KUB Arena: Living Archives
Kooperation Van Abbemuseum mit Michal Heiman, Hannah Hurtzig und Katrin Mayer von 22. Januar
bis 3. April 2011 im Kunsthaus Bregenz
Bregenz (kub) - Was ist ein Archiv? Was ist eine Sammlung? In welchem Verhältnis stehen Dokumente
aus Archiven bzw. Objekte einer Sammlung zu Erinnerung, Identität, Geschichte und Politik? Was für Zukunftsbilder
werden mit Archiven und Sammlungen festgeschrieben, welche Zukunftsperspektiven geraten in Vergessenheit?
Ausgangspunkt der Kooperation mit dem Van Abbemuseum in Eindhoven bildet ein gemeinsames Nachdenken über die
Bedeutung von Archiven und Sammlungen - Fragestellungen, die im aktuellen Diskurs über zeitgenössische
Museumspraktiken von hoher Relevanz sind. Neben dem Living Archive des Museums werden im Rahmen des Projekts anhand
der Arbeiten von Michal Heiman, Hannah Hurtzig (beide aus der Sammlung des Van Abbemuseum) und Katrin Mayer offenere,
prozessuale Strategien des Sammelns, Archivierens sowie der Präsentation gesammelter Materialien vorgestellt.
Angesichts des Unvermögens vieler Institutionen, das Nebeneinander verschiedener, den jeweiligen Sammlungen
inhärente Geschichten darzustellen, begaben sich die Künstlerinnen selbst auf die Suche nach historischen
Materialien und Verweisen.
Auf der Grundlage der Rekonstruktion bruchstückhafter Erzählungen haben sie individuelle, fragmentarische
Kunst-Geschichten, Archive und Sammlungen entworfen, die den etablierten Kanon unterminieren und alternative Lesarten
zum Vorschein kommen lassen.
Für Michal Heiman ist Kunst ein Rechercheprozess. Nachforschungen über psychologische Experimente führten
sie zu dem sogenannten Szondi-Test. In diesem in den 1940er Jahren erstmals veröffentlichten diagnostischen
Test des ungarischen Psychiaters Leopold Szondi wurden Probanden gebeten, auf Fotografien von psychiatrischen Patienten
zu reagieren -diejenigen auszuwählen, die sie mochten, und diejenigen, die ihnen nicht gefielen. Szondi glaubte,
dass ihre Reaktionen als Schlüssel zu ihrer Psyche dienen können. Heiman verwandte Szondis Strukturen,
um ihren eigenen, während der Ausstellung durchzuführenden, Test zu erstellen. Im Heiman Test - Experimental
Diagnostics of Affi nities werden statt Patientenporträts Fotografien verwendet, die Heimans eigenem Archiv
und ihrem (erweiterten) Familienalbum entnommen sind.
Die Regisseurin Hannah Hurtzig wird wiederum ihr Flight Case Archive präsentieren: ein mobiles, seit 2004
kontinuierlich wachsendes audiovisuelles Archiv in Form eines Koffers, in dem die Besucher Platz nehmen können.
Das FCA sammelt "Erzählungen von Orten, Städten und Territorien" in Dialogen zwischen zwei
Experten, zwischen Berater und Klient, oder zwischen Autobiograf und Zuhörer. Alle Gespräche wurden in
den verschiedenen Installationen der Mobile Academy live aufgezeichnet (u.a. "Schwarzmarkt für nützliches
Wissen und Nichtwissen"), in denen Wissen und Information als Kommunikationsakt und Ergebnis von Verhandlungen
inszeniert werden. Expertenwissen, theoretische Diskurse und biografischen Erzählungen verbinden sich zu einer
öffentlichen Kartografie von Gedächtnis, Raum und Rhetorik.
Die Künstlerin Katrin Mayer ist eingeladen, eine spezielle Arbeit für die KUB-Arena zu entwickeln, die
sich auf konzeptueller Ebene mit aktuellen Bedingungen von Sichtbarkeit auseinandersetzt. Indem sie sich archivarische
Materialien unterschiedlicher Zusammenhänge aneignet, um sie unter veränderten Bedingungen neu zu inszenieren,
hinterfragt sie deren Status sowie die Einschreibung kultureller Bedeutungen in spezifi sch räumliche oder
zeitliche Kontexte. Die gewählten Motive und Erzählungen stehen dabei in Bezug zu dem Ort, an dem sie
gezeigt werden bzw. eröffnen im Zusammenspiel mit diesem inhaltliche und formale Korrespondenzen.
Die Präsentation der künstlerischen Positionen wird darüber hinaus von einer Auswahl an Materialien
aus dem Living Archive begleitet, einer von Diana Franssen kuratierten Ausstellungsserie, die in wechselnden Formaten
unterschiedlicher Dauer im Van Abbemuseum stattfand. Ausgehend von dem Vorhandensein alternativer, mündlich
überlieferter Geschichte(n) über das Museum und einem Verständnis vom Museumsarchiv als Schatzkammer,
die Zukunftsweisendes in sich birgt, fungierte das Living Archive als aktiver, lebendiger Speicher, der die Erinnerung
an Vergangenes in der Gegenwart lebendig hielt. Unter Bezugnahme auf die vorgestellten künstlerischen Strategien,
auf das Living Archive sowie auf in Bregenz ansässige Archive werden im Rahmen des Projektes gegenwärtige
archivarische Praktiken zur Diskussion gestellt sowie Möglichkeiten der Errichtung eines Archivs am Kunsthaus
Bregenz erörtert. |