Sozialbericht  

erstellt am
16. 12. 10

Hundstorfer: 2009 und 2010 im Zeichen des Kampfes gegen Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit
Sozialquote aufgrund der Krise kurzfristig angestiegen - Armutsgefährdung wäre ohne Sozialtransfers dreimal höher
Wien (bmask) - "2009 und 2010 standen ganz im Zeichen des Kampfes gegen die weltweite Wirtschaftskrise und der damit einhergehenden wachsenden Arbeitslosigkeit. So war die Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen im Jahr 2009 gegenüber dem Vorjahr um 48.056 auf mehr als 260.000 Personen angestiegen", sagte Sozialminister Rudolf Hundstorfer am 15.12. anlässlich der Veröffentlichung des Sozialberichts 2009 - 2010. In der zweiten Jahreshälfte 2009 konnten diese Anstiege im Vergleich zum ersten Halbjahr zumindest halbiert werden, so Hundstorfer. Aufgrund der raschen Reaktion mit drei Arbeitsmarkt- und zwei Konjunkturpaketen - hier ist vor allem die Reform der Kurzarbeit hervorzuheben - erholte sich der Arbeitsmarkt in Österreich rascher als in anderen Staaten. In der Folge stieg im März 2010 erstmals wieder die Beschäftigung gegenüber dem Vorjahr an, während die Zahl der Arbeitslosen rückläufig war. Im November konnte sogar ein Beschäftigungsrekord erreicht werden, so der Minister.

"Sozialtransfers leisten einen großen Beitrag zur Verringerung von Armutsgefährdung", unterstrich Hundstorfer. Ohne Sozialleistungen wäre die Armutsgefährdung mehr als drei Mal höher und würde deutlich über drei Millionen Menschen betreffen. Die Sozialquote sei im Krisenjahr 2009 gemäß verläufiger Zahlen wie in allen EU-Staaten angestiegen. Sie wird aufgrund der höheren Arbeitslosigkeit in diesem Jahr und wegen des krisenbedingt zurückgegangenen Bruttoinlandsproduktes über 30 Prozent betragen. Die Sozialquote wird ab 2010 wieder rückläufig sein, unterstrich Hundstorfer.

2009 und 2010 sind zudem wesentliche Verbesserungen im Sozialbereich umgesetzt worden, setzte der Minister fort. So trat mit 1. September 2010 die bedarfsorientierte Mindestsicherung vorerst in drei Bundesländern in Kraft. Mit der Mindestsicherung sind einheitliche Standards in der Sozialhilfe für ganz Österreich gewährleistet, die Menschen werden wieder näher an den Arbeitsmarkt gebracht, es wurden deutliche Verbesserungen in der Notstandshilfe vorgenommen und die Bezieher der Mindestsicherung erhalten auch eine E-Card. Seit 1. August 2009 übernimmt der Bund die Beiträge für die Weiter- bzw. Selbstversicherung pflegender Angehöriger ab der Pflegestufe 3 unbefristet und zur Gänze. Ab 1. Jänner 2009 kann schon ab Pflegegeldstufe 3 ein Zuschuss zu den Kosten für die Ersatzpflege beantragt werden. Vorher war das erst ab Pflegestufe 4 möglich. Weiters wurde der mögliche Missbrauch bei Bezug der Ausgleichszulage eingedämmt. Die Gesundheitsstraße - mit ihr ist Schluss mit Doppelbegutachtungen durch AMS und PVA - wurde österreichweit ausgerollt, erläuterte der Minister auf.

Die 24-Stundenbetreuung hat sich als "gangbares Modell" erwiesen. Zum Stichtag 30. Juni 2010 bezogen 6.058 Personen eine Förderung für eine 24-Stunden-Betreuung. Zum selben Stichtag wurden 19,6 Mio. Euro für die Unterstützung der 24-Stunden-Betreuung im Jahr 2010 ausgegeben. Im Behindertenbereich wird das Clearing als Angebot für behinderte Jugendliche fortgesetzt. Es dient dazu, den bestmöglichen Übergang zwischen Schule und Beruf zu ermöglichen und die Zielgruppe an den Arbeitsmarkt heranzuführen.

 

Kickl: Regierung betreibt Inländerdiskriminierung
Bei Mindestsicherung und im Familienbereich werden Österreicher benachteiligt
Wien (fpd) - "Diese Bundesregierung betreibt offenbar systematisch Inländerdiskriminierung. Das betrifft aktuell Regelungen im Bereich der Mindestsicherung und den Umgang mit der Frage der Familienbeihilfe", kritisierte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die von der Regierung im Zusammenhang mit der Einführung der Mindestsicherung eingeführte Zugriffsmöglichkeit auf Vermögen der Betroffenen. Während nämlich in Österreich die Vermögenssituation tatsächlich zu erheben sei und damit zugegriffen werden könne, sei das bei Drittstaatsangehörigen und bei Bürgern aus den insbesondere neuen EU-Ländern so gut wie gar nicht möglich. Auf wiederholte Nachfragen der Freiheitlichen im Budgetausschuss war Bundesminister Hundstorfer nicht dazu in der Lage, zu erklären, welche Kontrollinstrumente es dazu gebe. "Ganz einfach, weil es keine gibt. Während also Österreicher im Extremfall bis auf die sprichwörtliche Unterhose ausgenommen werden, können Nichtstaatsbürger durchaus weiter über Vermögenswerte in ihrer Heimat verfügen und trotzdem die Mindestsicherung bei uns kassieren", erläuterte Kickl.

Bei der Familienbeihilfe würden die Österreicher dadurch benachteiligt, dass die an sie ausbezahlte Familienbeihilfe gemessen an der Kaufkraft viel weniger wert sei, als derselbe Betrag, wenn er für nicht in Österreich lebende Kinder von in Österreich Beschäftigten oder Arbeitslosen EU-Bürgern insbesondere aus den neuen EU-Staaten dorthin ausbezahlt würde. "Denn 100 Euro sind eben in Ungarn oder Polen oder Tschechien oder Slowakei an realer Kaufkraft gemessen weit mehr wert, als bei uns. Bereits jetzt werden auf diese Weise Millionenbeträge ins Ausland exportiert", führte Kickl aus. Und diese Situation werde sich mit dem Wegfall der Schutzbestimmungen für den heimischen Arbeitsmarkt weiter verschärfen.

"Während die Regierung also in Österreich die Familien ausplündert, ist sie sehr großzügig bei Geschenken an Nichtstaatsbürger. Diesem Missbrauch muss ein Riegel vorgeschoben werden. Eine Politik, in der die Österreicher von der eigenen Regierung diskriminiert werden, darf keine Zukunft haben", schloss Kickl.

 

Dolinschek: Immer mehr Menschen trotz Arbeit armutsgefährdet
Dolinschek vermisst von den Sozialpartnern zukunftsträchtige Vorschläge
Wien (bzö) - "Der Sozialbericht zeigt, dass nicht nur die Schere zwischen Reich und Arm immer weiter auseinander klafft, sondern auch, dass immer mehr Menschen trotz Arbeit armutsgefährdet sind", kritisiert BZÖ-Arbeitnehmersprecher Sigisbert Dolinschek. Er fordert: "Die Sozialpartner müssen endlich aufwachen, denn die verhandeln die Löhne!" Vorschläge, wie dieser gefährlichen Entwicklung entgegengesteuert werden könne, vermisst Dolinschek völlig.

"Die Gewerkschaften sind viel zu schwach, um sich in diesem Punkt für die Arbeitnehmer durchsetzen zu können", erklärt Dolinschek. Es sei zwar löblich, wenn über die Mindestsicherung diskutiert werde, "aber dass immer mehr Menschen jahre- und jahrzehntelang voll arbeiten und trotzdem in die Armutsfalle geraten, das scheint die Arbeitnehmervertreter nicht zu interessieren!"

Dolinschek: "Ich vermisse von den Sozialpartnern zukunftsträchtige Vorschläge - das dringend nötige Entsteuern der Arbeitskraft etwa." Dabei werde der Dienstnehmer nicht teurer aber im Lohnsackerl bleibe mehr zum Leben.

 

 Öllinger: Hundstorfer schwindelt sich an der Realität vorbei
Die reichsten zehn Prozent haben gewonnen, die Ärmsten verloren
Wien (grüne) - "Der Sozialbericht bringt unangenehme Fakten zu Tage", meint Karl Öllinger, Sozialsprecher der Grünen. "Sowohl Vermögen als auch Einkommen der reichsten zehn Prozent sind deutlich gestiegen, während die ärmsten zehn Prozent weiter an Einkommen verloren haben. Kein Wunder also, dass die Präsentation des Sozialberichts heuer so verschämt ausgefallen ist." "Es ist angesichts des vorliegenden Berichts inakzeptabel, mit der Besteuerung hoher Vermögen bis 2013 zu warten, während dem Rest der Bevölkerung ein umfangreiches Belastungspaket zugemutet wird", kritisiert Öllinger.

"Bei seinem Jubelgesang über die Mindestsicherung schwindelt sich der Minister an der Realität vorbei", meint Öllinger. Die Armutsgefährdungsschwelle liegt bei 950 Euro, 12 Mal im Jahr. Tatsächlich haben armutsgefährdete Menschen aber viel weniger, nämlich nur etwa 805 Euro, zwölf Mal im Jahr zur Verfügung. Und MindestsicherungsbezieherInnen haben noch einmal um 60 Euro pro Monat weniger, nämlich höchstens 744 Euro in der Tasche. "Die Mindestsicherung ist keine Maßnahme gegen Armut, sondern betoniert Menschen in der Armut ein. Eine seriöse Sozialpolitik muss aber dafür sorgen, dass alle Menschen genug zum Leben haben", so Öllinger abschließend.

 

Küberl: Sozialbericht macht Reformbedarf offenkundig
Caritas-Präsident fordert ambitionierte Weichenstellungen in Bereichen Bildung, Verwaltung, Pflege und Steuerpolitik
Wien (kap) - Der jüngste Sozialbericht macht den Reformbedarf in vielen politischen Bereichen offenkundig, "die Regierung muss endlich ambitioniert die Weichen für die Zukunft stellen": Das sagte Caritas-Präsident Franz Küberl am 15.12. in einem "Kathpress"-Gespräch anlässlich der Veröffentlichung des Sozialberichts 2009-2010 durch Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Küberl forderte Reformen beim Bildungssystem und bei der Verwaltung sowie ein Gesamtkonzept im Bereich Betreuung und Pflege. Finanziert solle dies durch eine Korrektur der "ungerechten Vermögensentwicklung" werden: Statt mit dem Sparpaket ohnehin benachteiligte Gruppen zu belasten gelte es, Vermögende stärker in die Pflicht zu nehmen.

Derzeit gehe die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander, "der Druck auf die Lohneinkommen ist enorm, Vermögen hingegen werden geschont". Die "zarten Ansätze" einer steuerpolitischen Korrektur im jetzigen Budget - durch Anhebung der Stiftungssteuer oder die Besteuerung von Aktiengewinnen - sind laut Küberl nicht ausreichend. Eine nächste Steuerreform müsse den Faktor Arbeit "massiv entlasten".

Für eine nachhaltige Bekämpfung der Armut sind nach den Worten des Caritas-Präsidenten Reformen im Bildungssystem unverzichtbar. Erst jüngst habe die PISA-Studie ein "fundamentales Problem" in Österreich erneut aufgezeigt: Für Kinder aus armen, "bildungsfernen" Familien gebe es im Schulsystem zu wenige Chancen, dass durch Bildung die "Armut gebrochen" werde. Die zusätzlichen Mittel für den Ausbau der Ganztagesschulen "deuten zwar in die richtige Richtung", würden aber ohne Reform des gesamten Schulsystems inklusive Lehrerdienstrecht "verpuffen". Konzepte von Kleinkindbetreuung bis hin zu den Universitäten lägen auf den Tisch, wies Küberl hin: "Nur fehlt anscheinend der Mut, diese auch tatsächlich umzusetzen."

 

Grundlagen für die Berechnung der Armutsgefährdung
Wien (bmask) - Die "Armutsgefährdungsquote bei 60% des Medians" ist ein zentraler Indikator zur Messung niedrigen Lebensstandards und eine Leitgröße für eine europäische Eingliederungsstrategie. Armutsgefährdung ist ein relatives Konzept, das über das jeweilige bedarfsgewichtete Haushaltseinkommen in einem Land definiert ist.

In der Erhebung EU-SILC - durchgeführt durch Statistik Austria und finanziert durch das BMASK - werden auf Grundlage einer EU-Verordnung seit 2003 bei rd. 5.000 Stichprobenhaushalten in Österreich die Einkommen aller Personen ermittelt und daraus Haushaltseinkommen berechnet. Erwerbseinkommen, Pensionen, Kapitalerträge, Sozialleistungen und regelmäßige Privattransfers (z.B. Unterhaltszahlungen), Sozialabgaben und Steuern werden im Detail für das jeweils vorangegangene Kalenderjahr erfasst. (Durch die Einschränkung auf laufende Einkommen wird unterstellt, dass dieses Einkommen auch laufend ausgegeben werden kann und den aktuellen Lebensstandard dadurch direkt beeinflusst. Darüber hinausgehende Einflussfaktoren wie Vermögensbestände, Vermögensauflösungen und Schulden werden im Haushaltseinkommen nicht berücksichtigt. Nicht berücksichtigt wird derzeit auch das sogenannte fiktive Mieteinkommen von Wohnungsbesitzern bzw. Hauseigentümern).

Aus den Erhebungsinformationen werden die jährlichen Haushaltseinkommen der Bevölkerung in Privathaushalten hochgerechnet. Um die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Haushalte herzustellen, wird ein gewichtetes Pro-Kopf-Einkommen (sog. Äquivalenzeinkommen) errechnet. Dieses dient als Grundlage des am mittleren Lebensstandard2 orientierten Indikators "Armutsgefährdung" (Der mittlere Lebensstandard wird operationalisiert durch den Median. Das ist der Wert, der die Einkommensverteilung in zwei gleich große Hälften teilt. Genau 50% liegen unterhalb, die übrigen 50% oberhalb des Wertes)..

Für 2008 liegt das mittlere jährliche Äquivalenzeinkommen bei 19.011 Euro. Als armutsgefährdet werden jene Personen bezeichnet, deren äquivalisiertes Haushaltseinkommen unter einer Armutsgefährdungsschwelle von 60% dieses Medians liegt. Die Armutsgefährdungsschwelle lag 2008 somit bei einem jährlichen Einkommen von 11.406 Euro für einen Einpersonenhaushalt, das sind pro Monat rd. 815 Euro (Jahresvierzehntel) bzw. rd. 951 Euro (Jahreszwölftel). Für jede weitere erwachsene Person im Haushalt erhöht sich die Schwelle pro Monat um 407 Euro (Jahresvierzehntel) bzw. 475 Euro (Jahreszwölftel), für jedes Kind um 244 Euro (Jahresvierzehntel) bzw. 285 Euro (Jahreszwölftel).

Armutsgefährdung im Jahr 2008
Laut EUSILC 2008 sind in Österreich 12,4% der Bevölkerung armutsgefährdet (bzw. liegt dieser Wert mit 95%iger Vertrauenswahrscheinlichkeit zwischen 11,4% und 13,3%). Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung liegt die Zahl der armutsgefährdeten Personen zwischen rd. 940.000 und 1,1 Millionen. Die vorläufige Armutsgefährdungsquote für 2009 entspricht ebenfalls 12,4% bzw. 993.000 Personen. Menschen, die nicht in Privathaushalten leben (z.B. Asylwerbende, Wohnungslose) bzw. in Alten- und Pflegeheimen oder anderen institutionellen Haushalten untergebracht sind, werden darin nicht erfasst. Andere Gruppen, die mit tendenziell höherer Armutsgefährdung konfrontiert sind, wie MigrantInnen, Kranke oder Sozialhilfebeziehende sind aus vielfachen Gründen (Sprachbarrieren, Nichtbefragbarkeit, Nichtauffindbarkeit, Scham etc.) in der Erhebung unterrepräsentiert

Weder die Armutsgefährdungsschwelle noch die relative Zahl der Personen, deren Äquivalenzeinkommen unterhalb dieser Schwelle liegt (die Armutsgefährdungsquote), sagen etwas über die Intensität aus, in der Menschen von Einkommensarmut betroffen sind. Dazu muss als weitere Kennzahl die Armutsgefährdungslücke betrachtet werden: Sie gibt an, um wie viel die äquivalisierten Haushaltseinkommen der Betroffenen unter der Schwelle liegen. Laut EU-SILC 2008 haben armutsgefährdete Haushalte ein um rund 15% geringeres Einkommen als der Schwellenwert bei 60% des Medians. Für einen armutsgefährdeten Einpersonenhaushalt liegt das Medianeinkommen pro Monat bei rund 690 Euro (Jahresvierzehntel) bzw. 805 Euro (Jahreszwölftel), die Einkommenslücke beträgt 2008 somit rd. 125 Euro (Jahresvierzehntel) bzw. 146 Euro pro Monat. Die für alle Armutsgefährdeten aufsummierte Lücke kann auch als Prozentsatz des BIP ausgedrückt werden: Der Gesamtbetrag der Lücke liegt 2008 bei 1,75 Mrd. Euro, das sind 0,6% des BIP. In der folgenden Grafik sind die Werte für Medianeinkommen, Armutsgefährdungsschwelle sowie -lücke 2008 veranschaulicht.

Den gesamten Sozialbericht 2009-2010, aus dem dieser Text entnommen ist, finden Sie hier >
     

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament vertretenen Parteien –
sofern vorhanden! Die Reihenfolge der Beiträge richtet sich in der Regel nach deren
Mandatsstärke im Parlament bzw. nach der Hierarchie der Personen. Die Redaktion

 
zurück