NR-Abgeordnete diskutieren mit EU-Landwirtschaftskommissar Ciolos
Wien (pk) - Der EU-Kommissar für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Dacian Ciolos,
hielt sich am 14.02. als Teilnehmer der Wintertagung des Ökosozialen Forums in Wien auf und benützte
diese Gelegenheit, um mit Mitgliedern des Landwirtschaftsausschusses des Nationalrats über die Zukunft der
Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union zu diskutieren. Der Gemeinsamen Agrarpolitik stehen
derzeit wichtige strategische Entscheidungen für die langfristige Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen
Gebiete innerhalb der EU bevor. Wie Kommissar Ciolos betonte, lege man dabei den Focus auf Nachhaltigkeit und den
Erhalt der Vielfalt. Die GAP soll deshalb weiterhin in zwei klar definierte Säulen gegliedert sein. Das betrifft
zum einen die jährlichen direkten Unterstützungszahlungen an die LandwirtInnen, zum anderen marktwirksame
Maßnahmen, die zur Erreichung der gemeinwirtschaftlichen Ziele der EU gebündelt, zugleich aber verstärkt
den Besonderheiten der 27 Mitgliedsstaaten gerecht werden sollen. Die Details der zukünftigen budgetären
Gewichtung der beiden Säulen der GAP sind laut Ciolos aber noch in Diskussion.
In seinem einleitenden Statement stellte EU-Agrarkommissar Ciolos fest, dass es aus seiner Sicht zu keiner Renationalisierung
der Agrarpolitik kommen dürfe, eine Haltung, die von Bundesminister Nikolaus Berlakovich geteilt wurde. Berlakovich
und die Mitglieder des Landwirtschaftsausschusses begrüßten es, dass die EU-Kommission das Gespräch
mit den nationalen Parlamenten und den VertreterInnen des Agrarsektors sucht. Es gehe dabei auch um die Planungssicherheit
für die Bäuerinnen und Bauern über 2014 hinaus, meinte der Minister.
Die Fragen der Abgeordneten an den Kommissar betrafen den Bereich der Ernährungssicherheit, der Sicherung
der Qualität der Nahrungsmittel und der dazu notwendigen natürlichen Ressourcen, den Erhalt lebensfähiger
ländlicher Gemeinschaften und die Sicherung der Arbeitsplätze im ländlichen Raum sowie die finanziellen
Rahmenbedingungen der europäischen Agrarpolitik. Angeschnitten wurden auch sozial- und frauenpolitische Aspekte
der Agrarpolitik. Auch der für Österreich zentrale Gesichtspunkt, wie eine kleinstrukturierte Landwirtschaft
unter den besonderen Bedingungen, wie sie im Alpenraum bestehen, aufrecht erhalten werden kann, kam zur Sprache.
Die Fragen an den EU-Kommissar wurden von den Nationalratsabgeordneten Kurt Gaßner, Elisabeth Hakel, Michael
Schickhofer (alle S), Franz Eßl, Jakob Auer, Anna Höllerer (alle V) Harald Jannach, Maximilian Linder
(beide F), Christiane Brunner (G) und Gerhard Huber (B) gestellt. Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) vertrat
bei dem Treffen den kurzfristig verhinderten Ausschussobmann Fritz Grillitsch (V).
EU-Kommissar Ciolos erläuterte in seiner Beantwortung, dass die anstehenden Reformen sicherlich zu Veränderungen
der gegenwärtig bestehenden GAP-Instrumente führen werden. Die GAP solle aber weiterhin auf zwei Säulen
aufgebaut sein, wobei die erste die Verwaltung öffentlicher Gelder und ihre effektive und unbürokratische
Verteilung umfassen werde. Direktzahlungen müssten weiterhin die erste Säule der gemeinsamem Agrarpolitik
bilden, bekräftigte er. Die Aufgabe, die es hier zu lösen gelte, liege in der gerechten Verteilung der
Lasten zwischen den Mitgliedsstaaten. Es könne aus seiner Sicht dabei aber nicht angehen, wenn man einerseits
eine Kürzung der Budgetmittel für Agrarförderungen fordere, gleichzeitig aber der Landwirtschaft
immer mehr an gemeinwirtschaftlichen Leistungen abverlange. Er werde sich dafür einsetzen, dass hier ein entsprechender
Ausgleich erfolge. Allerdings könne man über Budgetierungen erst reden, wenn man sich über die Richtlinien
und Indikatoren der angestrebten Ziele der Agrarpolitik im Klaren sei. Er sehe es dabei nicht als seine Aufgabe
an, populistische Forderungen oder unrealistische "Wunschzettel" zu präsentieren, sagte er.
Die EU habe aber auch die Herausforderungen in Bezug auf grundlegende Änderungen in der zweiten Säule
der Agrarpolitik zu bewältigen, stellte Ciolos fest, und zwar im Bereich der marktbezogenen Maßnahmen.
Die zentrale Herausforderung sei dabei, wie die LandwirtInnen innerhalb der Lebensmittelversorgungskette ihren
Anteil an der Wertschöpfung, der in den letzten Jahren kontinuierlich rückläufig war, steigern können.
Integraler Bestandteil der GAP soll daher die Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums sein, unterstrich
Ciolos. Hier gehe es um die Fragen der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft, um die nachhaltige Bewirtschaftung
der natürlichen Ressourcen und eine ausgewogene räumliche Entwicklung der ländlichen Gebiete.
Ciolos vertrat die Auffassung, dass in Zukunft Fragen der Umwelt, des Klimawandels und der Innovation die Richtung
der Politik immer mehr bestimmen werden. Was etwa Futtermittelimporte betreffe, so sei es für Europa unrealistisch,
Autarkie bei Eiweißfuttermitteln zu erreichen, es gebe aber noch Spielraum zur Verringerung der Importabhängigkeit.
Es werde aber auch darum gehen, über die zweite Säule der GAP verstärkt Schritte für einzelne
Regionen nach ihren Bedürfnissen setzen zu können. Hier könnten auch Maßnahmen der "positiven
Diskriminierung", etwa zur Unterstützung von Betrieben, die von Frauen geführt werden, ihren Platz
finden, merkte Ciolos an.
Die Bewusstseinsbildung bei den KonsumentInnen spiele in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle. Daher
werde er sich auch um ein größeres Budget für Werbe- und Informationsmaßnahmen bemühen.
Die europäische Landwirtschaft müsse auf einem globalem Markt bestehen, weshalb bewussten Konsumentscheidungen
zugunsten von regional und ressourcenschonend erzeugten Lebensmitteln große Bedeutung zukomme. Was die Besonderheiten
des alpinen Raumes betreffe, so könnte es in Zukunft auch Maßnahmen geben, durch welche grenzüberschreitende
Regionen definiert und gefördert werden, meinte EU-Agrarkommissar Ciolos. |