Getreide: Heimischer Qualitätsweizenpreis auf Rekordhoch seit EU-Beitritt   

erstellt am
31. 01. 11

FAO-Chefökonomin sieht Unruhen in Nordafrika nicht von Lebensmittelpreisen ausgelöst
Wien (bmlfuw/aiz) - International stehen die Agrarmärkte unter dem Eindruck der knappen Versorgung mit - vor allem hochwertigen - Weizen, Mais und Ölsaaten. Die Preise erreichten vorige Woche neue Spitzen. Getrieben werden sie von den "Wettermärkten" - Stichwort: Wetterphänomen La Nina mit der Flutkatastrophe in Australien und Trockenheit in Süd- und Teilen Nordamerikas - sowie von den politischen Unruhen in Nordafrika und massiven Weizenkäufen der Staaten vom Maghreb über Ägypten bis zum Irak. Dabei schnellen die Notierungen sowohl an den Warenterminbörsen - an der US-Leitbörse CBOT in Chicago erreichte der Weizenfutures Mitte der Vorwoche kurzfristig ein 29-Monate-Hoch - als auch auf den Kassamärkten in die Höhe

An den Terminbörsen kommt es zwischendurch auch immer wieder zu Gewinnmitnahmen, die aber nur kurzfristige Ausschläge der Notierungen nach unten bewirken, ehe sie dann wieder in neue lichte Höhen steigen. So konnten am Freitag wöchentliche Exportzahlen der USA von mehr als 1 Mio. t den Weizenfutures an der CBOT nicht dran hindern, wieder nachzugeben. Die Wiener Qualitätsweizennotierung - also der Netto-Großhandelsabgabepreis für physisch gehandelten Weizen - erreichte vorigen Mittwoch mit EUR 283,- bis 290,- ein Hoch, wie es seit Aufgabe der alten österreichischen Marktordnung zum EU-Beitritt 1995 nicht mehr registriert worden war.

Der heimische Qualitätsweizenpreis hat damit seit seiner Erstnotierung aus der Ernte 2010 Ende Juli des Vorjahres um 63,4% zugelegt. Premiumweizen notierte am Mittwoch der vorigen Woche an der Wiener Produktenbörse zwar nur nominell, weil, so Händler, in diesem Nischensegment in der Woche zuvor halt zufällig einmal keine Neuabschlüsse getätigt worden sind, die Notierungen von Qualitäts- und Mahlweizen sprangen aber neuerlich um drei beziehungsweise vier Euro pro t in die Höhe. Die Notierungen des Qualitäts- und Mahlweizens sind vorwiegend vom Inlandsgeschäft geprägt - und sie liegen nach wie vor über jenen des europäischen Weizenfutures an der Leit-Warenterminbörse Euronext in Paris. "Der Markt gleicht einem Tanz auf dem Vulkan, in dessen Innerem eine Panik um die Versorgungssicherheit brodelt und auszubrechen droht." So beschreibt ein heimischer Marktteilnehmer die internationalen Getreidemärkte und den heimischen Kassamarkt, der sich dieser Stimmung nicht entziehen kann.

FAO-Chefökonomin sieht Lebensmittelpreise nicht als Ursache für Unruhen in Nordafrika
Laut Reuters sei die Welle der Unruhen in Nordafrika nach Ansicht der Chefökonomin der UN-Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation FAO, Liliana Balbi, entgegen der Meinung vieler Kommentatoren aber nicht auf eine Inflation der Lebensmittelpreise zurückzuführen, sondern von anderen wirtschaftlichen und politischen Problemen ausgelöst. Die Verbraucherpreise für Grundnahrungsmittel seien in der Region von Marokko über Algerien und Tunesien bis nach Ägypten nämlich vergleichsweise stabil. "Definitiv ist diese Unruhe nicht ganz allgemein von emporschnellenden Lebensmittelpreisen ausgelöst", wird Balbi zitiert. "Die Lage ist anders als 2008, wo die hohen internationalen Lebensmittelpreise auf alle Länder der Welt übergeschwappt sind."

Die Grundnahrungsmittel Getreide und Brot seien ihr zufolge 2010 etwa in Tunesien um 3,8% und in Algerien um 2% nur vergleichsweise moderat teurer geworden, während diese Länder eine allgemeine Inflation bei der Ernährung von 6% beziehungsweise 4,5% verzeichnet hätten. So habe sich Ernährung in Großbritannien 2010 um 5,3% verteuert. In Ägypten - dem weltweit größten Weizenexporteur mit 2010/11 laut Toepfer International geschätzten 9,8 Mio. t Weizeneinfuhr - seien, so argumentiert Balbi, dank der umfangreichen Brotsubventionierung der Regierung für die 14,2 Mio. unter der Armutsgrenze Lebenden die Preise trotz des internationalen Anstiegs relativ stabil geblieben. "Die Kosten dieses Programms sind enorm, werden aber nicht direkt an die Verbraucher weitergegeben."

Lebensmittel-Versorgungssicherheit ganz oben auf der internationalen Agenda
Die Lebensmittel-Versorgungssicherheit steht ganz oben auf der internationalen Agenda, dennoch habe aktuell, so die Weltbank in ihrem jüngsten Bericht, der internationale Preisanstieg bei den Agrarrohstoffen die Ärmsten der Welt bis jetzt noch nicht erreicht. Demnach seien die Lebensmittelpreise 2010 global um 7% unter den Spitzenwerten vom Juni 2008 gelegen, in lokalen Werten der Landeswährungen sei man sogar noch 30% von der Spitze entfernt. Denn, so die Weltbank, "der reale Preis für international gehandelte Rohstoffe frei Grenzen der Entwicklungsländer in deren lokalen Währung hat weit weniger stark zugenommen als deren normalerweise in US-Dollar ausgedrückter Preis". Obwohl die Welt momentan nicht auf eine Krise der Größenordnung wie vor drei Jahren zusteuere, könnten protektionistische Maßnahmen von Regierungen - wie offensichtlich etwa Exportstopps - aber noch mehr Probleme auslösen.

Nordafrika kauft massiv Weizen am Weltmarkt
Um die Lage ruhig zu halten, kaufen die nordafrikanischen Länder - meist über Staatshandelsfirmen - zurzeit massiv Weizen am Weltmarkt ein. Algerien habe mit 600.000 t Weichweizen noch einmal kräftig auf dem Weltmarkt zugeschlagen, berichtete die EU-Kommission am Donnerstag im Verwaltungsausschuss in Brüssel. Die Preise sollen zwischen USD 360,- und 365,- (EUR 262,58 und 266,23) pro t cif liegen. Die Verkäufer kämen aus Frankreich oder Südamerika, vermutet die Kommission. Zudem bezog Algerien 600.000 t Hartweizen aus Kanada und Frankreich zu einem Preis von USD 490,- (EUR 357,40) pro t cif. Jordanien und Tunesien sollen sich ebenfalls mit größeren Hartweizenmengen eingedeckt haben. Die Getreideexporte aus der EU werden zurzeit durch den starken Euro erschwert. Zwischen dem 19. und dem 25.01. wurden daher laut Kommission in der EU "nur" Exportlizenzen für 240.000 t Weizen nachgefragt, das sind weniger als in den Vorwochen. Hinzu kommen in diesem Zeitraum Exportlizenzen für knapp 55.000 t Gerste, die in Brüssel beantragt wurden.

Österreich: Auch mit dem Durum-Preis geht es steil bergauf
Steil nach oben mit einem Plus von EUR 9,- auf EUR 310,- bis 325,- pro t ging es vorigen Mittwoch auch mit der Wiener Durum-Notierung, nachdem die Mühlen den Preisvorstellungen der Lagerhalter lange einen Deckel aufgesetzt hatten, nun aber offensichtlich realisieren müssen, das die für Kaufzurückhaltung ins Treffen geführte gute Versorgungslage mit alternativen Bezugsquellen eine Illusion ist.

Ein wiederum notierter Futtergerstenpreis von EUR 220,- bis 226,- pro t wurde vom Markt gerade einmal als interessanter Randaspekt interpretiert, weil kaum Ware da sei - ebenso wie Futterweizen, der mangels inländischen Angebots ein Thema für Importe ist.

EU-Kommission verkauft Interventionsgerste
Indes verkaufte die EU-Kommission weitere rund 500.000 t Gerste aus Interventionsbeständen. Im Verwaltungsausschuss gab sie am Donnerstag in Brüssel 188.101 t Gerste aus deutschen Interventionsbeständen den Zuschlag zu einem Mindestverkaufspreis von EUR 197,85 pro t. In Deutschland wurden vom Getreidehandel insgesamt 236.058 t nachgefragt zu Preisen von EUR 182,19 bis 205,56 pro t. In Finnland verkaufte die Kommission 204.311 t Gerste mit einem Mindestpreis von EUR 178,02 pro t. Kleinere Verkaufsmengen entfallen zudem auf Tschechien, Dänemark, die Slowakische Republik und das Vereinigte Königreich.

Österreichischer Maispreis weiterhin "matt"
Am Maismarkt wurde vorige Woche Industrieware notiert und der Futtermais auf nominell gesetzt. Die EUR 221,50 für den Futter- und die EUR 224,50 pro t für den Industriemais werden aber nach wie vor als "matt" kommentiert, wenn man den Futterwert von Mais mit dem von Futtergerste vergleiche. "Da kommt der Mais zurzeit vergleichsweise schon verdammt billig und müsste eigentlich in reißendem Strom in den Futtertrog abfließen", so ein Marktbeteiligter.
Bei den Ölsaaten verbreiterte sich das Preisband vorigen Mittwoch, nachdem gegen Ende der vorvorigen Woche die Preise eine Spitze erreicht hatten und zu Beginn der Vorwoche dann abzubröckeln begonnen haben. Billiger wurden im Wochenabstand auch die Importe von Sojaschrot.
     
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