Kommission und Frankreich streiten über Spekulationseinfluss
Wien (bmlfuw/aiz) - Die EU-Kommission schlägt zum Schutz vor einer Rohstoffknappheit den Aufbau
von Vorratslagern für begehrte Materialien vor. Gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und der Industrie solle
geprüft werden, ob ein Lagerprogramm wünschenswert und machbar sei, hieß es am 25.01. laut dem
Nachrichtendienst Reuters im Entwurf der neuen Rohstoffstrategie der EU. Auch das internationale Handelsrecht will
die Staatengemeinschaft demnach nutzen, um sich gegen Liefereinschränkungen von marktbeherrschenden Ländern
zu wehren.
Einfluss der Spekulationen auf Preisschwankungen umstritten
Die Kommission wollte eigentlich schon heute eine Mitteilung zur künftigen Rohstoffpolitik veröffentlichen.
Allerdings wurde der Termin gestern abgesagt, da die EU-Behörde in ihrer Analyse den Einfluss von Spekulation
auf die Marktpreise von Industrie- und Agrarrohstoffen noch weiter untersuchen will. Mehr Daten müssten ausgewertet
werden. Die Brüsseler Experten waren dem Entwurf zufolge zu dem Ergebnis gekommen, es gebe keine Beweise für
einen preistreibenden Effekt von Spekulationen. Die Preise von Getreide schwankten zwar deutlich mehr als in der
Vergangenheit, es seien aber nicht die Geldanleger, die dafür verantwortlich gemacht werden könnten.
Trotz der enorm gestiegenen Finanzanlagen sei eine Abkopplung der Börsenpreise vom physischen Markt kaum zu
beweisen, schlussfolgert die Kommission.
Sarkozy bezeichnet EU-Kommissionsbericht als Aprilscherz
Sehr wohl von einem preistreibenden Einfluss der Spekulation überzeugt ist jedoch Frankreichs Präsident
Nicolas Sarkozy, der die Regulierung von Rohstoffmärkten auf die Agenda der G-20-Präsidentschaft (Gruppe
der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer) Frankreichs gesetzt hat. Den Bericht der Kommission bezeichnete
er am Montag in Paris als Aprilscherz. Gerade Entwicklungsländer müssten vor drastischen Preisaufschlägen
geschützt werden. Es sei nicht zu erklären, dass zwar Finanzmärkte reguliert werden, nicht aber
Rohstoffmärkte. Die Mitteilung soll deswegen nun in abgeschwächter beziehungsweise überprüfter
Form erst in den kommenden Wochen vorgelegt werden. Auf jeden Fall finde die Publikation "vor dem 1. April"
statt, hieß es aus der EU-Kommission. Neben steigenden Preisen für Nahrungsmittel treibt die EU vor
allem die Sorge über Engpässe bei wichtigen Rohstoffen für die Industrie, die Seltenen Erden, an.
Um eine sichere Rohstoffversorgung zu erreichen, will die EU an drei Hebeln ansetzen, die bei Handelsabkommen besonders
berücksichtigt werden sollen. Exportbeschränkungen wichtiger Lieferländer möchte die EU über
die Welthandelsorganisation angehen. Zum Zweiten soll die Förderung von Rohstoffen in den EU-Ländern
selbst unterstützt werden. Schließlich setzt die EU auf Recycling.
EU-Kommission will Daten über Lagerstände verbessern
Im Hinblick auf die Agrarmärkte möchte die EU-Kommission unter anderem ihre Daten über
die Lagerbestände vermehren, um entsprechende Schritte setzen zu können. Es gibt zwar Informationen über
Produktion, Verbrauch, Handel und Bestände, allerdings könnte der Wissensstand verbessert werden, speziell,
was die Lagerbestände betreffe, hieß es aus der Brüsseler Institution. Dieses Thema sollte auch
von einem Diskussionsforum auf globaler Ebene zwischen den Hauptakteuren des Marktes - Exporteuren wie Importeuren
- aufgebracht werden, damit Krisen festgestellt werden könnten, bevor sie stattfänden. EU-Agrarkommissar
Dacian Ciolos dürfte derartige Pläne seinen Kommissionskollegen bis zum Sommer vorstellen. Insbesondere
wird an Punkten gearbeitet, wie der Verfügbarkeit und Transparenz von Informationen über private und
öffentliche Lager sowie Produktion und Verbrauch. Auch die Verfügbarkeit von Lagern als Krisenmaßnahme
für Länder, die strukturell von Importen abhängen, Sicherheitsmechanismen für Staaten, die
einer Nahrungsmittelknappheit gegenüberstehen, und die Rolle der EU-Kommission bei der Organisation von Lebensmittelhilfen
auf einem internationalen und europäischen Level werden unter die Lupe genommen. |