Bundesstelle für Sektenfragen legt Tätigkeitsbericht vor
Wien (pk) - Die Bundesstelle für Sektenfragen dokumentiert und informiert im gesetzlichen Auftrag
über Gefährdungen, die von Sekten bzw. sektenähnlichen Aktivitäten ausgehen. In ihrem Tätigkeitsbericht
2008-2009, der nun dem Parlament vorliegt, gibt sie u. a. Auskunft über die Annahme ihres breit gefächerten
Beratungsangebots.
In den Jahren 2008 und 2009 fanden 5.440 bzw. 5.344 fachspezifische Kontakte mit 1.637 bzw. 1.525 Personen statt.
Davon erfolgten rund 3.000 im Rahmen der psychosozialen Beratung und Begleitung von jeweils über 600 Beratungsfällen.
Die Kontaktaufnahme erfolgt, wie der Bericht illustriert, nach wie vor am häufigsten durch Privatpersonen.
Das Ranking der meist thematisierten Gemeinschaften führte – wie schon in den Jahren zuvor - Scientology an.
Die Gruppierung "Jehovas Zeugen in Österreich" rangierte im Berichtszeitraum unter den Top 3 der
am häufigsten angefragten Gemeinschaften. Für diese wird die Bundesstelle in Hinkunft aber nicht mehr
zuständig sein: Die Gemeinschaft stieg mit 7. Mai 2009 zur gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft auf.
Anfragen zu über 300 verschiedenen Gruppierungen
Die in den beiden Berichtsjahren getätigten Anfragen bezogen sich auf mehr als 300 verschiedene Gruppierungen
(2008: 324, 2009: 339) und hier vor allem auf Gemeinschaften, die weder der Rechtsform der gesetzlich anerkannten
Kirche und Religionsgemeinschaft noch der staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft zugehörig
waren.
Die hohe Zahl der angefragten Gruppierungen führt der Bericht auf die große Vielfalt der weltanschaulichen
und religiösen Szene in Österreich zurück: Diese spalte sich auch weiterhin in kleinere Gruppierungen,
Bewegungen und Einzelanbieter auf, womit der Markt zunehmend unüberschaubarer werde. Das habe, so der Bericht,
auch Auswirkungen auf die Arbeit der Bundesstelle für Sektenfragen, denn Anfragen betreffend Gruppierungen
und Einzelanbieter, zu denen noch keine oder nur wenig Informationen zur Verfügung stehen, erforderten zeitintensive
Recherchen.
Das der Institution zugrunde liegende Konzept sieht der Bericht bestätigt, zumal sich 2009 auch ein hoher
Anteil (26 %) an primär Betroffenen an die Bundesstelle wandte. Zuletzt nahmen insgesamt aber vor allem Personen,
die im beruflichen Kontext mit solchen Gemeinschaften konfrontiert waren, Kontakt zur Bundesstelle auf. Häufig
wandten sich auch Menschen, die in familiärer Beziehung zu einer betroffenen Person standen, an diese Institution.
Bemerkenswert sei außerdem, dass immer mehr Menschen, die sich von einer solchen Gemeinschaft gelöst
oder distanziert haben, an die Beratungseinrichtung herantreten, heißt es im Bericht.
Zwischen "Twilight" und Weltuntergangsszenarien – ein Rückblick
Verbindungen der Organisation Scientology zu prominenten amerikanischen SchauspielerInnen standen – vor allem vor
dem Hintergrund des Erscheinens eines Enthüllungsbuchs über Tom Cruise –im Zentrum des medialen Interesses
2008. Eine solche Verschränkung sei, wie der Bericht ausführt, durchaus kritisch zu bewerten, zumal sie
möglicherweise das Interesse von Jugendlichen wecke, die durch Scientology eine Beziehung zu prominenten Persönlichkeiten
aufzubauen versuchten. Zur Zeit der Fußballeuropameisterschaft 2008 verstärkte die Organisation – wie
auch viele andere weltanschauliche Gemeinschaften – ihre Präsenz: Scientologen verteilten in diesem Rahmen
speziell für dieses Ereignis produziertes Werbematerial und boten sogenannte "Stresstests" an. Außerdem
wurde vom Verteilen von Luftballons mit Werbebotschaften für Kinder berichtet.
Im Berichtsjahr 2008 beschäftigten sich die heimischen Medien aber nicht nur mit Scientology, sondern auch
mit dem Sendeangebot des Rundfunkveranstalters "Kanal Telemedial", der in Österreich empfangen werden
kann und u. a. telefonische Lebensberatung anbietet. Darüber hinaus weckte die Eröffnung der Ausstellung
"Psychiatrie – Hilfe oder Tod?" der "Bürgerkommission für Menschenrechte" das öffentliche
Interesse.
Im Berichtsjahr 2009 rückten Weltuntergangsszenarien durch die Veröffentlichung des Roland Emmerich Films
"2012" ins mediale Blitzlicht. Dieses Datum wurde im esoterischen Kontext schon länger als Zeitpunkt
der Apokalypse gehandelt. Laut Bericht ist es nicht auszuschließen, dass die aktuelle Krisenstimmung einen
besonderen Nährboden für die Entstehung und Forcierung von Weltuntergangszenarien biete.
Im selben Jahr befasste sich die Medienlandschaft aber auch mit dem Thema Vampirismus, was vor allem auf den Erfolg
der "Twilight-Saga" zurückzuführen sei: Hier wird das Thema in einer für Jugendlichen
interessanten Art und Weise präsentiert.
Die heimischen Medien berichteten außerdem über die gesetzliche Anerkennung der Gruppierung "Jehovas
Zeugen in Österreich" als Religionsgemeinschaft. Darüber hinaus erfuhr das "Dauerthema Scientology"
auch 2009 eingehende Betrachtung. |