Muskelspannung bleibt spannend   

erstellt am
26. 01. 11

Jahrhundertirrtum der Wissenschaft durch Salzburger Forscher aufgedeckt
Salzburg (universität) - Wissenschaftlern der Universität Salzburg gelang in der Muskelforschung ein markanter Durchbruch. Bislang hatte man angenommen, dass energiesparende Halteleistungen von Muskeln auf dem Arretieren der krafterzeugenden Moleküle beruhen. Das Forscherteam um Stefan Galler erbrachte nun aber an Muscheln den Beweis, dass hierfür eigene Haltemoleküle zuständig sind.

Beim Wettstreit um die stärksten Muskeln im Tierreich belegen erstaunlicherweise die Muscheln seit Jahrmillionen den ersten Platz. Ihre Überlegenheit ist frappierend; doch noch verblüffender ist, dass ausgerechnet diese Muskeln kaum Energie benötigen, wenn sie die Muschelschalen mit unglaublicher Kraft geschlossen halten. Für die tierische Konkurrenz blamabel - für die Wissenschaft ein Rätsel! Nach 50 Jahren Forschungsarbeit glaubte man in den 1960er Jahren des Rätsels Lösung gefunden zu haben. Nun aber – also weitere 50 Jahre später – fand das Forscherteam um Stefan Galler vom Fachbereich Zellbiologie heraus, dass die bisherigen Annahmen falsch sind. Diese neue Erkenntnis ist wegweisend für die gesamte Muskelforschung; denn energiesparende Halteleistungen geringerer Ausprägung sind bei Tier und Mensch weit verbreitet.

Wie funktionieren Muskeln eigentlich? Muskelzellen enthalten Milliarden hochgeordneter Eiweißmolekülfäden (Aktin- und Myosinfilamente). Verkürzt sich ein Muskel, gleiten diese Fäden aneinander vorbei. Flexible Querverbindungen (Myosinköpfchen) verursachen dieses Gleiten durch energieaufwendige Ruderbewegung. Übt ein Muskel nur Haltefunktion aus, unterbleibt die Gleitbewegung; die Ruderbewegungen laufen jedoch weiter und sorgen unter Verbrauch von Zellenergie für anhaltende Muskelspannung. Geht den Muskelzellen die Energie aus, können sich die Querverbindungen nicht mehr lösen und der Muskel fällt in Totenstarre.

Da Muschelmuskeln im Haltezustand kaum Energie benötigen, glaubte man, dass hier die Ruderbewegungen – ähnlich der Totenstarre – beinahe zum Stillstand kommen. Stefan Galler und seine Jungmitarbeiter Julia Litzlbauer und Markus Kröss schalteten die Querverbindungen mittels neu verfügbarer Hemmstoffe aus und beobachteten trotzdem einen hohen Haltewiderstand. Dieser Widerstand kann also nicht auf arretierten Querverbindungen beruhen. Er wird vielmehr durch eigene Haltemoleküle – also Brückenverbindungen, die sich nur beim Halten ausbilden – verursacht. Deren Natur ist unklar, und so bleibt das Rätsel um die energiesparende Muskelspannung weiterhin spannend.

Was nützt uns diese Grundlagenforschung? Nun, energiesparende Haltezustände geringerer Ausprägung treten auch in den Muskeln unserer Blutgefäße auf, und krankhafte Veränderungen des Blutgefäßsystems gehören bekanntlich zu den häufigsten Todesursachen. Wie die Geschichte der Naturwissenschaften lehrt, ergaben sich die bedeutendsten medizinischen Fortschritte meist durch das Studium tierischer Modellorganismen, die bestimmte Grundfunktionen des Lebens besonders deutlich zeigen.
     
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