Sonderbeauftragte des Außenministeriums verlangt wirksame Teilhabe der Frauen bei Demokratie-Fahrplänen
im arabischen Raum
Wien (bmeia) - Was in Österreich und Europa heute eine Selbstverständlichkeit ist - Wahlrecht
und weitgehend gleichberechtigte politische Teilhabe - ist für Millionen Frauen in dieser Welt nach wie vor
ein unerreichter Traum. Wenn dieser Tage der Scheinwerfer der öffentlichen Aufmerksamkeit sich auf den Nahen
Osten richtet, sehen wir Bilder mutiger Frauen von Tunis bis Manama, von Kairo bis Teheran, die für Menschenwürde
und Menschenrechte und gegen Unterdrückung und Korruption buchstäblich auf die Barrikaden steigen. Ihr
Anliegen ist das Anliegen einer ganzen Gesellschaft, nicht einzelner wirtschaftlicher oder religiöser Gruppierungen.
"Die Frauen in der arabischen Welt verlangen Teilhabe und sind bereit, an der Modernisierung ihrer Länder
an vorderster Stelle aktiv mitzuwirken. Die Antwort der Übergangs-Machthaber ist leider zögerlich oder
gar ablehnend. So ist etwa im 8-köpfigen Rat, der die ägyptische Verfassung auf die neuen Gegebenheiten
anpassen soll, keine einzige Frau vertreten. Das ägyptische Parlament hatte zuletzt nur 2% Frauenanteil. In
den diversen Übergangsregierungen fehlen Gesichter und Stimmen der Frauen. Damit fehlt ein wichtiges Signal
ernsthaften und tiefgreifenden Veränderungswillens. Ab sofort muss jeder Demokratie-Fahrplan in der Region
auch die gleichberechtigte und wirksame Beteiligung der Frauen enthalten." Das forderte die Sonderbeauftragte
des Außenministeriums für Internationale Frauenfragen Dr. Ursula Plassnik zum 100. Internationalen Frauentag
am 8. März.
"Dabei macht der UNO-Bericht über die menschliche Entwicklung in der arabischen Welt (Arab Human Development
Report) seit Jahren auf die ernüchternden Fakten aufmerksam: In Teilen der Region werden Frauen auch vom Gesetz
(Stichwort Scharia) massiv diskriminiert. Das gilt selbst in Ländern wie dem Libanon, wo das Personalstatut
von Frauen jeweils nach der Religionszugehörigkeit geregelt ist. Der Frauenanteil in den Parlamenten der Region
ist mit etwa 8 % der weltweit niedrigste. Saudi Arabien, das 2005 erstmals Kommunalwahlen zuließ, schließt
Frauen davon jedoch weiterhin aus. In den seltenen Fällen, in denen Frauen hohe politische Funktionen erreichen,
werden ihnen meist „traditionelle“ Aufgaben wie Frauen, Kinder oder Soziales zugeteilt", bemängelte Plassnik.
Im Nahen Osten gäbe es jetzt ein Mondfenster, um aus Frauen mit ihren Talenten und spezifischen Erfahrungen
anerkannte Mitgestalterinnen und Teilhaberinnen ihrer Gesellschaften werden zu lassen. Die öffentliche Meinung
dazu in der arabischen Welt sei viel aufgeschlossener als oft angenommen (Arab Human Development Report 2005: „Women
should have equal right to political action“, Ägypten: über 60% dafür; Marokko über 80%). "Ermutigung,
Unterstützung, Expertise und gezielte Förderung von Frauen von internationaler und europäischer
Seite – etwa im Rahmen einer neu konzipierten Mittelmeer-Partnerschaft - können diesen Teil der nahöstlichen
Veränderungsprozesse nachhaltig positiv beeinflussen und stehen überdies im Einklang mit unseren eigenen
Grundsätzen. Auch eine verstärkte Teilnahme der Frauen am wirtschaftlichen Leben hätte epochale
Hebelwirkung für die Entwicklung der Region", sagte Plassnik.
"Was immer noch fehlt, ist eine weltweite Kampagne für die rechtliche Gleichstellung von Frauen in den
jeweiligen Verfassungen und auf Gesetzesebene. Ein globaler Bewusstseinsschub wird nicht von selbst kommen, er
braucht den sichtbaren und glaubwürdigen Einsatz der Verantwortungsträger der internationalen Staatengemeinschaft.
Hier darf es bei der jeweiligen nationalen Umsetzung kein „Augenzwinkern“ mehr geben, die internationalen Standards
sind längst etabliert", so Plassnik.
"2012 sollte zum internationalen Jahr einer umfassenden UNO-Kampagne „Frauenrechte sind Menschenrechte“ werden.
Zur Fahnenträgerin einer solchen Initiative könnte die neue UNO-Einheit UN Women unter der Führung
von Michelle Bachelet werden", schloss die Sonderbeauftragte. |