Brüssel (europarl) - Die Beitrittsverhandlungen zwischen Kroatien und
der EU könnten in der ersten Jahreshälfte 2011 erfolgreich beendet werden, sofern Kroatien am eingeschlagenen
Reformkurs festhält. Dies bekräftigt das Parlament in einer am 16.02. angenommenen Entschließung.
Die größte Hürde könnte jedoch sein, der euroskeptischen Bevölkerung Kroatiens die Vorteile
einer EU-Mitgliedschaft nahezubringen.
Der Kampf gegen Korruption, Hilfen für rückkehrende Kriegsflüchtlinge und die Reform der Schiffswerften
gehören zu den Herausforderungen, mit denen das Land noch konfrontiert ist. Die Abgeordneten würdigen
hingegen, dass im Hinblick auf Verfassungsänderungen, Anpassungen des Rechtssystems sowie der engeren Zusammenarbeit
Kroatiens mit dem Internationalen Straftribunal für Ex-Jugoslawien beträchtliche Anstrengungen unternommen
worden sind. Gleichzeitig merken sie kritisch an, dass der Anfrage des Tribunals nach wichtigen militärischen
Dokumenten bis jetzt noch nicht nachgekommen worden sei.
Spitzenreiter bei der EU-Erweiterung
Das Parlament beglückwünscht Kroatien zu dessen "beträchtlichen Fortschritten"
bei der Einführung von Reformen, die für einen EU-Beitritt unerlässlich sind, und merkt an: "Die
Beitrittsverhandlungen mit Kroatien können in der ersten Hälfte 2011 unter der Voraussetzung abgeschlossen
werden, dass die notwendigen Reformen weiterhin entschlossen durchgeführt werden." Im Hinblick auf die
stattfindenden Reformen des Rechtssystems betont der Berichtstext, dass es wichtig sei, rasch zu einer Verfolgung
von Kriegsverbrechen und zu gelangen und fordert, dass die Maßnahmen zum Zeugenschutz weiter verbessert werden.
Korruption
Obwohl die Abgeordneten die Bemühungen der kroatischen Regierung zur Bekämpfung der Korruption sowie
der strafrechtlichen Verfolgungen zweier früherer Minister und eines früheren Premierministers anerkennen,
bleibt ihrer Auffassung nach "Korruption in Kroatien weiterhin ein ernstzunehmendes Problem." Sie fügten
hinzu, dass bisher nur wenige Fälle von Korruption gerichtlich verfolgt wurden. Die meisten Fälle gingen
nicht über das Stadium von Untersuchungen hinaus. Das Parlament fordert das Europäische Amt für
Betrugsbekämpfung (OLAF) auf, eng mit den kroatischen Behörden zusammenzuarbeiten, um potentielle Folgeerscheinungen
in Form sekundärer Korruption in EU-Institutionen zu beleuchten.
Flüchtlinge
Insgesamt wurden bei der Rücknahme von Kriegsflüchtlingen Fortschritte erzielt und die öffentliche
Feindseligkeit gegenüber zurückkehrenden Serben hat sich verringert, heben die Abgeordneten positiv hervor.
Dennoch sind mehr Anstrengungen nötig. So sollten etwa die rückkehrenden Flüchtlinge bei der Erlangung
eines dauerhaften Aufenthaltsstatus, beim Wiederaufbau von Wohnhäusern und bei der Gründung von Wiedereingliederungsprojekten
Unterstützung erhalten. Tausende Flüchtlinge sind noch immer nicht in ihre Heimat zurückgekehrt
und verbleiben derzeit noch in Serbien.
Privatisierung von Schiffswerften
Die kroatische Regierung solle den Prozess der Neustrukturierung und der Privatisierung von Schiffswerften
beschleunigen, da es anderenfalls unmöglich werde, das "Wettbewerbskapitel" der Beitrittsverhandlungen
zeitgerecht abzuschließen, so die Abgeordneten.
Die Zukunft liegt in den Händen der Kroaten
Kopfzerbrechen bereitet den Abgeordneten der Umstand, dass sich die Mehrheit der Kroaten durch eine EU-Mitgliedschaft
keine Vorteile für ihr Land verspricht. Dies hat die jüngste Eurobarometer-Umfrage ergeben. Deswegen
fordern die Abgeordneten kroatische Behörden und die Zivilgesellschaft dringend auf, aktiv dafür einzutreten
und den Bürgern Kroatiens deutlich zu machen, dass "das europäische Projekt auch ihre Sache ist."
Kroatien hat seiner Verfassung gemäß eine Volksabstimmung über die Vorschläge für die
EU-Mitgliedschaft abzuhalten. Zudem finden im November 2011 Parlamentswahlen statt.
Der Bericht wurde mit 548 Ja-Stimmen gegen 43 Nein-Stimmen und 52 Enthaltungen angenommen. |