Berlin (idw) - Bei Krebs sind ausschließlich bestimmte Zellen für
die Ausbreitung der Erkrankung verantwortlich: die sogenannten Tumorstammzellen. Eine Strahlentherapie kann sie
dauerhaft ausschalten. Für den Behandlungserfolg ist es jedoch wichtig, die Anzahl der Stammzellen im Tumor
zu kennen, um die Strahlendosis darauf abstimmen zu können. Eine neue Nachweismethode könnte hierfür
die Voraussetzungen schaffen. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) anlässlich
aktueller Forschungsergebnisse hin.
Nicht alle Krebszellen bergen das gleiche Risiko. So sind nur Tumorstammzellen in der Lage, ein erneutes Tumorwachstum
nach Behandlung auszulösen und Tochtergeschwülste zu bilden. Deshalb sind sie äußerst gefährlich.
Eine einzige Zelle kann einen Rückfall auslösen. "Die Strahlentherapie ist ein sehr effektives Verfahren,
um Tumorstammzellen abzutöten und eine Rückkehr der Erkrankung zu verhindern", erklärt Professor
Dr. med. Rita Engenhart-Cabillic, DEGRO-Präsidentin und Leiterin der Klinik für Strahlentherapie an der
Universität Marburg. Die heutige Chemotherapie erreicht dies meist nicht. Sie verkleinert Tumoren, indem sie
vor allem Nicht-Stammzellen bekämpft. Sie ist insofern weniger erfolgreich, als die Stammzellen überleben
und weiterhin Metastasen bilden können.
"Doch auch die Strahlentherapie stößt immer wieder an ihre Grenzen. So werden auch bei einer zu
niedrigen Dosis nicht alle Stammzellen vernichtet", berichtet Professor Dr. med. Michael Baumann, der am Universitätsklinikum
Carl Gustav Carus Dresden zum Thema Tumorstammzellen forscht. Deshalb versuchen Wissenschaftler derzeit, Tumorstammzellen
nachzuweisen und ihre Anzahl zu bestimmen. Denn davon hängt die Wahl der optimalen Strahlendosis ab. Mit einer
neuen Methode könnte dies jetzt gelingen. Dafür färbt der Arzt einen Gewebeschnitt des operativ
entfernten Tumors an. Dabei werden die Stammzellen an einem Molekül auf der Zelloberfläche erkannt, dem
sogenannten CD44-Molekül. "Eine aktuelle Studie aus den Niederlanden an Patienten mit Kehlkopftumoren
zeigt, dass mit der Anzahl der Stammzellen auch die Wahrscheinlichkeit für ein Rezidiv nach der Bestrahlung
steigt. Patienten mit wenigen Stammzellen konnten dagegen geheilt werden", so Baumann.
Dass die Studie wichtige Auswirkungen auf die Therapie hat, meint auch DEGRO-Präsidentin Engenhart-Cabillic:
"Künftig können wir möglicherweise nach einer Probeentnahme aus dem Tumor die Zahl der Stammzellen
prüfen und die Strahlentherapie danach ausrichten." Bei einigen Patienten könne es sinnvoll sein,
die Strahlendosis anzuheben, um die Heilungschancen zu verbessern. Andere benötigen vielleicht eine geringere
Strahlendosis als bisher für notwendig erachtet.
Die Strahlentherapie werde die Chemotherapie jedoch nicht ersetzen. Im Gegenteil: "Beide Verfahren können
sich gut ergänzen. So gibt es Substanzen, die Tumorzellen für eine Strahlentherapie empfänglicher
machen. Setzt man solche Medikamente gezielt ein, könnten sie in Zukunft den Ausgang einer Strahlentherapie
positiv beeinflussen", sagt Engenhart- Cabillic. Noch handelt es sich hierbei jedoch weitgehend um konzeptionelle
Überlegungen. Ob diese sich in der Praxis bewähren, müsse zunächst in klinischen Studien untersucht
werden.
Zur Strahlentherapie
Die Strahlentherapie ist eine lokale, nicht-invasive, hochpräzise Behandlungsmethode mit hohen Sicherheitsstandards
und regelmäßigen Qualitätskontrollen. Bildgebende Verfahren wie die Computer- oder Magnetresonanztomografie
ermöglichen eine exakte Ortung des Krankheitsherdes, so dass die Radioonkologen die Strahlen dann zielgenau
auf das zu bestrahlende Gewebe lenken können. Umliegendes Gewebe bleibt weitestgehend verschont.
Literatur
Monique C. de Jong et al: CD44 Expression Predicts Local Recurrence after Radiotherapy in Larynx
Cancer. Clinical Cancer Research 2010 Nov 1;16(21):5329-38. |