FPÖ "Bettvorleger der Regierung" Grüne 2011:
Wien (grüne) - "Wir wollen auch im kommenden Jahr den Aktionismus beibehalten. Sie können
sich auf weitere aktionistische Sternstunden gefasst machen", sagt Bundessprecherin Eva Glawischnig. Scharfe
Kritik übt sie am Verhalten der FPÖ. Die von der Koalition beschlossenen Einsparungen bei der Familienbeihilfe
wollen die Grünen gemeinsam mit Betroffenen möglichst rasch beim Verfassungsgerichtshof anfechten.
Rund um die Budgetberatungen haben wir mit Aktionismus auf uns aufmerksam gemacht - vom Speakers Corner vor dem
Parlament über die fast 13-stündige Dauerrede Werner Koglers im Ausschuss bis zur Verzögerung der
Abstimmung über das Budgetbegleitgesetz. "Das wird auch kommendes Jahr fortgesetzt", kündigte
Glawischnig an. Aktionismus brauche freilich immer einen Schuss Ironie und Witz, daher habe man sich mit Martin
Radjaby auch einen der Väter der Ö3-Comedy ins Team geholt.
FPÖ Bettvorleger der Regierung
Scharfe Kritik übt Glawischnig an der FPÖ, die u.a. die Dauerrede Koglers im Budgetausschuss scharf kritisiert
hatte und bei diversen Zweidrittelmaterien mit der Koalition gestimmt habe. Wir werden den Widerstand gegen die
Regierung "kreativ angehen und nicht so, wie das die FPÖ macht: Draußen schimpfen und im Haus spielen
sie die Bettvorleger der Regierung."
Verfassungsklage bei Familienbeihilfe
Außerdem kündigt Glawischnig nach dem Nein der FPÖ zu einer gemeinsamen Verfassungsklage der Opposition
gegen die Kürzungen im Familienbereich nun ein gemeinsames Vorgehen mit betroffenen Studenten an. Aufhänger
soll die Regelung sein, dass Studierende, die erst mit 19 ein Studium mit längerer Mindeststudiendauer begonnen
haben (etwa technische Studien oder Medizin) schon innerhalb der Mindeststudiendauer die Familienbeihilfe verlieren
können.
"Die fallen schon bei regulärer Studiendauer um Familienbeihilfe während des Studiums um, selbst
wenn sie in Mindestzeit studieren. Das ist eine unglaublich brutale Regelung", kritisiert Glawischnig. Den
Weg zum Höchstgericht werden wir antreten, bevor das Gesetz mit 1. Juli in Kraft tritt. Möglich werden
soll das u.a. dadurch, dass sich Betroffene zu Jahresbeginn einen "Feststellungsbescheid" über die
Familienbeihilfe für das Gesamtjahr geben lassen, um diese dann beim Verfassungsgericht zu bekämpfen.
"Der Budgetkampf ist nicht vorbei", so Glawischnig.
Spitzenpension kürzen, dafür Mindestpension für Alle unabhängig von Erwerbsverlauf
Zur Vorbereitung auf die Nationalratswahl 2013 werden wir im kommenden Jahr eine Reihe von Reformvorschlägen
ausarbeiten. Dabei geht es u.a. um eine deutlich raschere Abschaffung von Spitzenpensionen, wie sie etwa Beamte
im alten Pensionsrecht noch erhalten. Außerdem wollen wir die staatliche Förderung der privaten Zusatzpensionen
"ersatzlos streichen". "Das Zocken am Aktienmarkt hat sich seit Lehman-Brothers und der Finanzmarktkrise
erledigt", so Glawischnig. Im Gegenzug soll es eine Mindestpension für Alle unabhängig vom Erwerbsverlauf
geben.
Angesichts der stark steigenden Kosten brauche es im Pensionsbereich einen "Big Deal", glaubt Glawischnig.
Ich fordere, "dass man Allen zusichert, Ihr habt eine Pension, egal wie Eure Erwerbsverläufe waren".
Derzeit gebe es nämlich immer noch Frauen ohne eigenen Pensionsanspruch (etwa wenn sie keine 15 Arbeitsjahre
aufweisen können, Anm.) Im Gegenzug will Glawischnig Renten über der ASVG-Höchstpension deutlich
rascher als bisher geplant abschaffen: "Es gibt keine staatliche Verpflichtung, Spitzenpensionen zu zahlen."
Pensionskonzept neu durchrechnen
Wir werden unser Pensionskonzept daher im kommenden Jahr neu durchrechnen. Natürlich muss man dabei
aufpassen, nicht in verfassungsrechtliche Probleme zu tappen, so Glawischnig. Angesichts der Ausgabendynamik muss
man das aber angehen. Die Harmonisierung der Pensionssysteme geht mir zu langsam. "So wie das jetzt angedacht
ist, ist das viel zu kompliziert und dauert viel zu lang", so Glawischnig.
Ebenfalls erarbeiten wollen die Grünen Reformvorschläge für die Familienförderung - unter anderem
für eine Entkoppelung des Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) von den Lohnnebenkosten. Während die Regierung
"keine Strukturreformen und nur punktuelle Maßnahmen" setze, wolle sie die Grünen als "Reformkraft"
positionieren, betont Glawischnig.
Statuten: Vertrauensabstimmung zur Diskussion stellen
Änderungen soll es auch parteiintern geben - nämlich bei den Grünen Statuten, die am Parteitag im
kommenden Jahr überarbeitet werden. Glawischnig rüttelt dabei an einem Grünen Tabuthema und stellt
auch die "Vertrauensabstimmung" zur Debatte, laut der Langzeit-Mandatare nach zehn Jahren eine Zweidrittelmehrheit
zur Wiederkandidatur brauchen. "Die ist aus meiner Sicht absolut hinterfragenswürdig" und habe schon
öfters zu Problemen geführt, sagt Glawischnig mit Blick auf den Wechsel des Wiener Bundesrates Stefan
Schennach zur SPÖ.
"Ich möchte die Streichung dieser Bestimmung daher am Parteitag 2011 zumindest für die Bundespartei
zur Diskussion stellen. Das bereiten wir vor, aber da wird es sicher nächstes Jahr noch Debatten geben."
Grundsätzlich ist gegen die Grüne "Basisdemokratie" nichts einzuwenden, im Gegenteil, betont
Glawischnig mit Verweis auf die Zustimmung der Wiener Parteibasis zum Koalitionspakt mit der SPÖ: "Wenn
in Wien fast 400 Leute zu 99 Prozent zu einem Ergebnis Ja sagen, dann spricht das auch für die Qualität
des Ergebnisses. Das ist etwas anderes, als wenn in einem Präsidium etwas durchgewunken wird." |