Parlamentarierdelegation beendet einwöchige Reise
Wien/Neu Delhi (pk) - Durchwegs positiv fällt die Bilanz der TeilnehmerInnen an der Indien-Reise
aus, die eine Parlamentarierdelegation in der Vorwoche absolviert hat. "Wir müssen uns um Indien enorm
bemühen", fasst Nationalratspräsidentin Barbara Prammer ihre Eindrücke zusammen.
In Neu Delhi, Hyderabad und Chennai stand eine Vielzahl an Gesprächsterminen auf dem Programm. Politische
Höhepunkte waren das Treffen mit Staatspräsidentin Patil und Parlamentspräsidentin Kumar. Wertvolle
Aufschlüsse über das Selbstverständnis Indiens in der Region und seine weltpolitischen Einschätzungen
bot eine Aussprache mit dem Außenpolitischen Ausschuss des Parlaments.
Die wirtschaftlichen Beziehungen bildeten den zweiten Schwerpunkt der Tour. Von indischer Seite wurde großes
Interesse an österreichischen Investitionen bekundet und mit beträchtlichen Wachstumsraten geworben.
Die Delegation konnte sich davon überzeugen, welche riesigen Marktchancen sich in dem mehr als 1,1 Milliarden
EinwohnerInnen zählenden Land auftun. Interessante Informationen boten nicht zuletzt die Begegnungen mit Vertretern
österreichischer Unternehmen, die bereits in Indien tätig sind. "Die Inder interessieren sich sehr
für Österreich und die Firmen, die bereits in Indien sind, sind sehr erfolgreich", fasst Sigisbert
Dolinschek (BZÖ) seine diesbezüglichen Eindrücke zusammen. Dolinschek ist Vorsitzender der parlamentarischen
Gruppe Österreich-Südasien, die auch Indien einschließt.
In der Folge die Resümees der Delegationsmitglieder:
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer:
Die nun intensivierten Kontakte müssen aufrechterhalten und gepflegt werden. Wir müssen uns um Indien
enorm bemühen, wobei die Wirtschaft sicherlich Priorität hat. Ich bin davon überzeugt, dass wir
mit bilateraler Politik sehr oft behilflich sein und Türen öffnen können. Es ist bemerkenswert und
äußerst erfreulich, wie groß das Interesse seitens der indischen Wirtschaft an Österreich
ist.
In politischer Hinsicht ist es natürlich höchst interessant, wie die indische Seite die verschiedenen
globalen Fragen bewerten. Das sind wertvolle Informationen, aus denen man Schlüsse ziehen kann. Sehr spannend
war für mich daher die Aussprache mit dem Außenpolitischen Ausschuss im Parlament, bei der das Verhältnis
Indiens zu den Nachbarn Pakistan und Afghanistan sowie generell die Situation im südostasiatischen Raum zur
Sprache kamen. Es ist immer gut zu wissen, wie so große Staaten die weltpolitische Lage einschätzen.
Wir haben selbstverständlich auch ein Gefühl für das Land bekommen, für ein Land der großen
Gegensätze: einerseits technologisch hoch entwickelt mit gewaltigem Wachstum, andererseits die großen
Herausforderungen in der Armutsbekämpfung bis hin zu den Frauenfragen.
Es war wichtig, dass wir nicht nur in New Delhi waren, sondern dass wir darüber hinaus einen Eindruck gewonnen
haben, wie riesig groß und vielfältig die einzelnen Provinzen sind. Alles in allem war das eine sehr
erfolgreiche Reise mit viel Mehrwert für alle TeilnehmerInnen der Delegation. Indem das eine Allparteiendelegation
war, können auch die Fraktionen aus einer Fülle an Informationen ihren Nutzen ziehen. Wir werden zuhause
alles, was bei den vielen Kontakten angesprochen wurde, gemeinsam mit der österreichischen Botschaft in Indien,
mit dem Außenministerium und vor allem mit der österreichischen Wirtschaft aufarbeiten.
Christine Muttonen (SPÖ):
Mich hat einerseits das wirtschaftliche Wachstum beeindruckt, der indische Markt ist geradezu am Explodieren.
Überrascht hat mich dieses Vorpreschen in der Technologie insgesamt, da ist Indien sehr gut unterwegs.
Andererseits versucht Indien sehr viel im Bildungsbereich zu tun und hier könnten beide Seiten von Kooperationen
viel profitieren. Das könnte auf dem HTL-Sektor sein, aber selbstverständlich auch zwischen Fachhochschulen
und Universitäten. Aufgrund der kulturellen Unterschiede erweitern sich die Blickfelder, woraus sich wiederum
Neues entwickeln kann.
Das Vernetzen von Firmen und von Bildungseinrichtungen, grundsätzlich ein interkultureller Dialog erscheinen
mir sehr wichtig. Es können beide, Österreich wie Indien viel, voneinander lernen. Auch für die
Kreativwirtschaft tun sich Chancen auf, die teilweise schon genutzt werden, aber noch viel zu wenig. Wie wir etwa
in Chennai gesehen haben, könnte es etwa in der Textilindustrie im Bereich des Stoffdesigns oder bei neuen
Webtechnologien spannende Möglichkeiten zur Zusammenarbeit geben. Auch in der sehr starken indischen Filmbranche
gäbe es für die österreichische Kreativwirtschaft sicherlich gute Möglichkeiten zur Zusammenarbeit.
In Bezug auf eine Frauenquote in den Parlamenten tut sich auf regionaler Ebene einiges, das ist durchaus nachahmenswert.
Anderseits gibt es, wie uns berichtet wurde, noch viel Gewalt an Frauen.
Besonders beeindruckt hat mich der von den Indern immer wieder vorgebrachte Slogan "Unity in diversity"
(Einheit in der Vielfalt), nachdem sie sowohl in sprachlicher, religiöser und kultureller Hinsicht zu leben
versuchen.
Dritter Präsident Martin Graf (FPÖ):
Ein spannendes Land der großen Gegensätze, mit einer reichen Oberschicht und einer gut ausgebildeten
Mittelschicht auf der einen Seite und teilweise Massenelend auf der anderen Seite. Es gibt große Bemühungen
seitens der staatlichen Stellen, Betriebsansiedlungen -und damit Wertschöpfung und Arbeitsplätze - in
das Land zu holen. Letztlich kann man sich nicht dem Gefühl entziehen, dass hier ein wirtschaftlicher Gigant
entsteht.
Österreich hat mit Qualitätsprodukten durchaus hervorragende Marktchancen, die genutzt werden sollten.
Dazu sollten die Kontakte auf politischer wie wirtschaftlicher Seite intensiviert werden, weil ich den Eindruck
habe, dass sehr viele Unternehmen auf der Suche nach internationalen Partnern sind. Hier ist die Wirtschaftskammer
mit ihren Außenhandelsstellen gefragt und gefordert. Es sollte darüber hinaus in Österreich eine
Informationsoffensive geben, um auch mittleren und kleineren Unternehmen die Scheu zu nehmen, den Schritt nach
Indien zu machen.
Zu bemerken war, dass in den drei großen Städten das österreichische Bankwesen überhaupt nicht
vorhanden ist. Wo Banken sind, sind im Schlepptau immer auch wirtschaftliche Aktivitäten. Daher sollten sich
Österreichs Banken den indischen Markt einmal anschauen.
Insgesamt glaube ich schon, dass diese Delegation eine Türöffnerfunktion hatte. Solche Delegationen sind
wichtig, weil wir ansonsten als kleines Land bei solchen Giganten wie Indien überhaupt nicht sichtbar werden.
Ruperta Lichtenecker (Grüne):
Ich denke, dass Indien derzeit politisch wie wirtschaftlich unterschätzt wird. Die Wachstumsraten,
sowohl in der Bevölkerung als auch in der Wirtschaft zeigen einfach, dass hier ein sehr großes Land
im Kommen ist.
Ein großes Problem sind mit Sicherheit der Umweltschutz und die Energieversorgung. In diesen Bereichen haben
wir eine Menge an Firmen, etwa in Umwelttechnologie, Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, erneuerbare Energie,
um nur einige zu nennen. Hier gibt es für österreichische Betriebe sicher interessante Möglichkeiten.
Die Investitionen in die Infrastruktur sind ja enorm, insofern müssen die sich bietenden Chancen nur ergriffen
werden.
Ein Riesenthema ist auch das Stadt-Land-Gefälle im wirtschaftlichen und sozialen Bereich, aber auch in der
Bildung oder in der Gleichberechtigung der Frauen. Das wird eine große Herausforderung für die nächsten
Jahre sein. Es gibt allerdings erfreulich viele Organisationen, die in diesem Bereich arbeiten.
Interessant war für mich, dass sehr offen und vertrauensvoll auf einen zugegangen wird. Die Erfahrungen österreichischer
Firmen in Indien sind ebenfalls sehr gut. Daher glaube ich, dass wir die bestehenden Kooperationen mit den Unternehmen
und den Wirtschaftsverbänden verstärken sollten. Dazu ist es wichtig, dass wir die politischen Kontakte
weiterhin pflegen und intensivieren.
Sigisbert Dolinschek (BZÖ):
Indien ist ein spannendes Land der Gegensätze, das für uns ein wichtiger Partner ist. Viele österreichische
Firmen haben diesen Markt schon entdeckt. Mir persönlich war wenig bekannt, welche Firmen hier bereits Fuß
gefasst haben.
Sehr beeindruckt hat mich das Wissen der politischen Vertreter über Österreich. Die Inder interessieren
sich sehr für Österreich und die Firmen, die bereits in Indien sind, sind sehr erfolgreich. In diesem
Zusammenhang ist es wichtig, für Schlüsselarbeitskräfte, die aus Österreich entsandt werden,
ein Sozialabkommen, wie wir es auch mit anderen Ländern haben, mit denen wir in wirtschaftlichen Beziehungen
stehen, abzuschließen. Das ist für mich das Allerwichtigste, damit die Ansprüche der österreichischen
Arbeitnehmer gewahrt bleiben. Ansonsten könnte es sich der eine oder andere überlegen, für seine
Firma nach Indien zu gehen. |