Erstmals Modell des schnellen Phasenwechsels in Speichermaterial entwickelt
Jülich (fz) - Filme und Musik auf einer DVD zu speichern, gehört zu unserem digitalen
Alltag. Trotzdem sind die physikalischen Grundlagen der Datenspeicherung auf den runden Scheiben noch nicht restlos
aufgeklärt. Im renommierten Fachmagazin Nature Materials werfen Forscher aus Jülich, Finnland und Japan
nun einen Blick auf den Phasenwechsel während des Schreibprozesses einer DVD. Die Erkenntnisse könnten
helfen, leistungsfähigere Speichermaterialien zu entwickeln. (DOI: 10.1038/NMAT2931)
Die informationstragende Schicht einer DVD besteht aus einer polykristallinen Legierung aus mehreren chemischen
Elementen. Die digitale Information wird darin in Form von Bits gespeichert, die jedes kaum 100 Nanometer groß
sind. Die Legierung kann hier eine ungeordnete, amorphe oder eine geordnete, kristalline Struktur annehmen. Der
Übergang zwischen den beiden Phasen dauert nur einige Nanosekunden und lässt sich durch einen Laserstrahl
auslösen. Die gängigen Legierungen für Speichermedien wie DVD-RAM oder Blu-ray Disc enthalten Germanium
(Ge), Antimon (Sb) und Tellur (Te). Sie werden nach den Anfangsbuchstaben der Elementsymbole GST genannt. Für
das Speichermedium DVD-RW wird in der Regel die Legierung AIST verwendet, die in kleinen Mengen Silber (Ag) und
Indium (In) sowie ebenfalls Antimon (Sb) und Tellur (Te) enthält.
„Obwohl beide Legierungsfamilien Antimon und Tellur enthalten und scheinbar ähnlich sind, hat der Übergang
zwischen den Phasen wesentliche Unterschiede“, erklärt Dr. Robert Jones vom Forschungszentrum Jülich,
der in einem internationalen Team an dem Problem arbeitet. Neben den experimentellen Daten und Röntgenspektren
vom japanischen Synchrotron SPring-8 nutzten die Forscher intensiv Simulationen am Jülicher Supercomputer
JUGENE. Mit der Kombination der beiden Methoden ist es nun erstmals gelungen, die Strukturen der beiden Phasen
von AIST zu bestimmen und ein Modell für den schnellen Phasenübergang zu entwickeln.
In AIST-Legierungen verläuft der Phasenübergang von außen nach innen. Das Bit wächst vom Rand,
wo es an die kristalline Umgebung grenzt, nach innen zu. In der Zeitschrift Nature Materials erklären die
Forscher dies nun über ihr „Bindungsaustauschmodell“. Dabei ist die lokale Umordnung des amorphen Bits durch
eine kleine Bewegung des Antimon-Atoms ausschlaggebend (siehe Grafik). In einer Folge von vielen kleinen Schritten
richtet sich Atom für Atom und damit das Gitter neu aus und kristallisiert, ohne dass Hohlräume und große
Bewegungen notwendig sind. Letztlich haben die Antimon-Atome, angeregt durch den Laserstrahl, im Wesentlichen nur
die Stärke der Bindung zu zwei benachbarten Atomen ausgetauscht, daher der Name „Bindungsaustauschmodell“.
Bereits in früheren Arbeiten (DOI: 10.1103/PhysRevB.80.020201) hat das Forscherteam die Vorgänge in GST
nachvollzogen. Beim Phasenübergang in GST-Legierungen kristallisiert das amorphe Bit durch Keimbildung, das
heißt, dass sich im Innern spontan Kristalle bilden, die schnell wachsen, bis das Bit ausgefüllt ist.
Der schnelle Übergang lässt sich dadurch erklären, dass amorphe und kristalline Phasen aus den gleichen
Strukturen bestehen, nämlich den sogenannten „ABAB“-Ringen. Diese viereckigen Ringe aus zwei Germanium- oder
Antimon- und zwei Tellur-Atomen können sich in den vorhandenen Hohlräumen bewegen und umordnen, ohne
dass viele atomare Bindungen brechen.
Die Berechnung des amorphen AIST ist die größte, die je in dem Forschungsbereich gemacht wurde. Rund
640 Atome wurden über den vergleichsweise langen Zeitraum von mehreren Hundert Pikosekunden simuliert, um
die notwendige Genauigkeit zu erreichen. Etwa 4000 Prozessoren des Jülicher Supercomputers JUGENE waren über
vier Monate ausgelastet, um die richtigen Modellbedingungen zu bestimmen. Neben der reinen Rechenleistung sind
aber vor allem fundierte Kenntnisse sowohl im wissenschaftlichen Rechnen als auch in der Modellierung von Festkörpern
notwendig. „Das Forschungszentrum Jülich ist wohl einer der wenigen Orte, wo diese drei Aspekte zusammentreffen“,
freut sich Jones.
Das tiefere, theoretische Verständnis der Vorgänge beim Beschreiben einer DVD kann helfen, bessere phasenwechselnde
Materialien gezielt zu entwickeln, die Speichermedien mit größerer Kapazität, längerer Datenhaltbarkeit
oder geringerer Zugriffszeit ermöglichen. |