"Ausschuss der Weisen" fordert "neue Renaissance" durch Zusammenführung
des kulturellen Erbes Europas im Netz
Brüssel (ec.europa) - Der Bericht des „Ausschusses der Weisen“, einer hochrangigen Reflexionsgruppe
zur Digitalisierung des kulturellen Erbes Europas, wurde am 10.01. an die für die Digitale Agenda zuständige
Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Neelie Kroes, und an die für Bildung und Kultur zuständige
Kommissarin Androulla Vassiliou übergeben. In dem Bericht werden die EU-Mitgliedstaaten aufgerufen, sich intensiver
darum zu bemühen, die in sämtlichen Bibliotheken, Archiven und Museen vorhandenen Sammlungen online ins
Netz zu stellen, und es werden die Vorteile einer leichteren Zugänglichkeit der Kulturgüter und des Wissens
Europas herausgestellt. Daneben wird auf den potenziellen wirtschaftlichen Nutzen der Digitalisierung hingewiesen,
der – auch im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaften – mit der Entwicklung innovativer Dienstleistungen
in Bereichen wie Tourismus, Forschung und Bildung verbunden ist. Die Reflexionsgruppe spricht sich in ihrem Bericht
für die Zielsetzung der Digitalen Agenda aus, die europäische digitale Bibliothek Europeana zu stärken,
und schlägt Lösungen vor, wie urheberrechtlich geschützte Werke online verfügbar gemacht werden
können. Dem „Ausschuss der Weisen“ zur Digitalisierung gehören Maurice Lévy, Elisabeth Niggemann
und Jacques de Decker an (siehe IP/10/456). Die in dem Bericht ausgesprochenen Empfehlungen werden in die umfassende
Strategie der Kommission im Rahmen der Digitalen Agenda für Europa einfließen, mit der Kultureinrichtungen
der Übergang ins digitale Zeitalter erleichtert werden soll.
Neelie Kroes erklärte: „Ich danke den drei „Weisen“ für ihre konstruktiven Vorschläge dazu, wie
wir eine „digitale Renaissance“ in Europa in Gang bringen können. Die Bereitstellung der Sammlungen von Museen
und Bibliotheken im Netz bringt nicht nur die reiche Geschichte und Kultur Europas zur Geltung, sondern kann auch
mit neuen Vorteilen bei Bildung, Innovation und der Schaffung neuer wirtschaftlicher Betätigungsfelder einhergehen.
Auf diese Weise werden hochwertige Inhalte für viele Generationen ins Netz gestellt.“
Androulla Vassiliou ergänzte: „Die Gruppe hat die Interessen der Werkschaffenden mit den Anforderungen eines
sich wandelnden Umfelds im digitalen Zeitalter zum Ausgleich gebracht. Wir müssen Mittel und Wege finden,
um dies in all den Bereichen zu bewerkstelligen, in denen der Kultur- und Kreativsektor den aus dem Übergang
in das digitale Zeitalter erwachsenden Herausforderungen gegenübersteht. Kultur und kulturelles Erbe im digitalen
Zeitalter eröffnen den Volkswirtschaften und Gesellschaften Europas neue Chancen.“
Wesentliche Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Berichts „Die neue Renaissance“:
- Das Portal Europeana sollte zum zentralen Bezugspunkt für das kulturelle Erbe Europas im Netz werden.
Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass alle mit öffentlicher Förderung digitalisierten Materialien
über diese Internetseite zugänglich sind, und ihre öffentlich zugänglichen Meisterwerke bis
2016 in Europeana einbringen. Kultureinrichtungen, die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten sollten
Europeana aktiv und umfassend fördern und dafür werben.
- Urheberrechtlich geschützte Werke, die nicht länger gewerblich vertrieben werden, sollten online
verfügbar gemacht werden. Die Digitalisierung und Verwertung dieser Werke obliegt hauptsächlich den Rechteinhabern.
Falls die Rechteinhaber dies nicht tun, müssen Kultureinrichtungen die Möglichkeit haben, Material zu
digitalisieren und es der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wofür die Rechteinhaber eine Vergütung
erhalten sollten.
- EU-Regeln für verwaiste Werke (Werke, deren Rechteinhaber nicht ermittelt werden können) müssen
so bald wie möglich erlassen werden. Im Bericht werden acht Grundbedingungen festgelegt, die für alle
denkbaren Lösungen gelten.
- Die Mitgliedstaaten müssen ihre Mittel für die Digitalisierung erheblich aufstocken, um Arbeitsplätze
zu schaffen und künftiges Wachstum zu fördern. Die für den Bau von 100 km Straße notwendigen
Mittel würden ausreichen, um 16 % aller in den Bibliotheken der EU vorhandenen Bücher oder alle Audio-Inhalte
der Kultureinrichtungen der EU-Mitgliedstaaten zu digitalisieren.
- Öffentlich-private Partnerschaften für die Digitalisierung sind zu fördern. Sie müssen
transparent, nichtausschließlich und gegenüber allen Partnern gerecht sein und grenzübergreifenden
Zugang zu digitalisierten Materialien für alle schaffen. Die Vorzugsnutzung von digitalisierten Materialien
durch den privaten Partner sollte für längstens sieben Jahre gewährt werden.
- Um die Erhaltung von Sammlungen in digitalisierter Form zu gewährleisten, sollte eine zweite Kopie dieser
Kulturgüter bei Europeana archiviert werden. Außerdem sollte ein System entwickelt werden, bei dem kulturelles
Material, das derzeit in mehreren Ländern deponiert werden muss, nur einmal zu deponieren ist.
Die Empfehlungen des „Ausschusses der Weisen“ werden Eingang finden in die umfassendere Strategie der Kommission
im Rahmen der Digitalen Agenda für Europa, mit der Kultureinrichtungen beim Übergang in das digitale
Zeitalter und bei der Suche nach neuen und wirksamen Geschäftsmodellen, die eine beschleunigte Digitalisierung
mit einer eventuell erforderlichen fairen Vergütung der Rechteinhaber ermöglichen, unterstützt werden.
Die Empfehlungen werden auch dem Plan der Kommission zugute kommen, bis 2012 ein nachhaltiges Finanzierungsmodell
für Europeana zu entwickeln.
Bereits heute bietet das Portal europeana.eu Zugang zu über 15 Millionen digitalisierten Büchern, Landkarten,
Fotografien, Filmen, Gemälden und Musikstücken, was jedoch nur einen kleinen Teil der Werke ausmacht,
die sich im Besitz europäischer Kultureinrichtungen befinden (siehe IP/10/1524). Bei den meisten digitalisierten
Materialien handelt es sich um ältere Werke im öffentlichen Bereich, bei denen keine Rechtsstreitigkeiten
wie bei urheberrechtlich geschützten Werken drohen.
Hintergrund
Der „Ausschuss der Weisen“ setzt sich zusammen aus Maurice Lévy (Chairman und CEO des französischen
Werbe- und Kommunikationsunternehmens Publicis), Elisabeth Niggemann (Generaldirektorin der Deutschen Nationalbibliothek
und Vorsitzende der Stiftung für die Europäische Digitale Bibliothek) sowie Jacques De Decker (Schriftsteller
und Ständiger Sekretär der belgischen Königlichen Akademie der französischen Sprache und Literatur).
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