Österreich an 14. Stelle von 37 Ländern
Wien (wifo) - Österreich zählt zu den fünf EU-Ländern, deren Wirtschaft von der
weltweiten Krise am wenigsten in Mittleidenschaft gezogen wurde. In Europa bewältigten die Schweiz, Norwegen
und Polen die Krisensituation am besten. Im Rückblick lassen sich einige Faktoren identifizieren, die mit
dafür maßgebend waren, wie schwer die Wirtschaft eines Landes von der Krise betroffen war: Länder
mit hohem Außenhandelsdefizit, starkem Kreditwachstum und dynamischem Aufholprozess vor der Krise verzeichneten
einen raschen und anhaltenden Rückgang der Wirtschaftsleistung.
Die Weltwirtschaft wächst derzeit fast so schnell wie vor der Krise ? 2010 um 4,5%, für heuer wird eine
Rate von +4,1% erwartet. Die Wirtschaftsleistung liegt deutlich höher als 2007, allerdings nicht in allen
Ländern und auch nicht im Durchschnitt der EU. Für eine erste Analyse der Entwicklung der Wirtschaftsleistung
von 37 OECD- und asiatischen Ländern in der Krisenperiode werden vier Indikatoren gegenübergestellt,
die vier verschiedene Sichtweisen repräsentieren:
- der Rückgang der Wirtschaftsleistung (reales BIP) im Jahr 2009,
- die Entwicklung der Wirtschaftsleistung über die Dreijahresperiode 2008 bis 2010, um den Beginn der Krise
und das erste Erholungsjahr mit einzubeziehen,
- der Rückgang in den saisonbereinigten Quartalsdaten vom Vorkrisenhöhepunkt zum Tiefpunkt, um die
unterjährige Entwicklung und die Steilheit der Krise zu messen,
- der Unterschied zwischen der Wirtschaftsentwicklung in den drei Krisenjahren und dem Wachstum seit 2000, um
zu zeigen, wie stark sich die Dynamik verringert hat.
Österreich liegt nach der Gesamteinschätzung durch alle vier Indikatoren unter den 37 untersuchten
Ländern an 14. Stelle. Innerhalb der EU ist das ein Rang unter den Top 5, nahezu gleichauf mit Frankreich
und Belgien und knapp vor den Niederlanden. Portugal hatte zunächst auch eine milde Krise, fällt aber
2010/11 deutlich zurück. Die vier Indikatoren ergeben für Österreich eine ähnliche Position
an der Spitze des zweiten Drittels der Länder: Die Wirtschaftsleistung sank 2009 um 3,9%, in der Dreijahresperiode
ergaben sich per Saldo keine Einbußen, weil der Rückgang 2009 durch das Wachstum daher und danach kompensiert
wurde. Die Wirtschaftsleistung schrumpfte zwischen dem II. Quartal 2008 (Höhepunkt) und dem II. Quartal 2009
(Tiefpunkt) um 4,6%, und das durchschnittliche Wachstum verlangsamte sich von +2,2% p. a. 2001/2007 auf +0,1% p.
a. 2008/2010.
Die Wirtschaft der EU als Ganzes schnitt nach allen Indikatoren schlechter ab als jene der USA. Die USA, von denen
die Krise ausgegangen war, verzeichneten 2009 gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang der Wirtschaftsleistung
um 2,7% (EU ?4,2%), vom Höhepunkt zum Tiefpunkt von 3,8% (EU ?5,2%); 2010 war das BIP gleich hoch wie 2007
(in der EU hingegen um 2% niedriger), der Trendverlust betrug 2,4% in den USA und 2,8% in der EU.
Die Rangordnung nach den 4 Indikatoren wurde nicht durch Addition gewonnen, sondern durch eine Methode, die zusätzliche
Informationen nutzt und gleichlautenden Informationen ein geringeres Gewicht gibt. Die beste Gesamtentwicklung
zeigt der Indikator für China, Indien, Australien und Korea, somit durchwegs für Länder im asiatischen
Wirtschaftsraum. Chinas Wirtschaft wuchs in den Jahren 2008/2010 im Durchschnitt um 9,6% p. a., das Trendwachstum
verlangsamte sich nur unwesentlich zurück. Indien verzeichnete in den Krisenjahren ein etwas geringeres Wachstum
und einen noch geringeren Einfluss der Krise. In Polen als einzigem europäischen Land unter den Top 5 der
untersuchten Länder wuchs die Wirtschaft auch 2009; in der Dreijahresperiode 2008/2010 ergab sich eine durchschnittliche
Rate von +3½%. Die Schweiz erreichte das zweitbeste Ergebnis unter den europäischen Ländern (Rang
6 insgesamt), hatte allerdings vor der Krise ein geringeres Wachstum verzeichnet. Am stärksten brach das Wachstum
in Rumänien, Ungarn und Slowenien ein, also drei neuen EU-Ländern, deren Wirtschaft seit 2000 relativ
rasch expandiert hatte. Besonders betroffen waren mit Island und Irland auch zwei Länder mit bisher überdurchschnittlichem
Pro-Kopf- Einkommen. Finnland und Japan wurden wegen des hohen Industrieanteils ihrer Wirtschaft von der Krise
stark in Mitleidenschaft gezogen. Eine endgültige Bilanz der weltweiten Wirtschaftskrise kann noch nicht gezogen
werden, da für Portugal und Griechenland auch noch 2011 ein Rückgang der Wirtschaftsleistung prognostiziert
wird.
Auch 2011 wird für die EU mit +1,7% ein niedrigeres Wachstum prognostiziert als für die USA und vor allem
die asiatischen Länder. Neuerlich wird die Wirtschaft in China, Indien und Korea, die in der Krise zu den
Top 5 gehörten, am stärksten expandieren. Für die Türkei wird (wie schon 2010) die dritthöchste
Wachstumsrate prognostiziert. Eine Rate über 3% wird auch für die EU-Länder Estland, Lettland, Polen
und Schweden erwartet. Österreich liegt unter den 37 Ländern 2011 mit +2,2% in der Mitte, allerdings
über dem EU-Durchschnitt.
Nur teilweise erklärt die spezielle Ausgangslage, wie gut die Wirtschaft eines Landes die Krise bewältigt
hat. Budgetsituation und Staatsverschuldung vor dem Abschwung hatten entgegen den Erwartungen keinen Einfluss auf
die Stärke der Krise in den einzelnen Ländern. Auch Strukturindikatoren wie die Größe der
Industrie und des Finanzsektors, der Staatsanteil und die Offenheit der Wirtschaft können die unterschiedliche
Betroffenheit nicht erklären. Hingegen wurde die Wirtschaft eines Landes wesentlich schwächer in Mitleidenschaft
gezogen, wenn es vor der Krise einen Außenhandelsüberschuss aufgewiesen hatte und wenn das Kreditwachstum
international unterdurchschnittlich gewesen war; zudem waren europäische Länder mit besonders hohem Wachstum
vor der Krise überdurchschnittlich betroffen. Die Entwicklung in der Krise hing auch stark vom Volumen der
Konjunkturpakete ab.
Eine exakte Vorhersage der Entwicklung in künftigen Krisenphasen kann anhand der vorliegenden Evidenz nicht
erwartet werden: Die Ergebnisse sind vorläufig, weil wichtige Krisenfolgen weiterwirken. Auch beziehen sich
die Erfahrungen auf eine einzige Wirtschaftskrise ? wenn auch in 37 Ländern. Die Kombination von Außenhandelsdefizit,
hohem Kreditwachstum und überdurchschnittlichem Wirtschaftswachstum wie z. B. in einem raschen Aufholprozess
scheint aber eine Konstellation zu sein, die eine besondere Anfälligkeit gegenüber einer weltweiten Wirtschaftskrise
bedeuten könnte.
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Matznetter: Austro-Keynesianismus als richtiges Modell bestätigt
Krisensicherheit der Klein- und Mittelbetriebe bewiesen
Wien (sk) - Österreich zählt zu den fünf EU-Ländern, die die weltweite Wirtschaftskrise
am besten bewältigt haben. Das veröffentlichte das Wirtschaftsforschungsinstitut im Zuge einer vorläufigen
Krisenbilanz. "Die Krisenbilanz zeigt, dass der Austro-Keynesianismus das richtige Modell zur Eindämmung
der Krise war", zeigte sich SPÖ-Wirtschaftssprecher und Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband,
Christoph Matznetter gegenüber dem SPÖ-Pressedienst erfreut. Die Maßnahmen der Bundesregierung
seien richtig gewesen und hätten sich bewährt, so Matznetter, der unter anderem auf die Steuerreform
2009 verwies. Umso wichtiger sei es jetzt, daran mit einer strukturellen Steuerreform zur Umverteilung der Steuerlast
anzuschließen.
Weiters hob Matznetter die Leistung der Klein- und Mittelbetriebe in Österreich hervor. "Diese Betriebe
haben gezeigt, dass sie tatsächlich krisenfest sind. Erfreulicherweise brachten die Meisten ihre Unternehmen
durch die Krise und konnten auch größtenteils ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten", so
Matznetter, der betonte, dass es sich diese Unternehmer nun verdient hätten, dass ihre langjährigen Forderungen
endlich umgesetzt werden. "Dazu zählen Mikrokredite für Ein-Personen-Unternehmen sowie kleine und
mittelgroße Unternehmen mit bis zu 10 Mitarbeitern in ganz Österreich. Weiters braucht dieser Sektor
Investitionsbegünstigungen und unbürokratische Vergabekriterien bei Krediten", zählte der SPÖ-Wirtschaftssprecher
auf. In Richtung Wirtschaftsminister Mitterlehner sagte Matznetter: "Die Förderung von Klein- und Mittelbetrieben
ist grundsätzlich zu begrüßen. Sinnvoller, als Husch-Pfusch-Modelle zu präsentieren, wäre
allerdings die Forderungen der Unternehmer zu erfüllen." |
Leitl: Tolle Krisenbewältigung ist heimischen Betrieben zu verdanken!
WKÖ-Präsident verlangt Belastungsstopp für Österreichs Wirtschaft
Wien (pwk) - "Wenn Österreich laut WIFO-Vergleich zu jenen fünf EU-Ländern gehört,
welche die Wirtschaftskrise am besten bewältigt haben, so ist das vor allem den heimischen Betrieben zu verdanken,
die mit aller Kraft versucht haben, ihre Beschäftigten trotz Umsatz- und Gewinneinbrüchen zu halten.
Hire und fire war bei den Unternehmen Österreichs kein Thema - und dafür ist ihnen zu danken", betont
WKÖ Präsident Christoph Leitl.
Leitl sieht aber auch in den Konjunkturpaketen der vergangenen Jahre, welche Regierung und Sozialpartner geschnürt
haben, einen äußerst wirkungsvollen Beitrag, um den Standort Österreich krisenfest zu machen: "Von
der Kurzarbeits-Förderung bis zur thermischen Sanierung hat es viele Maßnahmen gegeben, welche dazu
beigetragen haben, dass die weltweite Wirtschaftskrise Österreich nicht so stark getroffen hat, wie andere
Länder. Da hat die Regierung, da haben Finanz- und Wirtschaftsminister goldrichtige Arbeit geleistet."
Dazu kam, dass mit einer Steuerreform und ausgewogenen Lohnerhöhungen der Inlandskonsum auf Wachstumskurs
gehalten werden konnte. Und bereits 2010 hat sich der Export wieder zum "running horse" der heimischen
Konjunktur entwickelt.
Schwach entwickeln sich nach wie vor die Investitionen. Hier schlägt Leitl die Einführung eine zeitlich
befristete Investitionszuwachsprämie von 10 Prozent als Anreiz vor. Der WKÖ-Präsident warnt aber
auch vor neuen Belastungen der Betriebe: "Wer heute schon wieder eine Vermögenssteuer verlangt, schadet
den heimischen Unternehmen und dem Vertrauen in den Standort Österreich. Wer zig Millionen an höheren
AGES-Gebühren anstrebt oder Lohnnebenkosten erhöhen will, beeinträchtigt das Wachstum der Wirtschaft.
Statt neuer Belastungen muss es jetzt Reformen bei Bildung, Gesundheitssystem, Verwaltung und Pensionssystem geben,
um Österreichs Spitzenposition bei der Krisenbewältigung nachhaltig abzusichern." |