Insolvenzstatistik Europa 2010/11   

erstellt am
08. 02. 11

Nachwehen der Krise - Firmenkonkurse in Westeuropa nur leicht gesunken
Wien (creditreform) - Der Wirtschaftsaufschwung wirkt zunehmend positiv auf das europäische Insolvenzgeschehen, zu einem merklichen Rückgang der Insolvenzzahlen ist es 2010 aber nicht gekommen. In den EU-15 Staaten plus Norwegen und der Schweiz wurden im vergangenen Jahr 175.677 Firmenkonkurse registriert - das sind 1,4 Prozent weniger als 2009 (178.235 Fälle). In den Staaten Mittel- und Osteuropas erhöhte sich die Zahl der insolventen Unternehmen um 14,1 Prozent auf 35.581 Fälle (2009: 31.194).

Europa der zwei Geschwindigkeiten
Innerhalb Europas zeigten sich 2010 unterschiedliche Trends im Insolvenzgeschehen. Sieben Staaten mit Zuwächsen stehen zehn Länder mit Rückgängen bzw. einer Stagnation gegenüber. Den größten prozentualen Insolvenzanstieg der westeuropäischen Staaten verzeichnet Luxemburg mit plus 31,5 Prozent auf 918 Verfahren, gefolgt von Italien (plus 30,8 Prozent auf 10.923 Fälle), Schweiz (plus 19,9 Prozent auf 6.255 Fälle) und Portugal (plus 15,6 Prozent auf 5.144 Insolvenzen). In Finnland wurden hingegen 12,4 Prozent weniger Firmenzusammenbrüche registriert als 2009, in Großbritannien waren es 11,1 Prozent weniger und in Norwegen 10,6 Prozent. In Deutschland kam im vergangenen Jahr für 32.100 Unternehmen das insolvenzbedingte Aus - ein Minus von 2,5 Prozent gegenüber 2009. Damit zählt die Bundesrepublik neben Frankreich (51.060 Insolvenzen) und Großbritannien (17.690) aber zu den drei europäischen Staaten mit der höchsten absoluten Zahl an Firmenpleiten.

Erholung in der Industrie - weniger Arbeitsplätze gefährdet
In Westeuropa mussten im vergangenen Jahr rund 19.100 Betriebe aus dem Verarbeitenden Gewerbe Insolvenz anmelden. Das waren 10,9 Prozent aller registrierten Insolvenzfälle und entspricht einem Rückgang um 5,7 Prozent gegenüber 2009. Verringert haben sich die gemeldeten Insolvenzverfahren auch in den übrigen Hauptwirtschaftsbereichen, wenngleich nur leicht: so im Baugewerbe um 1,1 Prozent, im Handel und Gastgewerbe um 1,8 Prozent und im Dienstleistungssektor um lediglich 0,6 Prozent. Mit etwa 66.000 Insolvenzen kamen aus dem Dienstleistungsgewerbe die meisten Firmenzusammenbrüche. Der Anteil des Sektors am europaweiten Insolvenzgeschehen erhöhte sich somit binnen eines Jahres von 37,2 auf 37,6 Prozent. Der Bausektor stellt mit ca. 36.900 Insolvenzverfahren 21,0 Prozent der registrierten Fälle, der Handel mit 53.600 Konkursen 30,5 Prozent.

Die Verlagerung des Insolvenzgeschehens auf den Dienstleistungssektor und eher kleinere Unternehmen führte zu einer Verringerung der insolvenzbedingten Arbeitsplatzverluste. Nachdem 2009 in Westeuropa schätzungsweise 2,0 Millionen Arbeitnehmer von der Pleite ihres Arbeitgebers betroffen waren, sind es 2010 noch 1,4 Millionen. In Mittel- und Osteuropa dürften zudem rund 200.000 Stellen durch eine Insolvenz gefährdet sein (2009: 240.000 Betroffene).

Privatinsolvenzen steigen weiter
Im Gegensatz zum Trend bei den Firmeninsolvenzen ist die Zahl der Privatkonkurse 2010 nochmals gestiegen. Mit knapp 385.000 zahlungsunfähigen Personen in Westeuropa wurden 5,2 Prozent mehr Fälle registriert als 2009 (366.000). Dieser Anstieg geht weitgehend auf die Entwicklungen in Schweden (plus 19,3 Prozent; 7.860 Fälle), in den Niederlanden (plus 16,6 Prozent; 10.450 Fälle), in Frankreich (plus 8,1 Prozent; 44.360 Betroffene) und in Deutschland (plus 7,6 Prozent; 139.800 Fälle) zurück. Unter dem europäischen Durchschnitt blieb der Anstieg in Großbritannien (plus 1,8 Prozent; 162.460 Fälle), das aber erneut die meisten Privatinsolvenzen zählt, sowie in der Schweiz und in Österreich (jeweils plus 0,5 Prozent gegenüber 2009).

Der krisenbedingte Anstieg der Arbeitslosigkeit und die seit Ende der 90er Jahre stark gestiegene private Verschuldung der Europäer - beispielsweise für eine Immobilienfinanzierung - birgt für immer mehr Menschen die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit. So dürfte die Zahl der Privatinsolvenzen auch im laufenden Jahr auf einem hohen Niveau verharren.

Kapitalschwäche macht Unternehmen anfällig
Die Ertragskraft der westeuropäischen Unternehmen ist im Krisenjahr 2009 stark unter Druck gekommnen. Mehr als jedes vierte Unternehmen (27,8 Prozent) schrieb Verluste. Dieser Aderlass zehrte an den Kapitalrücklagen der betroffenen Unternehmen. Mittlerweile weist jedes vierte Unternehmen in Europa (25,8 Prozent) eine Eigenkapitalquote von weniger als zehn Prozent (im Verhältnis zur Bilanzsumme) auf. Entsprechend hoch sind hier der schuldenfinanzierte Teil der Vermögenswerte und die Abhängigkeit von externen Fremdkapitalgebern. Überdurchschnittlich viele eigenkapitalschwache Unternehmen sind in den südeuropäischen Staaten Italien (35,9 Prozent aller Unternehmen), Portugal (27,4 Prozent) und Spanien (26,4 Prozent) zu finden sowie in Irland (31,5 Prozent) und Großbritannien (31,4 Prozent). Weniger anfällig scheinen die Unternehmen in den skandinavischen Ländern zu sein. In Schweden beispielsweise gelten nur 13,7 Prozent der Unternehmen als unterkapitalisiert.

USA mit starken Ausschlägen - Krisenfolgen in Osteuropa

Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat die Arbeitslosigkeit in den USA drastisch erhöht. Entsprechend schnellte die Zahl der Privatinsolvenzen im vergangenen Jahr um 11,3 Prozent auf 1,57 Millionen nach oben. Dieser Wert liegt nur knapp unter dem bisherigen Rekord aus dem Jahre 2003. Im Unternehmenssektor hat sich das Firmensterben dagegen verringert. 2010 mussten rund 57.300 US-Unternehmen aufgeben - das sind 5,8 Prozent weniger als 2009 (60.837 Verfahren). Sowohl der Anstieg der Privatinsolvenzen als auch der Rückgang im Unternehmenssektor fiel in den Vereinigten Staaten stärker aus als in Europa.

Osteuropa war auch 2010 von den Folgen der Wirtschaftskrise betroffen. Die Zahl der Firmeninsolvenzen erhöhte sich noch einmal um 14,1 Prozent auf 35.581 Fälle. Den stärksten Anstieg weisen Litauen (plus 28,1 Prozent), Kroatien (plus 23,8 Prozent) sowie Slowenien (23,2 Prozent) auf. Ein Rückgang wurde in Estland (minus 27,3 Prozent), in Polen (minus 10,1 Prozent) und in der Slowakei (minus 7,8 Prozent) registriert. Gestiegen ist die Zahl der Unternehmenspleiten auch in Russland - um 7,3 Prozent auf ca. 16.600 Fälle.
     
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