NR-Präsidentin Prammer zu Gast an der Jawaharlal
Nehru University
New Delhi (pk) - Ihr Arbeitsaufenthalt in Indien führte Nationalratspräsidentin Barbara
Prammer am Vormittag des 08.02. an die Jawaharlal Nehru University in New Delhi, wo sie im Rahmen eines Vortrags
Chancen und Vorteile parlamentarischer Diplomatie im 21. Jahrhundert beleuchtete. Dabei stand für Prammer
außer Frage, dass dieser Form internationaler Beziehungspflege zunehmend mehr Gewicht zukommen müsse.
Parlamentarische Diplomatie als flexiblere Alternative
Als wesentlichen Vorteil parlamentarischer Diplomatie benannte die Nationalratspräsidentin ihre im Gegensatz
zu anderen diplomatischen Formen größere Flexibilität und Offenheit: Abgeordnete seien schließlich
weder Einschränkungen durch das Protokoll unterworfen, noch wären sie notwendigerweise daran gebunden,
die offizielle Position ihres Heimatstaates und damit ihrer Regierung zu vertreten. Gerade deshalb halte sie, so
Prammer, parlamentarische Diplomatie für den bestmöglichen Ersatz für direkten Kontakt zwischen
Völkern.
Internationalisierung des parlamentarischen Systems ist ein Muss
Der in Folge des technologischen Fortschritts ausgelöste Prozess der Internationalisierung hat, wie die Nationalratspräsidentin
ausführte, rasch alle Bereich des Lebens durchdrungen. Damit entwickelten sich etwa auch Wirtschaft, Beschäftigung
und Lebensstil vor dem Hintergrund eines globalen Kontextes. Viele Probleme könnten deshalb auch nur in Kooperation
zwischen nationaler und internationaler Ebene gelöst werden. Dabei verringere sich aber der traditionelle,
politische Einflussbereich der einzelnen nationalstaatlichen Parlamente – sofern sie nicht proaktiv auf den Internationalisierungstrend
reagierten und neue Prioritäten setzten.
Obgleich außenpolitische Fragen traditionell in den Zuständigkeitsbereich von Regierungen fielen, müsse
man angesichts beschriebener Entwicklung auch die Internationalisierung des parlamentarischen Systems forcieren.
Das sei notwendig, um sicherzustellen, dass politisches Handeln auch in Zukunft demokratisch legitimiert werden
könne. Inter- und supranationale Organisationen erfüllten dieses Kriterium nicht, weshalb die Tatsache,
dass sie mehr und mehr politische Entscheidungen fällen, kritisch beäugt werde, konstatierte Prammer.
Um dem Verlust der Kontrolle über politische Entscheidungsprozesse entgegenzutreten, hätten die Parlamente
aber Strategien entwickelt: Sie kämpften unter anderem um mehr Mitspracherecht auf dem Gebiet der Außenpolitik,
schärften ihr außenpolitisches Profil und intensivierten grenzüberschreitende Kooperationen.
Die IPU (Interparliamentary Union), der die Parlamente von 152 Staaten angehören, arbeite vor diesem Hintergrund
eng mit den Vereinten Nationen zusammen und bemühe sich auf diese Weise, Prozesse der nationalen wie auch
internationalen politischen Entscheidungsfindung enger aneinanderzuknüpfen. Sie habe sich deshalb auch, wie
Prammer ausführte, als nützliches Vehikel erwiesen, wenn es darum gehe, spezifische Prioritäten
im Rahmen internationaler, politischer Prozesse zu setzen. Die Nationalratspräsidentin verwies in diesem Zusammenhang
auf von der IPU organisierte parlamentarische Foren zu den Themen Streumunition und Menschenhandel.
Ruf nach parlamentarischer Beteiligung wird lauter
Der Ruf nach parlamentarischer Beteiligung werde, wie Prammer konstatierte, zunehmend lauter. Dass diese Art der
Kooperation an Beliebtheit gewinne, lasse sich unter anderem auch am Trend zur Einrichtung neuer interparlamentarischer
Gremien ablesen. Das sei – zumindest zu einem Teil – auf die wachsende Bedeutung parlamentarischer Diplomatie zurückzuführen,
die zu einem bestimmenden Faktor im Rahmen bilateraler Beziehungen geworden ist.
Die Erfahrung, die Mitglieder internationaler Gremien wie der Parlamentarischen Versammlung des Europarats sammelten,
sei auch von unschätzbarem Wert für die Diskussion spezifischer Themen auf nationaler Ebene. Im Rahmen
interparlamentarischer Zusammenarbeit wäre Österreich aber auch, wie Prammer anhand einiger Beispiele
illustrierte, den jungen Parlamenten seiner östlichen Nachbarstaaten mit Unterstützung zur Seite gestanden.
Des Weiteren kam die Nationalratspräsidentin auf die Rolle von ParlamentarierInnen als WahlbeobachterInnen
in anderen Staaten und die Veränderung politischer Entscheidungsfindung vor dem Hintergrund des europäischen
Integrationsprozesses zu sprechen.
Die Pflege internationaler Beziehungen als Zeitfrage
Abschließend kam Nationalratspräsidentin Prammer auf die Schwierigkeit, nationale und internationale
Agenden im Rahmen seiner politischen Tätigkeit zu verbinden, zu sprechen. Sie glaube trotz dieser gewichtigen
Zeitfrage daran, dass ParlamentarierInnen als "ÜbersetzerInnen" außenpolitischer Fragen fungieren
können und müssen. Im 21. Jahrhundert, das zahlreiche globale Herausforderungen mit sich bringe, sei
ein internationaler Zugang zum Parlamentarismus schließlich ebenso unentbehrlich wie die Demokratie selbst.
Die Parlamentarierdelegation, der neben Prammer auch der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf sowie die
Abgeordneten Christine Muttonen (S), Ruperta Lichtenecker (G) und Sigisbert Dolinschek (B) angehören, absolviert
im Rahmen ihres Indienprogramms ein umfangreiches Arbeitsprogramm: Noch heute Nachmittag trifft sie mit Vertretern
der indischen Zivilgesellschaft und Staatspräsidentin Pratibha Devisingh Patil zusammen. |