Kontroverse Diskussion über Missbrauchsprävention im Justizausschuss
Wien (pk) - Zu Beginn seiner Sitzung machte der Justizausschuss am 18.01. ein neues Teilnutzungsgesetz
plenumsreif, das den Schutz der VerbraucherInnen beim Abschluss von Teilnutzungs- und damit in Zusammenhang stehenden
Verträgen verbessert und an die Entwicklungen der letzten Jahre anpasst. Von den neuen Bestimmungen, die
vor allem auf die Phasen der Vertragsanbahnung und des Vertragsabschlusses abstellen, werden unter anderem "Reise-Rabatt-Clubs",
Mitgliedschaften bei "Tauschpools" und Verträge mit Vermittlungsinstanzen betroffen sein. Das Gesetz,
mit dem Österreich die Timesharing-Richtlinie der Europäischen Union in nationales Recht umsetzt, passierte
den Ausschuss mit Stimmeneinhelligkeit.
Vertagt wurde der S-V-Antrag betreffend Erlass eines Bundesgesetzes über die Ermächtigung zur Übernahme
der Rückerstattung der Kühlgeräteentsorgungsbeiträge. Dieser sieht vor, dass die diesbezüglichen,
im Dezember 2010 im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes verabschiedeten Bestimmungen aufgehoben und ersetzt werden.
Die ebenfalls auf der Tagesordnung stehenden Oppositionsanträge betreffend Jugendgerichtsbarkeit, Missbrauchsprävention
und Qualifikationsprofil für (zukünftige) Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften vertagte der Justizausschuss
mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP.
Teilnutzungsverträge: Verbraucher sind mittels Formblatt aufzuklären
Laut Entwurf zum neuen Teilnutzungsgesetz sind VerbraucherInnen, die durch einen Teilnutzungsvertrag oder seine
Vertragserklärung gebunden sind, von Seiten des Unternehmens kostenfrei und rechtzeitig durch ein – für
den jeweiligen Vertragstyp maßgebliches – Formblatt deutlich und verständlich zu informieren. Tritt
der Konsument gemäß den diesbezüglichen Regelungen des Teilnutzungsgesetzes zurück, dürfen
ihm daraus keine Kosten erwachsen.
S-Mandatar Johann Maier zeigte sich als Konsumentenschutzexperte über den gegenständlichen Gesetzesentwurf
erfreut. Diesbezügliche rechtliche Probleme bestünden, wie er ausführte, vor allem mit Spanien,
wo TouristInnen tausendfach derartige Vertragsverhältnisse eingingen. Vor dem Hintergrund der ersten Timesharing-Richtlinie
habe man aber keine Handhabe in Missbrauchsfällen gefunden. Mit der neuen Richtlinie eröffneten sich
Chancen in Hinblick auf die Lösung dieser Probleme, sofern Spanien sie auch adäquat umsetze. Vor diesem
Hintergrund forderte Maier die Justizministerin dazu auf, gegebenenfalls auch vor der Europäischen Kommission
dafür einzutreten, dass dies geschehe und die noch anhängigen Verfahren behandelt werden.
Auch B-Abgeordneter Herbert Scheibner kündigte seine Zustimmung zum gegenständlichen Gesetzesentwurf
an. Die von S-Mandatar Maier umrissenen Probleme seien schon Jahrzehnte lang bekannt. Warum die Richtlinie erst
zum letztmöglichen Termin in nationales Recht umgesetzt wird, konnte Scheibner allerdings nicht nachvollziehen.
Zustimmend zum Gesetzesentwurf äußerte sich auch V-Mandatarin Karin Hakl, die seine Bedeutung für
den Konsumentenschutz hervorhob. Das sei wesentlich, auch wenn es für den Verbraucher kostengünstigere
Urlaubsmodelle als Timesharing gebe, schloss sie.
Auch Justizministerin Claudia Bandion-Ortner zeigte sich über die Zustimmung, auf die die Gesetzesvorlage
stößt, erfreut. Die Umsetzung der Richtlinie sei nicht eher möglich gewesen, zumal große
Projekte die Ressourcen ihres Ministeriums gebunden hätten, hielt sie in Richtung Abgeordnetem Scheibner fest.
Das Teilnutzungsgesetz passierte den Justizausschuss unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrags,
der Detailbestimmungen in Hinblick auf das Inkrafttreten des Gesetzes zum Gegenstand hat, mit Stimmeneinhelligkeit.
Diskussion über Kühlgeräteentsorgungsbeiträge geht weiter
In einem Initiativantrag sprechen sich S-Abgeordneter Johannes Jarolim und V-Mandatar Heribert Donnerbauer für
eine Neulösung in Hinblick auf die Rückführung der Kühlgeräteentsorgungsbeiträge
aus. Dabei sollen die am 20. Dezember 2011 im Rahmen des Bundesfinanzgesetzes (BFG) beschlossenen Bestimmungen
ersetzt werden.
Überrascht über dieses Vorgehen zeigte sich G-Mandatar Albert Steinhauser. Der Grüne Justizsprecher
machte darauf aufmerksam, dass der Initiativantrag vom 22. Dezember 2010 datiere und damit nur kurz nach Verabschiedung
des BFG eingebracht wurde. Auch wunderte sich Steinhauser darüber, dass im Antrag von nur 24 Mio. €, die aus
der Stiftung herausgeholt werden sollen, die Rede ist. Seines Wissens lägen insgesamt 31 Mio. € in diesem
Topf, was die Frage aufwerfe, was mit den übrigen sieben Mio. € geschehe.
Auch B-Abgeordneter Herbert Scheibner sprach von einem "ungewöhnlichen Vorgehen" der beiden Regierungsparteien.
Sollten noch andere Materien, die im Rahmen des BFG unzureichend geregelt wurden, Sanierungsmaßnahmen unterzogen
werden, wäre es zielführend, die Opposition darüber zu informieren, schloss er.
Johannes Jarolim (S) und Heribert Donnerbauer (V) informierten die Mitglieder des Justizausschusses darüber,
dass es sich beim gegenständlichen Antrag um keinen "Reparaturversuch" handle. Es gehe vielmehr
darum, eine einvernehmliche Lösung mit dem UFH zu finden, erklärte Donnerbauer. Die derzeitige Regelung
ist, wie Jarolim ausführte, aus seiner Sicht nicht verfassungswidrig, doch gelte es in dieser Frage abzuwarten,
weshalb der Abgeordnete einen Vertagungsantrag stellte, der mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ und
Grünen mehrheitlich angenommen wurde.
Grüne: Jugendgerichtsbarkeit und –strafvollzug sind zu verbessern
Zwei Entschließungsanträge der Grünen Fraktion, die auf eine (bauliche) Lösung in Hinblick
auf den Jugendstrafvollzug ( 1373/A[E]) und die Verbesserung der Haftbedingungen für junge StraftäterInnen
( 1375/A[E]) drängen, wurden nach kontroverser Diskussion im Ausschuss mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP
vertagt.
Für Antragsteller Albert Steinhauser stand außer Frage, dass auf die Missstände im Jugendstrafvollzug
reagiert werden müsse. Den MitarbeiterInnen dieser Anstalten einen "Maulkorb" zu verpassen, wie
es die Justizministerin getan habe, sei hingegen nicht zielführend. Gerade für die Häftlinge im
Jugendstrafvollzug gelte es zu kämpfen, meinte Steinhauser, denn jüngere Menschen könne man leichter
dazu bewegen, die eingeschlagene kriminelle Karriere wieder zu beenden.
Gegen den Neubau eines Jugendkompetenzzentrums sprach sich F-Mandatar Christian Lausch aus. Zwar sei im Jugendstrafvollzug
nicht alles "rosig", räumte er ein, das rechtfertige aber nicht ein derart kostenintensives Großprojekt,
zumal sich derzeit nur 51 jugendliche StraftäterInnen in der Justizanstalt Josefstadt befänden. Eventuell
könne man aber über einen Anbau zwecks Unterbringung junger Häftlinge an diesem Standort sprechen.
Gewalt und Missbrauch unter Jugendlichen könne man, so zeigte er sich überzeugt, nicht ganz einschränken,
wolle man nicht in die Freiheitsrechte des Einzelnen eingreifen – eine Argumentation, die Abgeordneter Johannes
Jarolim (S) nicht nachvollziehen konnte.
Der S-Justizsprecher beklagte die Auflösung des Jugendgerichtshofs unter Minister Böhmdorfer und plädierte
dafür, jugendliche Häftlinge wieder aus dem Erwachsenenstrafvollzug auszugliedern. Für eine Verbesserung
zum Status-quo sprach sich auch G-Abgeordneter Wolfgang Zinggl aus. Misshandlungstatbestände "schönzureden"
sei eine "unwürdige Reaktion", zumal es sich dabei um Folter im Sinne der UN-Folterkonvention handle,
argumentierte er.
Die von Seiten seiner Fraktion vorgebrachte Kritik sei zulässig, stellte F-Mandatar Walter Rosenkranz fest.
Dem zweiten Antrag der Grünen betreffend Aufklärung der Missbrauchsfälle werde man sich dennoch
gerne anschließen, hielt Rosenkranz fest. Auch sein Fraktionskollege Peter Fichtenbauer verteidigte die Stellungnahmen
von Abgeordnetem Lausch, denn dieser wisse als Praktiker sehr wohl, wovon er spreche. Er sehe ebenfalls keine andere
Möglichkeit, Missbrauch in Haftanstalten auszuschließen, sofern man nicht die Zellen rund um die Uhr
mit Kameras überwache, meinte er.
B-Mandatar Herbert Scheibner hielt es für notwendig, dem Bereich der Missbrauchsprävention besonderes
Augenmerk zukommen zu lassen. Auch könne man nicht gänzlich ausschließen, dass neue Gerichtsgebäude
und Haftanstalten gebaut werden müssen, gab er zu bedenken.
Justizministerin Claudia Bandion-Ortner wies auf das umfangreiche Betreuungsangebot für jugendliche Häftlinge
in der Justizstrafanstalt Josefstadt hin. Was die Frage der Missbrauchsprävention anbelange, könne man
nie ganz verhindern, dass Übergriffe passierten. Die Anti-Folter-Kommission stelle dem österreichischen
Strafvollzug aber ein gutes Zeugnis aus, informierte die Ministerin. In Hinblick auf die Verbesserung der räumlichen
Situation gebe es Überlegungen, jugendliche StraftäterInnen in der Justizanstalt Gerasdorf unterzubringen.
Ein Neubau, wie von den Grünen verlangt, stehe angesichts der Budgetsituation nicht zur Diskussion, wohl aber
ein Anbau, wie im Zuge der Debatte mehrfach angeklungen.
Die von V-Mandatar Bernd Schönegger gestellten Vertagungsanträge wurden mit den Stimmen von SPÖ
und ÖVP mehrheitlich angenommen.
FPÖ und BZÖ wollen Minderjährige vor Missbrauch geschützt wissen
FPÖ und BZÖ zielen in ihren Entschließungsanträgen auf den Schutz von Minderjährigen
vor Missbrauch ab. Die Freiheitlichen fordern in diesem Zusammenhang lebenslange Freiheitsstrafen für Beischlaf
mit Unmündigen, eine unbedingte Anzeigepflicht für Menschen in einschlägigen Berufen und die Möglichkeit
der chemischen Kastration in besonders schweren Fällen ( 272/A[E]). Der Entschließungsantrag des BZÖ
( 1366/A[E]) zielt auf die Normierung einer verpflichtenden und uneingeschränkten Anzeigepflicht bei Verdacht
auf Missbrauch von Minderjährigen in der Strafprozessordnung ab. Beide Anträge wurden mit den Stimmen
von SPÖ und ÖVP vertagt.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des aktuellen Falls Miroslav Maletic diskutierten die Ausschussmitglieder äußerst
kontrovers über die beiden auf der Tagesordnung stehenden Anträge. SPÖ, ÖVP und Grüne
bezweifelten, dass eine Anzeigepflicht zur Lösung des Problems beitragen könne.
Wie G-Mandatar Albert Steinhauser ausführte, würde eine solche Verpflichtung dazu führen, dass "niemand
mehr etwas hört und sieht", was wiederum den Betroffenen schade. Ihm zufolge gelte es, die Bevölkerung
für das Thema zu sensibilisieren und zivilcouragiertes Handeln zu fördern – eine Auffassung, der sich
auch S-Justizsprecher Johannes Jarolim, V-Mandatar Franz Glaser, die beiden S-Abgeordneten Otto Pendl und Hannes
Fazekas sowie Ausschussobmann Heribert Donnerbauer anschlossen. Auch müsse man einsehen, dass ein Heraufsetzen
des Strafrahmens nicht alle Straftaten verhindere, schloss Steinhauser. Dass im Fall des kleinen Cain bereits eine
Anzeige anhängig war, zeige, dass vor allem auch beim Zusammenspiel der Behörden anzusetzen wäre,
stellte S-Mandatar Johannes Jarolim fest. Ablehnend äußerten sich SPÖ, ÖVP und Grüne
auch zur Frage der chemischen Kastration von Sexualstraftätern, die, wie Justizministerin Bandion-Ortner ausführte,
nicht nur von zweifelhaftem Erfolg sei, sondern auch gegen die Menschenrechte verstoße.
F-Mandatar Peter Fichtenbauer sah jedoch keine Alternative: In Österreich existiere ein "kriminelles
Segment", das "nicht mehr beherrschbar" sei, weshalb es härterer Strafen bedürfe, stand
für den Abgeordneten außer Frage. Die chemische Kastration von Sexualstraftätern würde darüber
hinaus auch von ExpertInnen unterstützt. Fichtenbauer beharrte des Weiteren auf der Forderung seiner Fraktion
betreffend Einführung einer unbedingten Anzeigepflicht für Personen, die beruflich mit Minderjährigen
zu tun haben und einen Missbrauchsverdacht hegten. Die Einwände von SPÖ, ÖVP und Grünen konnte
er nicht nachvollziehen: Hinter ihnen stehe lediglich das Ziel, die eigentlichen Täter zu schützen, womit
man weitere "tote Kinder in Kauf nehme".
B-Abgeordneter Herbert Scheibner kritisierte das Vorgehen der Regierungsparteien: Sie vertagten die diesbezüglichen
Anträge anstatt sie – ihrer Einstellung entsprechend – abzulehnen, weil sie eine öffentliche Diskussion
im Rahmen der kommenden Nationalratssitzung fürchteten. Auch er hielt die Einführung einer uneingeschränkten
Anzeigepflicht für ein wichtiges Signal. Immer nur anlassbezogen zu diskutieren, aber keine Maßnahmen
auf den Tisch zu legen, hielt Scheibner für nicht zielführend. Die Justizministerin habe sich, das stehe
außer Frage, für einen verbesserten Schutz von Kindern einzusetzen und dabei auch Widerstände in
den Ländern – wie etwa beim Kinder- und Jugendhilfegesetz der Fall – adäquat zu begegnen.
BZÖ fordert Qualifikationsprofil für AG-Vorstandsmitglieder
Ebenso vertagt wurde ein weiterer Entschließungsantrag des BZÖ ( 1390/A[E]), der die Verankerung
einer Vorschrift im Aktiengesetz vorsieht, die ein Qualifikationsprofil für (zukünftige) Vorstandmitglieder
von Aktiengesellschaften festschreibt. Schwere unternehmerische Fehlleistungen und wirtschaftsrechtliche Verurteilungen
sollen dabei als Ausschlussgrund für eine solche Tätigkeit fungieren können, erklärte Abgeordneter
Herbert Scheibner (B), der sich in seiner Forderung überdies durch den Fall Skylink bestätigt sah.
Skeptisch zur Initiative des BZÖ äußerte sich hingegen Abgeordneter Harald Stefan (F), der diesbezügliche
Eingriffe vor allem angesichts der zahlreichen kleineren Familienunternehmen als problematisch einstufte. Abgeordneter
Johann Maier (S) meldete gleichfalls Bedenken an und meinte, Wissen sei nicht alles. In der Vergangenheit sei es
immer wieder vorgekommen, dass exzellent ausgebildete Aufsichtsräte an Wirtschaftsdelikten beteiligt waren.
Maier verwies ebenso wie Abgeordneter Peter Michael Ikrath (V) auf Arbeiten des Justizministeriums an einer Reform
des Aktienrechts und plädierte für eine Vertagung des Antrags. |