Getreidemärkte: Voraussetzungen für hohe Preise bleiben gegeben   

erstellt am
17. 02. 11

Deutscher Marktbeobachter argumentiert vor Ackerbauern mit realistischen Fakten
Wien (bmlfuw/aiz) - Die Sorge um den Rohstoff Getreide und dessen Preis sowie um eine mögliche Spekulationsblase sind die vordergründigen Eckpunkte der aktuellen Diskussion auf den Agrarmärkten. Übertriebene Befürchtungen und Hoffnungen stehen einander gegenüber. Den Hintergrund dieser Situation beleuchtete der Marktexperte für pflanzliche Produkte der deutschen Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI), Martin Schraa, aus Bonn bei der Wintertagung des Ökosozialen Forum Österreich in Hollabrunn. Für Schraa spielt der Markt nicht verrückt, er gebe nur das Zusammentreffen wichtiger natürlicher und auch "gemachter" Faktoren, insbesondere von Angebot und Nachfrage, wieder.

Der Welt-Weizenbedarf übersteigt in der laufenden Saison 2010/11 das Angebot um prognostizierte 14 bis 20 Mio. t. Bei Futtergetreide ist die Angebotslücke mit 42 bis 47 Mio. t noch größer. Eine schwache Ernte, auch in der Qualität, ist die eine Seite, ein stetig steigender Verbrauch die andere. Die Welt-Weizenernte ist von 678 Mio. t in 2009/10 um gut 30 Mio. t auf 647,4 Mio. t zurückgegangen. Die Schwarzmeerregion war mit einem Minus von rund 20 Mio. t wegen der Dürre unter anderem in Russland besonders ausschlaggebend.

Der Getreideverbrauch ist in den letzten 20 Jahren um rund 30% gestiegen - der Sojaverbrauch ist seit 1990 sogar um 145% gestiegen; in den vergangenen 15 Jahren hat er sich sogar verdoppelt. So schrumpfen auch die Vorräte, bei Brotweizen auf derzeit 178 Mio. t. Der Höchststand betrug hier vor zehn Jahren 210 Mio. t, der Tiefpunkt vor drei Jahren 125 Mio. t. Die globalen Weizenvorräte reichen rechnerisch jetzt für 98, die Maisvorräte für 53 Tage. Politische Einflüsse auf die Getreide- und damit Ernährungsmärkte sieht Schraa in Exportrestriktionen, im Anlegen strategischer Reserven sowie in regionalen Wanderbewegungen der Bevölkerung wie die Landflucht in Afrika.

Bioenergie spielt eine, aber noch nicht die große Rolle

Getreide, Mais und Pflanzenöl gewinnen als Energieträger an Bedeutung, vorerst aber nicht jene, die fallweise bereits kolportiert wird. Getreide geht 2010/11 zu 47% in die menschliche Ernährung, zu 34% in Futter und zu 6% in Bioethanol. In Deutschland als führendem Biogas-Land - 2011 soll ein Stand von 6.800 Biogasanlagen erreicht werden - werden 5% der Ackerfläche, davon ein Viertel der Silomaisfläche, für die Produktion von Biogas genutzt. Für Bioethanol werden dort 2% der Acker-, davon 2,5% der Weizen-, aber 18% der Roggenfläche, verwendet.

Die Biodieselproduktion hat durch den hohen Rapspreis ihren Zenit vorerst überschritten, der direkte Rapsöleinsatz als Treibstoff hat aus technischen Gründen vorerst wenig Verbreitung erlangt. Stark steigende Erdölpreise würden Bioenergie aber weiter interessant machen.

Mühlen als Getriebene und Treiber
An den derzeit hohen Getreidepreisen sind auch die Mühlen beteiligt. Sie dürften unzureichend mit dem Rohstoff eingedeckt sein und müssen nun zur Versorgung ihrer Kunden nachkaufen. In Deutschland stiegen die Kurse für Brotweizen um bis zu 80%, für Roggen sogar um bis zu 90%. Preisdämpfend wirkte jüngst die geringere Nachfrage der Mischfutterindustrie als Folge des Dioxin-Skandals, den ein einzelner Hersteller der ganzen Branche eingebrockt hatte.

Preistreibend wirken auch wieder einmal Spekulanten. Allein im EU-Getreidehandel wird per Papier die fünffache Menge des tatsächlich verfügbaren Getreides "vermarktet".
Die Prognose von Schraa für die nächste Zeit: Auch in der EU wird 2011 mehr Getreide angebaut werden; in Deutschland mehr Weizen, aber weniger Wintergerste und Roggen. Global wird mit einer höheren, gerade bedarfsdeckenden Ernte gerechnet. "Die Voraussetzung für relativ hohe Preise bleiben erhalten", motiviert er für intensiveren Getreidebau.
     
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