Wien (fwf) - Seltene Erden sind teuer – und fixer Bestandteil von Hochleistungsmagneten.
Ihre Verwendung für diesen Zweck lässt sich optimieren und damit reduzieren. Das belegen Computersimulationen
eines vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützten Spezialforschungsbereiches. Die am 01.03. in den USA vorgestellten
Ergebnisse zeigen, dass es bei solchen Magneten lokale Verformungen im Kristallgitter des Materials geben kann.
Diese liegen besonders an der Grenze von Materialkörnchen. An diesen Stellen, so Berechnungen der Fachhochschule
St. Pölten, wird die Magnetkraft des Materials geschwächt. Optimierungen der Materialstruktur könnten
das vermeiden und zum Einsparen von Seltenen Erden beitragen.
Mit 150.000 Tonnen Jahresproduktion sind Seltene Erden gar nicht so selten. Tatsächlich sind sie eher schwer
zu gewinnen, als dass sie wirklich selten sind. Einem Lieferengpass steht ein global rasant wachsender Bedarf gegenüber.
Denn dank ihrer besonderen chemischen Eigenschaften sind Seltene Erden gesuchte Rohstoffe für die moderne
Umwelttechnologie. Ein guter Grund für den Hauptexporteur, die Volksrepublik China, die Ausfuhr zu reduzieren
– und für andere Länder, ihre Verwendung zu optimieren. Einen wesentlichen Beitrag dazu können High-End-Computersimulationen
leisten, wie Berechnungen der Fachhochschule St. Pölten im Rahmen eines FWF-Spezialforschungsbereiches (SFB)
zeigen. Diese werden morgen auf der Jahrestagung der amerikanischen "Minerals, Metals & Materials Society"
in San Diego, Kalifornien, erstmals vorgestellt.
Krise im Kristall
Das Team an der FH St. Pölten studierte dafür die genaue Struktur von Neodym-Magneten. Neben
der Seltenen Erde Neodym bestehen diese aus den Elementen Eisen und Bor. Zu den aktuellen Ergebnissen meint der
Leiter des Studiengangs Industrial Simulations, Prof. Thomas Schrefl: "Unsere Simulationen zeigen Störungen
der Kristallstruktur in Neodym-Magneten. Diese Störungen führen dazu, dass sich die Ausrichtung der Magnetisierung
an dieser Stelle ändert. In einem sogenannten anisotropen Magneten wie dem Neodym-Magneten, in dem alle Teilchen
dieselbe Ausrichtung der Magnetisierung haben sollen, schwächt das insgesamt die Leistung des Magneten."
Die Simulationen des Teams zeigten, dass solche Störungen an den Grenzflächen der einzelnen Materiekörnchen
insbesondere dann auftreten, wenn drei verschiedene Körner aufeinander treffen. An diesen Triplejunctions
bildet sich ein nichtmagnetischer Einschluss. In dessen Nähe ist das Kristallgitter gestört. Gleichzeitig
wirkt ein hohes entmagnetisierendes Feld, das den Magneten zusätzlich schwächt.
Gefunden wurden diese Störungen durch Simulationen mikromagnetischen Materialverhaltens über mehrere
Größendimensionen hinweg: vom atomaren bis zum sichtbaren Größenbereich. Herkömmliche
Simulationsverfahren konnten diese Spannweite bisher nicht abdecken. Erst die Kombination einzelner mathematischer
Berechnungsmethoden, wie schnelle Randelementeverfahren und Tensorgrid-Methoden, zur Berechnung der magnetischen
Felder machten dies möglich. Eine Entwicklung, die das Team um Prof. Schrefl im Rahmen des SFB ViCoM – Vienna
Computational Materials Laboratory leisten konnte.
Zusammenhalt durch Bewegung
Der Sprecher des SFB, Prof. Georg Kresse vom Bereich Computational Materials Physics der Universität
Wien, meint zu den Zielen des SFB: "Unser Ziel ist es, die korrelierte Bewegung von Elektronen genauer zu
beschreiben. Diese elektronische Korrelation ist für den Zusammenhalt von Festkörpern und Molekülen
hauptverantwortlich. Eine genaue Beschreibung ist daher wichtig, um die mechanischen, elektronischen und optischen
Eigenschaften von Materialien präzise vorherzusagen."
In insgesamt zwölf Projektgruppen sind dabei über 50 ForscherInnen mit der Beschreibung von Materialeigenschaften
befasst, die große Bedeutung für zahlreiche Zukunftstechnologien haben. Dazu zählen die Mikroelektronik
genauso wie die Solartechnologie und Polymerherstellung. Aber auch zur Optimierung magnetischer und magneto-optischer
Speicher sowie von Hochleistungsmagneten für Elektroautos oder Windturbinen leistet der SFB einen zukunftsweisenden
Beitrag. Die Bedeutung der Arbeiten in diesem SFB des FWF reichen dabei durchaus über das rein Wissenschaftliche
hinaus – wie die jüngsten Diskussionen um die Verfügbarkeit und strategische Bedeutung Seltener Erden
zeigen. Ein überzeugender Beleg dafür, dass Erkenntnisse der Grundlagenforschung unvorhergesehen und
rasch an Bedeutung gewinnen können. |