Meira Kumar und Pratibha Patil empfangen Parlamentarierdelegation
New Delhi (pk) - Überaus freundschaftlich verlief das Treffen zwischen Nationalratspräsidentin
Barbara Prammer und ihrer indischen Amtskollegin Meira Kumar am Abend des 07.02. Den österreichischen ParlamentarierInnen,
die dem 1,1-Milliarden-Einwohner-Land derzeit einen Besuch abstatten, wird hohe Wertschätzung entgegengebracht.
Heute Abend wird die Delegation zudem von Staatspräsidentin Pratibha Devisingh Patil empfangen.
Tänzerinnen und Tänzer in bunten Trachten wirbelten über die Bühne, zeigten zu rasanter Musik
eine impulsive, farbenprächtige Show: Traditionelle Volkskunst aus dem Punjab und aus dem Nordosten Indiens
erlebten die ParlamentarierInnen beim Empfang durch die Vorsitzende der Lok Sabha, Meira Kumar. Der Delegation
wurde an diesem lauen Februarabend allerdings nicht nur ein Folklorespektakel geboten: Auch eröffnete sich
ihr die Möglichkeit, mit einer Vielzahl hochrangiger indischer PolitikerInnen in Kontakt zu treten.
"Österreich ist das kulturelle Zentrum Europas und ein sehr aktives Mitglied der Europäischen Union",
hielt Kumar im Rahmen ihrer Begrüßung fest. Es sei dabei nicht zuletzt auch in wirtschaftlicher Hinsicht
ein interessanter Partner. "Investitionen in Indien sind willkommen", warb die Präsidentin und sprach
in diesem Zusammenhang an den österreichischen Bankensektor die Einladung aus, sich in Indien zu engagieren.
Die Krise sei überwunden, die Wirtschaft boome, das Wachstum werde im laufenden Jahr bei 9 % liegen. Daraus
ergebe sich beträchtliches Potenzial für den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen. Notwendig seien
aus indischer Sicht vor allem Energie- und Umwelttechnologie, von der Österreich viel zu bieten habe. Nationalratspräsidentin
Prammer warb in diesem Zusammenhang dafür, Kooperationen im universitären Bereich auszubauen und damit
den Wissenstransfer zu forcieren.
Einig waren sich die beiden Präsidentinnen, dass der Kampf gegen den internationalen Terrorismus gemeinsam
geführt werden müsse. Dieses Problem betreffe nicht nur einige wenige Länder wie Indien, so Kumar,
denn "kein Platz auf der Erde ist vor diesen Aktivitäten sicher". Prammer nannte die Ausbildung
junger Menschen und die damit verbundenen Perspektiven sowie soziale Sicherheit als geeignete Mittel, Terrorismus
den Nährboden zu entziehen.
"Wir sollten die parlamentarischen Beziehungen unserer Länder verstärken", meinte Kumar und
sprach damit ein bei diesem Besuch immer wieder kehrendes Thema an: den Ausbau der parlamentarischen Diplomatie.
Parlamente bestünden aus einer Vielzahl von Parteien, weshalb ihre Außenpolitik von einer breiteren
Basis getragen werde als jene der Regierungen. "Wir können eine wichtige Rolle spielen", pflichtete
Prammer bei. Parlamente seien auch näher an den Bürgerinnen und Bürgern, was sie für die Lösung
von Konflikten prädestiniere.
Auch auf den von Präsidentin Kumar vorgebrachten Wunsch Indiens nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat
ging Prammer ein: Österreich sei ebenfalls an einer Reform dieses Gremiums interessiert. Sollten neue ständige
Mitgliedschaften geschaffen werden, wäre Indien ein natürlicher Kandidat.
Die Nationalratspräsidentin gratulierte ihrer Amtskollegin aber auch zum Vorhaben, im Parlament eine Frauenquote
von 33 % einzuführen. Im Oberhaus wurde diese Regelung bereits beschlossen, die dazu nötige Verfassungsänderung
muss jetzt noch vom Unterhaus angenommen werden. Obwohl sich Oppositionsführerin Sushma Swaraj im Gespräch
mit der österreichischen Delegation klar für das Regierungsprojekt aussprach, wird es von einigen Oppositionellen
mit aller Kraft blockiert. "Es geht meiner persönlichen Erfahrung nach letztlich immer nur mit Gesetzen",
sprach sich Prammer für politische Konsequenz aus, wenn im Bemühen um Gleichberechtigung Überzeugungsarbeit
nicht zum gewünschten Erfolg führt.
Weiter außenpolitischer Themenbogen
Dem Empfang durch die Parlamentspräsidentin war am Nachmittag eine Aussprache mit Abgeordneten des Ausschusses
für auswärtige Angelegenheiten vorangegangen. Dabei entwickelte sich eine intensive Debatte, die einen
weiten Themenbogen umspannte. Der andauernde Konflikt Indiens mit seinem Nachbarstaat Pakistan wurde ebenso ausführlich
erörtert wie die Situation in Afghanistan und die geopolitische Rolle Indiens in der Region.
Viel Interesse zeigten die indischen Gesprächspartner an der österreichischen Neutralität, konkret
an deren historischer und politischer Bedeutung sowie an ihrer Funktion innerhalb der EU.
Nationalratspräsidentin Prammer bat außerdem, die Verhandlungen über ein Sozialversicherungsabkommen
zwischen Indien und Österreich voranzutreiben. Sie leitete damit ein Problem, das erst am Montagmorgen von
Managern österreichischer Unternehmen vorgebracht worden war, an die zuständige Adresse weiter. Aufgrund
der derzeit in Indien bestehenden Gesetzeslage verlieren österreichische ArbeitnehmerInnen bei der Rückkehr
in ihre Heimat ihre Sozialversicherungsbeiträge.
Das Treffen mit Staatspräsidentin Pratibha Devisingh Patil heute Abend bildet den abschließenden Höhepunkt
der politischen Termine in New Delhi. Am Mittwoch reist die Delegation, der neben Prammer auch Dritter Nationalpräsident
Martin Graf sowie die Abgeordneten Christine Muttonen (S), Ruperta Lichtenecker (G) und Sigisbert Dolinschek (B)
angehören, weiter nach Hyderabad und in der Folge nach Chennai, wo in erster Linie Wirtschaftskontakte gepflegt
und die Chancen für österreichische Investoren in Indien erörtert werden. |