Bern (bak) - Am 20.01. wurden im Musée d’Ethnographie in Genf (MEG) vier präkolumbische Mumien
an die chilenische Regierung übergeben. Zwei davon gehören zu den ältesten Mumien der Welt. Es handelt
sich um eine freiwillige Rückgabe von Kulturgütern durch eine Schweizer Privatperson. Die Fachstelle
internationaler Kulturgütertransfer des Bundesamtes für Kultur übernahm dabei die Vermittlung zwischen
den Parteien.
Im Rahmen eines offiziellen Anlasses wurden die vier Mumien in Anwesenheit des Direktors des Bundesamtes für
Kultur, Dr. Jean-Frédéric Jauslin, des Vorstehers des Kulturdepartemements der Stadt Genf, M. Patrice
Mugny, sowie des Direktors des Musée d’Ethnographie in Genf (MEG), Boris Wastiau, dem chilenischen Botschafter
in der Schweiz, Enrique M. Melkonian Stürmer, übergeben.
Das Musée d’Ethnographie in Genf stellte die konservatorische Betreuung im Anschluss an den von der Privatperson
geäusserten Übergabewunsch sicher. Der Direktor des Museums, der ebenfalls Präsident der deontologischen
Kommission der Museen der Stadt Genf ist, hatte die dem Museum im Vorfeld offerierte Schenkung der Objekte aufgrund
ihrer ungesicherten Provenienz in Anwendung der ethischen Richtlinien für Museen des Internationalen Museumsrates
ICOM abgelehnt. Die ethischen Richtlinien des ICOM schreiben vor, dass Museen nur Kulturgüter erwerben dürfen
(Kauf, Leihgabe, Tausch, Geschenk, Legat), wenn sie im Vorfeld sichergestellt haben, dass die Objekte eine legale
Provenienz haben.
Zwei Mumien der Chinchorro-Kultur
Bei den Objekten handelt es sich um zwei Mumien der so genannten Chinchorro-Kultur (5000 bis ca. 1500 v.
Chr.), eine präkolumbische Mumie unsicheren Datums sowie eine Mumie aus der Zeit des ersten Kontaktes mit
den Spaniern. Alle vier Kulturgüter stammen aus dem Norden Chiles am Rande der Atacama-Wüste. Die Chinchorro-Mumien
gelten als älteste Mumien der Welt, ihre Entstehungszeit datiert bis zu 5000 v. Chr. Die vier Mumien sind
Teil des kulturellen und archäologischen Erbes von Chile.
Neben den vier repatriierten Mumien, umfasste die Privatsammlung noch weitere historische menschliche Überreste,
welche jedoch nach eingehender Prüfung durch Fachspezialisten aus der Schweiz und Chile keiner spezifischen
Kultur zugeordnet werden konnten und bereits in einem fortgeschrittenen Zersetzungszustand waren. Diese werden
im Frühjahr 2011 mit einer kleinen Zeremonie in Genf ordentlich bestattet.
Gute Kooperation zwischen den Schweizer und chilenischen Behörden
Die chilenischen Behörden erklärten sich unmittelbar nach Kontaktaufnahme durch die Schweizer
Behörden bereit, die bedeutungsvollen Kulturgüter in Koordination mit dem Bundesamt für Kultur sowie
dem Genfer Musée d’Ethnographie zurückzuführen. Zwei Fachexpertinnen für diese Art von Kulturgütern
wurden dafür aus Chile eingeflogen, welche zusammen mit den Schweizer Experten die Untersuchung und Analyse
vor Ort durchführten.
Chile misst dem Erhalt seines kulturellen Erbes grosse Wichtigkeit zu, dies insbesondere auch im Zusammenhang mit
dem kulturellen Erbe der Ureinwohner des Landes. Die vorliegende Rückgabe erhält eine zusätzliche
Bedeutung im Rahmen der 200-Jahre Feierlichkeiten anlässlich der Unabhängigkeit der Republik Chile (1810-2010).
Die zurückgeführten Kulturgüter werden in Chile vom Consejo de Monumentos Nacionales in Empfang
genommen und anschliessend in musealen Institutionen fachgerecht konserviert.
Bund erhält und schützt kulturelles Erbe
In der Schweiz gelten seit der Einführung des Kulturgütertransfergesetzes (KGTG) am
1. Juni 2005 neue Sorgfaltspflichten bei der Übertragung von Kulturgut. Wer ein Kulturgut überträgt,
muss sich vorher vergewissern, dass dieses nicht gestohlen wurde oder dem Eigentümer gegen seinen Willen abhanden
gekommen ist, wie dies beispielsweise bei einer Raubgrabung der Fall ist. Mit dem Gesetz will der Bund einerseits
einen Beitrag zum Erhalt des kulturellen Erbes leisten sowie Diebstahl, Plünderung und illegale Ein- und Ausfuhren
von Kulturgut verhindern.
Positive Auswirkungen des KGTG
In der Praxis führten die neuen Bestimmungen des KGTG zu sichtlich erhöhter Sorgfalt beim Transfer
von Kulturgütern. Die Präventions- und Informationsbestrebungen im Umgang mit Kulturgütern fördern
zudem die freiwilligen Rückgaben von Kulturgütern mit fehlender oder zweifelhafter Provenienz. |