Med-Uni Innsbruck: neue Forschungsergebnisse in der Nervenregeneration
Innsbruck (universität) - Periphere Nervenverletzungen sind Schädigungen außerhalb
des zentralen Nervensystems (Hirn, Rückenmark). Ein typisches Beispiel hierfür sind Extremitäten-Verletzungen
bei Motorradunfällen. Als Therapie der ersten Wahl gilt die chirurgische Wiederherstellung, aber für
die gezielte Regeneration von Nervenzellfortsätzen bestehen bis dato Grenzen. Der Innsbrucker Wissenschaftlerin
Dr.in Barbara Hausott an der Sektion für Neuroanatomie, Medizinische Universität Innsbruck, ist es nun
gelungen, ein Protein zu identifizieren, welches hier eine wesentliche Rolle spielen könnte: Die Regulierung
des Sprouty Proteins erlaubt es, die Regeneration von peripheren Nervenläsionen zu verbessern.
Von peripheren Nervenverletzungen der oberen Extremitäten sind beispielsweise alleine in den USA jährlich
360.000 Personen betroffen, größtenteils junge Menschen. Die Ursachen dafür können Sportverletzungen,
Unfälle – hier vor allem Motorradunfälle, Überdehnungen, Schnitt- und Stichverletzungen, Verbrennungen
usw. sein. Zum Vergleich eine Zahl: Nach Auskunft ÖAMTC (Statistik Austria) verletzten sich beispielsweise
im Jahr 2009 rund 9.200 Personen bei Unfällen mit einspurigen Kraftfahrzeugen in Österreich. Traumatische
Läsionen am peripheren Nervensystem kommen um das Zehnfache häufiger vor als jene, des zentralen Nervensystems
(Hirn, Rückenmark). Die klinische Prognose nach der chirurgischen Behandlung ist unvorhersehbar und für
Betroffene oft enttäuschend: Die Lebensqualität kann nicht beibehalten werden, manchmal steht aufgrund
der gesundheitlichen Einschränkung sogar ein Berufswechsel an. An der Sektion für Neuroanatomie der Medizinischen
Universität Innsbruck wird nun unter der Leitung von Prof. Dr. Lars Klimaschewski intensiv an neuen Behandlungsmöglichkeiten
von Nervenläsionen und deren Folgen geforscht. Im Rahmen des D. Swarovski-Förderungsfonds befasst sich
die Biologin Dr.in Barbara Hausott mit der Rolle von Sprouty Proteinen in der Axonregeneration von verschiedenen
Neuronen.
Die Krux der neuronalen Regeneration
Neuronale Zellfortsätze (Axone) leiten elektrische Impulse zwischen Nervenzellen oder Nervenzelle und Zielgewebe.
Gebündelt als periphere Nerven durchziehen sie den Körper. Wenn bei deren Schädigung eine große
Distanz zu überbrücken ist, treten gehäuft Probleme auf, die derzeit mit der Opferung und Implantation
eines gesunden Nervs behandelt werden. Dennoch bilden sich oft schmerzhafte Nervenknäuel durch übermäßiges
Verzweigen des verletzten Nervs an der Läsionsstelle. „Vor diesem Hintergrund sind Substanzen von besonderem
Interesse, die das Längenwachstum von peripheren Axonen fördern und kein übermäßiges
Verzweigen induzieren“, erklärt Medizinerin Dr.in Maria Auer, die ebenfalls an der Erforschung Regenerations-hemmender
Proteine in der Abteilung für Neuroanatomie arbeitet. So genannte Sprouty-Proteine nun hemmen signalgesteuerte
Reaktionen wie beispielsweise die Zellvermehrung oder – wie in diesem Fall: das Axonwachstum.
Mit Hilfe von Zellkultur-Modellen peripherer und zentraler Neurone erforschten die Wissenschaftlerinnen in einer
ersten Studie das Vorkommen unterschiedlicher Sprouty-Isoformen im peripheren und zentralen Nervensystem. In einer
weiteren Studie untersuchten Hausott und Auer die konkrete Funktion von Sprouty beim Axonwachstum sowohl im Entwicklungsalter
also auch im Rahmen der Regeneration nach Verletzungen.
Proteinhemmung verbessert Regeneration bei Nervenläsionen
Die Resultate: Das Protein Sprouty kommt in verschiedenen Formen im Nervensystem vor. Zusätzlich konnte gezeigt
werden, dass Sprouty das Axonwachstum im zentralen und peripheren Nervensystem hemmt - und zwar sowohl in der Entwicklungsphase
wie auch in der Regeneration. „Umgekehrt bedeutet dies, dass die Hemmung von Sprouty zu einem verstärkten
und gewünschten Längenwachstum der Axone führt“, so Hausott.
In einer weiteren Arbeit wurde diese Wirkung durch die Behandlung mit dem Wachstumsfaktor Fibroblast Growth Factor
(FGF-2) noch verstärkt. Dazu erklärt die Erstautorin der beiden Publikationen Dr.in Hausott: „Bemerkenswert
ist vor allem, dass die Hemmung von Sprouty mittels siRNAs (small interfering RNA) zusammen mit FGF-2 einen verstärkten
Effekt auf das Längenwachstum von Axonen hat, während aber gleichzeitig die Anzahl der Verzweigungspunkte
nicht verändert ist. Das ist besonders wichtig für die Axonregeneration über längere Distanzen,
wo es noch einigen Verbesserungsbedarf in der Therapie von peripheren Nervenläsionen gibt.“
Internationale Anerkennung und weitere Forschungsziele
Außerdem führte die Verminderung von Sprouty in Neuronen zu einer vermehrten FGF-2-induzierten Aktivierung
des MAP (Mitogen Activated Protein)-Kinase-Signalweges. Diese Aktivierung ist mit großer Wahrscheinlichkeit
für die Effekte auf das Axonwachstum verantwortlich. Zusätzlich konnte in den beiden Studien gezeigt
werden, dass Sprouty nicht wie bisher angenommen ein rein zytoplasmatisches Protein ist, sondern im Gegensatz zu
anderen Zelltypen in Neuronen auch im Zellkern vorkommt. In weiterer Folge soll nun die Rolle von Sprouty in der
Nervenregeneration in vivo untersucht werden. Die Erkenntnisse dieser Untersuchungen fanden internationale Beachtung
und wurden in den Zeitschriften „Molecular and Cellular Neuroscience“ und „Hippocampus“ veröffentlicht. |