzte sich der Kampf der Geschlechter zu. Fotografierende Frauen hätten, so wetterte 1921 der einflussreiche Wiener Fotograf und Fotopublizist Hermann Clemens Kosel, "das Dirnentum ins Lichtbild" gebracht und "den sittlichen Ernst der Kunst ins Abgeschmackte" herabgezogen. Die Fotografinnen ließen sich von solcher Polemik nicht beeindrucken, sie setzen ihren beruflichen Weg fort. Zu den bekanntesten unter ihnen zählen - neben Trude Fleischmann - Edith Barakovich, Grete Kolliner, Marianne Bergler, Pepa Feldscharek, Hella Katz, Steffi Brandl, Kitty Hoffmann, Edith Glogau, Trude Geiringer und Dora Horowitz. Fleischmanns Karriere als Gesellschaftsfotografin wies bereits kurz nach der Eröffnung ihres Ateliers steil nach oben: Innerhalb weniger Jahre war sie "die" moderne Porträtistin Wiens. In ihrem Atelier empfing sie die Theaterprominenz der großen Wiener Bühnen: Schauspielerinnen und Tänzerinnen, Dirigenten und Sänger/innen. Die Fotografin war eine begnadete Networkerin und schrieb aktiv Prominente an, um sie kostenlos abzulichten - als Gegenleistung konnte sie die Aufnahmen für eigene Werbezwecke verwenden. Sie fotografierte aber auch Vertreter der gutbürgerlichen Wiener Gesellschaft, unter ihnen Wissenschaftler, Politiker und Freiberufler. Zwischen Tradition und Avantgarde Das Bild der "Neuen Frau" verlangte nach einer zeitgemäßen Bildsprache, nach moderneren Formen der Inszenierung und der Pose, nach Individualität und Dynamik. Fleischmann praktizierte einen "sachlichen" Porträtstil. In ihren Porträts nahm sie die Anregungen der Moderne offen auf, den radikalen Experimenten der Avantgarde gegenüber verhielt sie sich jedoch reserviert. Oft rückte sie mit ihrer Kamera nahe an die Porträtierten heran. Immer wieder beschnitt sie Bilder, um den Blick des Betrachters zu lenken und Charakter und Körperhaltung stärker hervorzuheben. Ihre Fotografien sind aufmerksame Körperstudien und zugleich psychologische Momentaufnahmen, geprägt von dramatischer Licht- und Schattenverteilung. Berühmt wurde Fleischmann mit ihren Bewegungsstudien von Tänzerinnen, wobei die Bewegung im Studio für die Kamera simuliert wurde. Einen Höhepunkt ihrer Karriere erreichte sie mit den Fotos der Tänzerin Claire Bauroff, deren eingeölter heller Körper stark kontrastierend vor einem schwarzen Hintergrund in Szene gesetzt wurde. Sie markieren eine Wende in der Aktfotografie. Noch wenige Jahre zuvor wäre eine solche Inszenierung des nackten Körpers undenkbar gewesen. Zudem war die Herstellung von Aktfotos lange Zeit Männern vorbehalten gewesen. Trude Fleischmann gehörte zu jenen Frauen, die diesen Bereich der Fotografie erstmals selbstbewusst besetzten. Aber auch in der Ästhetik eröffnete Fleischmann eine neue Ära: Sie plädierte für die Darstellung einer natürlichen, selbstverständlichen Nacktheit, sie bemühte keinen künstlerischen Vorwand, um den entblößten Körper zu zeigen. Die Fotos wurden ausgiebig in der illustrierten Presse, in Fotobänden und in der Fachliteratur publiziert. Und als Claire Bauroff 1925 im Berliner Varietétheater "Admiralspalast" auftrat, waren die Bilder in der Vorschauvitrine zu sehen. Fleischmanns freizügige Inszenierungen führten zum Skandal: Die Polizei schritt ein, die Fotos wurden beschlagnahmt, Fotografin und Tänzerin dadurch noch bekannter. Bergbauern statt Nackttänzerinnen Doch nicht nur diesem berühmtesten Kapitel im Leben der Fotografin Fleischmann begegnet man in der Ausstellung, zu entdecken sie auch jene Aspekte, die wenig mit dem Image einer avantgardistischen Starfotografin zu tun haben. Fleischmanns Porträts waren von Anfang an als Medienbilder konzipiert, sie arbeitete für gängige Illustrierte wie Moderne Welt, Wiener Mode, Wiener Magazin, Wiener Bilder, Die Bühne, Berliner Illustrirte Zeitung, Die Dame etc. Als gegen Ende der 1920er-Jahre die Wirtschaftskrise und in Österreich der konservative Gegenschlag gegen das Urbane und Moderne einsetzte, lieferte Fleischmann konventionellere Reisereportragen. Auch Motive der "Heimatfotografie", etwa knorrige Bergbauern und erhabene Berglandschaften, fanden den Weg in die Presse. Im Spektrum ihrer Reise- und Landschaftsbilder überwiegen idyllische Ferienszenen, Genredarstellungen, Architekturansichten und Landschaften. Trude Fleischmanns Wiener Karriere als Fotografin ging im März 1938 zu Ende. Am 3. September 1938 gelang ihr die Flucht aus Österreich, im Gepäck hatte sie nur wenige Negative und Abzüge, ihre Kamera sowie ein Studioalbum. Ihr Archiv hatte sie bis auf 100 bis 200 Negative, die sie einer Nachbarin übergab, zerstört. Der Verbleib dieser Negative gibt bis heute Rätsel auf, von Fleischmanns Geschäftseinrichtung, ihrer Atelier- und Laborausrüstung sowie ihren Kundenlisten fehlt bis heute jede Spur. Auch ihre Musteralben, die sie den Kunden vorlegte, galten als verloren. Eines dieser Alben - es ist vor kurzem wieder aufgetaucht - ist in der Ausstellung zu sehen. Nach Zwischenstationen in Paris und London traf Fleischmann am 4. April 1939 in New York ein. Mit Hilfe ihrer Freundin Helen Post gelang es ihr, privat und beruflich relativ rasch Fuß zu fassen. 1940 eröffnet sie im Theaterdistrikt Manhattans ein Atelier und fotografierte wieder Künstlerinnen und Künstler sowie Intellektuelle, darunter viele Emigrantinnen und Emigranten. In New York arbeitete Fleischmann immer öfter im Freien, viele Porträts - etwa ihre berühmten Fotos von Albert Einstein oder Arturo Toscanini - nahm sie außerhalb des Ateliers auf. Es entstanden Straßenszenen, Reisebilder, gelegentlich Modeaufnahmen. 1969 gab Fleischmann ihr New Yorker Atelier auf und zog ins schweizerische Lugano. 1988 kehrte sie in die USA zurück, 1990 starb sie in Brewster / New York. Die Sammlung des Wien Museums Von Fleischmanns Werk sind vor allem Positive erhalten, die teilweise noch vor 1938 in privaten oder öffentlichen Besitz gelangten und später in diverse Sammlungen übergeführt wurden. Viele dieser Bilder - vor allem Tanzaufnahmen, Bewegungsstudien und Akte - wurden schon früh, nämlich 1936, vom Museum angekauft. Andere kamen 1955 als Teil eines Nachlasses in das Wien Museum. Zusammen decken die beiden Sammlungen wichtige Aspekte von Fleischmanns Werk ab. Die Überlieferung dieser Fotografien ist ein Glücksfall, denn sie kompensiert wenigstens zu einem kleinen Teil den Verlust von Fleischmanns eigenem Archiv. Weitere Aufnahmen, die in Ausstellung und Katalog präsentiert werden, stammen aus anderen Archiven, Bibliotheken und privaten wie öffentlichen Sammlungen. Die Ausstellung zeigt die Fotografien Trude Fleischmanns in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext, d. h. ergänzt um Werke zeitgenössischer Fotografinnen. Während Fleischmanns bekannteste Werke mittlerweile Ikonen der Fotogeschichte sind, ist über andere jüdische Fotografinnen der Zwischenkriegszeit bis heute wenig bekannt. Einige von ihnen werden in dieser Ausstellung zum ersten Mal seit ihrer Vertreibung ausgestellt. Die Ausstellung wird kuratiert von Anton Holzer und Frauke Kreutler (Wien Museum), im Verlag Hatje Cantz erscheint dazu ein Katalog mit Aufsätzen von Heike Herrberg, Anton Holzer, Marion Krammer, Frauke Kreutler und Astrid Mahler. |
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Informationen: http://www.wienmuseum.at | ||
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