WIFO-Krisenbilanz  

erstellt am
09. 02. 11

Österreich an 14. Stelle von 37 Ländern
Wien (wifo) - Österreich zählt zu den fünf EU-Ländern, deren Wirtschaft von der weltweiten Krise am wenigsten in Mittleidenschaft gezogen wurde. In Europa bewältigten die Schweiz, Norwegen und Polen die Krisensituation am besten. Im Rückblick lassen sich einige Faktoren identifizieren, die mit dafür maßgebend waren, wie schwer die Wirtschaft eines Landes von der Krise betroffen war: Länder mit hohem Außenhandelsdefizit, starkem Kreditwachstum und dynamischem Aufholprozess vor der Krise verzeichneten einen raschen und anhaltenden Rückgang der Wirtschaftsleistung.

Die Weltwirtschaft wächst derzeit fast so schnell wie vor der Krise ? 2010 um 4,5%, für heuer wird eine Rate von +4,1% erwartet. Die Wirtschaftsleistung liegt deutlich höher als 2007, allerdings nicht in allen Ländern und auch nicht im Durchschnitt der EU. Für eine erste Analyse der Entwicklung der Wirtschaftsleistung von 37 OECD- und asiatischen Ländern in der Krisenperiode werden vier Indikatoren gegenübergestellt, die vier verschiedene Sichtweisen repräsentieren:

  • der Rückgang der Wirtschaftsleistung (reales BIP) im Jahr 2009,
  • die Entwicklung der Wirtschaftsleistung über die Dreijahresperiode 2008 bis 2010, um den Beginn der Krise und das erste Erholungsjahr mit einzubeziehen,
  • der Rückgang in den saisonbereinigten Quartalsdaten vom Vorkrisenhöhepunkt zum Tiefpunkt, um die unterjährige Entwicklung und die Steilheit der Krise zu messen,
  • der Unterschied zwischen der Wirtschaftsentwicklung in den drei Krisenjahren und dem Wachstum seit 2000, um zu zeigen, wie stark sich die Dynamik verringert hat.

Österreich liegt nach der Gesamteinschätzung durch alle vier Indikatoren unter den 37 untersuchten Ländern an 14. Stelle. Innerhalb der EU ist das ein Rang unter den Top 5, nahezu gleichauf mit Frankreich und Belgien und knapp vor den Niederlanden. Portugal hatte zunächst auch eine milde Krise, fällt aber 2010/11 deutlich zurück. Die vier Indikatoren ergeben für Österreich eine ähnliche Position an der Spitze des zweiten Drittels der Länder: Die Wirtschaftsleistung sank 2009 um 3,9%, in der Dreijahresperiode ergaben sich per Saldo keine Einbußen, weil der Rückgang 2009 durch das Wachstum daher und danach kompensiert wurde. Die Wirtschaftsleistung schrumpfte zwischen dem II. Quartal 2008 (Höhepunkt) und dem II. Quartal 2009 (Tiefpunkt) um 4,6%, und das durchschnittliche Wachstum verlangsamte sich von +2,2% p. a. 2001/2007 auf +0,1% p. a. 2008/2010.

Die Wirtschaft der EU als Ganzes schnitt nach allen Indikatoren schlechter ab als jene der USA. Die USA, von denen die Krise ausgegangen war, verzeichneten 2009 gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 2,7% (EU ?4,2%), vom Höhepunkt zum Tiefpunkt von 3,8% (EU ?5,2%); 2010 war das BIP gleich hoch wie 2007 (in der EU hingegen um 2% niedriger), der Trendverlust betrug 2,4% in den USA und 2,8% in der EU.

Die Rangordnung nach den 4 Indikatoren wurde nicht durch Addition gewonnen, sondern durch eine Methode, die zusätzliche Informationen nutzt und gleichlautenden Informationen ein geringeres Gewicht gibt. Die beste Gesamtentwicklung zeigt der Indikator für China, Indien, Australien und Korea, somit durchwegs für Länder im asiatischen Wirtschaftsraum. Chinas Wirtschaft wuchs in den Jahren 2008/2010 im Durchschnitt um 9,6% p. a., das Trendwachstum verlangsamte sich nur unwesentlich zurück. Indien verzeichnete in den Krisenjahren ein etwas geringeres Wachstum und einen noch geringeren Einfluss der Krise. In Polen als einzigem europäischen Land unter den Top 5 der untersuchten Länder wuchs die Wirtschaft auch 2009; in der Dreijahresperiode 2008/2010 ergab sich eine durchschnittliche Rate von +3½%. Die Schweiz erreichte das zweitbeste Ergebnis unter den europäischen Ländern (Rang 6 insgesamt), hatte allerdings vor der Krise ein geringeres Wachstum verzeichnet. Am stärksten brach das Wachstum in Rumänien, Ungarn und Slowenien ein, also drei neuen EU-Ländern, deren Wirtschaft seit 2000 relativ rasch expandiert hatte. Besonders betroffen waren mit Island und Irland auch zwei Länder mit bisher überdurchschnittlichem Pro-Kopf- Einkommen. Finnland und Japan wurden wegen des hohen Industrieanteils ihrer Wirtschaft von der Krise stark in Mitleidenschaft gezogen. Eine endgültige Bilanz der weltweiten Wirtschaftskrise kann noch nicht gezogen werden, da für Portugal und Griechenland auch noch 2011 ein Rückgang der Wirtschaftsleistung prognostiziert wird.

Auch 2011 wird für die EU mit +1,7% ein niedrigeres Wachstum prognostiziert als für die USA und vor allem die asiatischen Länder. Neuerlich wird die Wirtschaft in China, Indien und Korea, die in der Krise zu den Top 5 gehörten, am stärksten expandieren. Für die Türkei wird (wie schon 2010) die dritthöchste Wachstumsrate prognostiziert. Eine Rate über 3% wird auch für die EU-Länder Estland, Lettland, Polen und Schweden erwartet. Österreich liegt unter den 37 Ländern 2011 mit +2,2% in der Mitte, allerdings über dem EU-Durchschnitt.

Nur teilweise erklärt die spezielle Ausgangslage, wie gut die Wirtschaft eines Landes die Krise bewältigt hat. Budgetsituation und Staatsverschuldung vor dem Abschwung hatten entgegen den Erwartungen keinen Einfluss auf die Stärke der Krise in den einzelnen Ländern. Auch Strukturindikatoren wie die Größe der Industrie und des Finanzsektors, der Staatsanteil und die Offenheit der Wirtschaft können die unterschiedliche Betroffenheit nicht erklären. Hingegen wurde die Wirtschaft eines Landes wesentlich schwächer in Mitleidenschaft gezogen, wenn es vor der Krise einen Außenhandelsüberschuss aufgewiesen hatte und wenn das Kreditwachstum international unterdurchschnittlich gewesen war; zudem waren europäische Länder mit besonders hohem Wachstum vor der Krise überdurchschnittlich betroffen. Die Entwicklung in der Krise hing auch stark vom Volumen der Konjunkturpakete ab.

Eine exakte Vorhersage der Entwicklung in künftigen Krisenphasen kann anhand der vorliegenden Evidenz nicht erwartet werden: Die Ergebnisse sind vorläufig, weil wichtige Krisenfolgen weiterwirken. Auch beziehen sich die Erfahrungen auf eine einzige Wirtschaftskrise ? wenn auch in 37 Ländern. Die Kombination von Außenhandelsdefizit, hohem Kreditwachstum und überdurchschnittlichem Wirtschaftswachstum wie z. B. in einem raschen Aufholprozess scheint aber eine Konstellation zu sein, die eine besondere Anfälligkeit gegenüber einer weltweiten Wirtschaftskrise bedeuten könnte.


 

Pröll: WIFO Studie belegt erfolgreiches Krisenmanagement Österreichs
2011 wird das Jahr des Aufschwungs – Unsere Krisenbilanz kann sich sehen lassen und unser entschlossener Kampf gegen die Krise hat sich ausgezahlt
Wien (övp-pk) - Die vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) präsentierte Studie zur Krisenbilanz von 37 OECD- und asiatischen Ländern bringt für Österreich ein mehr als erfreuliches Ergebnis. Dazu Finanzminister Josef Pröll: "Österreich ist an vierter Stelle innerhalb der EU, was die Krisenbewältigung betrifft. Unsere Anstrengungen - von Konjunkturbelebungs- bis hin zu Arbeitsmarktpaketen - zeigen Wirkung. In schwierigen Zeiten haben wir bewusst geholfen und die Menschen nicht im Regen stehen lassen. Das war nicht nur sozial, sondern auch volkswirtschaftlich richtig, wie die Studie nun belegt."

Österreich werde laut der WIFO Studie 2011 ein Wirtschaftswachstum von 2,2 Prozent verzeichnen, also 1,7 Prozent über dem EU-Schnitt. "Unsere Strategie ist klar: Wirtschaft, Wachstum und Aufschwung. Die Basis dafür haben wir mit unseren Maßnahmen gegen die Krise gelegt. Wir haben kraftvoll geholfen und der Erfolg gibt uns recht", so Pröll.

"Nun beginnt die Zeit des Aufschwungs. Wir haben gesät und werden 2011 erfolgreich ernten. Gerade diese Studie zeigt, dass unser entschlossenes Handeln in der Bundesregierung richtig war und wir allen Grund haben mit Optimismus in die Zukunft zu blicken", schloss Pröll.

 

Matznetter: Austro-Keynesianismus als richtiges Modell bestätigt
Krisensicherheit der Klein- und Mittelbetriebe bewiesen
Wien (sk) - Österreich zählt zu den fünf EU-Ländern, die die weltweite Wirtschaftskrise am besten bewältigt haben. Das veröffentlichte das Wirtschaftsforschungsinstitut im Zuge einer vorläufigen Krisenbilanz. "Die Krisenbilanz zeigt, dass der Austro-Keynesianismus das richtige Modell zur Eindämmung der Krise war", zeigte sich SPÖ-Wirtschaftssprecher und Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband, Christoph Matznetter gegenüber dem SPÖ-Pressedienst erfreut. Die Maßnahmen der Bundesregierung seien richtig gewesen und hätten sich bewährt, so Matznetter, der unter anderem auf die Steuerreform 2009 verwies. Umso wichtiger sei es jetzt, daran mit einer strukturellen Steuerreform zur Umverteilung der Steuerlast anzuschließen.

Weiters hob Matznetter die Leistung der Klein- und Mittelbetriebe in Österreich hervor. "Diese Betriebe haben gezeigt, dass sie tatsächlich krisenfest sind. Erfreulicherweise brachten die Meisten ihre Unternehmen durch die Krise und konnten auch größtenteils ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten", so Matznetter, der betonte, dass es sich diese Unternehmer nun verdient hätten, dass ihre langjährigen Forderungen endlich umgesetzt werden. "Dazu zählen Mikrokredite für Ein-Personen-Unternehmen sowie kleine und mittelgroße Unternehmen mit bis zu 10 Mitarbeitern in ganz Österreich. Weiters braucht dieser Sektor Investitionsbegünstigungen und unbürokratische Vergabekriterien bei Krediten", zählte der SPÖ-Wirtschaftssprecher auf. In Richtung Wirtschaftsminister Mitterlehner sagte Matznetter: "Die Förderung von Klein- und Mittelbetrieben ist grundsätzlich zu begrüßen. Sinnvoller, als Husch-Pfusch-Modelle zu präsentieren, wäre allerdings die Forderungen der Unternehmer zu erfüllen."

 

 Leitl: Tolle Krisenbewältigung ist heimischen Betrieben zu verdanken!
WKÖ-Präsident verlangt Belastungsstopp für Österreichs Wirtschaft
Wien (pwk) - "Wenn Österreich laut WIFO-Vergleich zu jenen fünf EU-Ländern gehört, welche die Wirtschaftskrise am besten bewältigt haben, so ist das vor allem den heimischen Betrieben zu verdanken, die mit aller Kraft versucht haben, ihre Beschäftigten trotz Umsatz- und Gewinneinbrüchen zu halten. Hire und fire war bei den Unternehmen Österreichs kein Thema - und dafür ist ihnen zu danken", betont WKÖ Präsident Christoph Leitl.

Leitl sieht aber auch in den Konjunkturpaketen der vergangenen Jahre, welche Regierung und Sozialpartner geschnürt haben, einen äußerst wirkungsvollen Beitrag, um den Standort Österreich krisenfest zu machen: "Von der Kurzarbeits-Förderung bis zur thermischen Sanierung hat es viele Maßnahmen gegeben, welche dazu beigetragen haben, dass die weltweite Wirtschaftskrise Österreich nicht so stark getroffen hat, wie andere Länder. Da hat die Regierung, da haben Finanz- und Wirtschaftsminister goldrichtige Arbeit geleistet." Dazu kam, dass mit einer Steuerreform und ausgewogenen Lohnerhöhungen der Inlandskonsum auf Wachstumskurs gehalten werden konnte. Und bereits 2010 hat sich der Export wieder zum "running horse" der heimischen Konjunktur entwickelt.

Schwach entwickeln sich nach wie vor die Investitionen. Hier schlägt Leitl die Einführung eine zeitlich befristete Investitionszuwachsprämie von 10 Prozent als Anreiz vor. Der WKÖ-Präsident warnt aber auch vor neuen Belastungen der Betriebe: "Wer heute schon wieder eine Vermögenssteuer verlangt, schadet den heimischen Unternehmen und dem Vertrauen in den Standort Österreich. Wer zig Millionen an höheren AGES-Gebühren anstrebt oder Lohnnebenkosten erhöhen will, beeinträchtigt das Wachstum der Wirtschaft. Statt neuer Belastungen muss es jetzt Reformen bei Bildung, Gesundheitssystem, Verwaltung und Pensionssystem geben, um Österreichs Spitzenposition bei der Krisenbewältigung nachhaltig abzusichern."
     

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