Bozen (lpa) - Deutliche Worte fand Finanzlandesrat Roberto Bizzo am 04.03. für die von der Regierung
in Rom beschlossene Anfechtung der Artikel zur Senkung der Einkommenssteuer und zur Eindämmung der Ausgaben
im Finanzgesetz des Landes. "Diese Anfechtung ist dilettantisch, die Begründungen sind oberflächlich
und paradox", so Bizzo, der mit guten Chancen rechnet, dass das Verfassungsgericht dem Land Recht gibt.
Gestern hatte der Ministerrat beschlossen, das Finanzgesetz des Landes vor dem Verfassungsgericht anzufechten.
Die Begründung: Mit zwei Bestimmungen - jener zur Befreiung vom Regionalzuschlag auf die Einkommenssteuer
IRPEF für Bürger und Familien mit niedrigen Einkommen sowie jener zur Eindämmung von Ausgaben des
Landes - greife das Land in die allgemeinen Richtlinien der Steuergesetzgebung ein, die verfassungsgemäß
dem Staat zustünden. Eine für Landesrat Bizzo ebenso paradoxe wie fadenscheinige Begründung.
Zur Erläuterung zog Bizzo das Mailänder Abkommen heran, mit dem im Herbst 2009 das Südtiroler Finanzsystem
auf neue Beine gestellt worden war. Dieses sieht vor, dass das Land - wenn der Staat diese Möglichkeit grundsätzlich
vorsieht - "Steuersätze ändern sowie Befreiungen, Abzüge und Freibeträge vorsehen"
kann. "Als einzige Beschränkung gilt die staatliche Höchstgrenze für die Zuschläge",
so der Landesrat, der aber betont: "Wir haben bei den Verhandlungen um das Abkommen auf 800 Millionen Euro
an von Rom übertragenen Mitteln verzichtet, um die Möglichkeit zu bekommen, den Steuerdruck auf die Bürger
zu mindern", so Bizzo.
Noch deutlicher wurde heute Eros Magnago, Direktor der Finanzabteilung des Landes: "Wo das Staatsgesetz regionale
Zuschläge auf Steuern vorsieht, können wir mit diesen Zuschlägen alles tun, außer über
die Höchstgrenze zu steigen." In der Begründung der Anfechtung führt die Regierung nun aber
aus, dass das Land sich nur im Rahmen der Vorgaben des Staates bewegen dürfe. Mit anderen Worten: Wo der Staat
Abschläge vorsehe, könnten Abschläge gewährt werden, wo er Befreiungen vorsehe (und nur dort),
auch solche. Für die IRPEF seien solche Befreiungen nicht vorgesehen.
Zuversichtlich stimmen Bizzo und Magnago bereits erlassene Urteile des Verfassungsgerichts. So schreibt dieses
etwa in einem Urteil, in dem es um die Zulässigkeit von IRAP-Senkungen im Trentino ging, dass die Länder
"in jedem Fall die Zuschlags-Sätze ändern oder Begünstigungen vorsehen können, solange
die durch Staatsgesetz festgelegten Höchstgrenzen nicht überschritten werden". Dies gelte für
alle Steuern, für die der Staat Änderungen des Zuschlags vorsehe und deren Aufkommen gänzlich den
Provinzen zustehe (wie dies beim Regionalzuschlag auf die IRPEF der Fall ist).
Für ähnlich abenteuerlich hält Landesrat Bizzo die Anfechtung der Bestimmungen im Finanzgesetz des
Landes, in dem es um die Eindämmung der Ausgaben (etwa für Beratungen) geht. Die Regierung macht geltend,
dass sie für ähnliche Kürzungen quantitative Vorgaben gemacht habe, die vom Land übernommen
werden müssten. "Auch diese Begründung ist paradox", so Bizzo, der auch hier das Mailänder
Abkommen ins Feld führt. Diese sieht vor, dass das Land mit dem Staat zwar die Höhe der jährlichen
Einsparungen zur Einhaltung des Stabilitätspakts aushandle, dass es aber dann das Land sei, das frei entscheide,
wo wieviel eingespart werde. Auch hier ist der Landesrat zuversichtlich, dass das Verfassungsgericht sich zugunsten
des Landes aussprechen wird.
Nachdem die rein rechtliche Basis für die Anfechtungen also dünn scheint, vermutet Bizzo politische Gründe
für die Entscheidung in Rom. Man versuche, so der Landesrat, die autonomen Regionen zu beschneiden, um die
Regionen mit Normalstatut aufzuwerten. "Es kann aber nicht sein, dass der Staat versucht, die Entwicklung
einiger Regionen zu bremsen, und das auch noch im Namen des Föderalismus'", so Bizzo heute. Die Versuche
der Regierung, die dem Land im Mailänder Abkommen zugestandene Steuer-Autonomie zu beschneiden, sei noch paradoxer,
wenn man sich vor Augen halte, dass derzeit intensiv über den Steuerföderalismus verhandelt werde. Der
Landesrat führte als Beispiel einen Gesetzentwurf an, der derzeit in Rom diskutiert werde und in dem den Regionen
mit Normalstatut Freiheiten in Sachen Steuerzuschläge zugesprochen werden sollen. "Die Vorschläge
ähneln den Bestimmungen im Mailänder Abkommen, was zeigt, dass man hier den autonomen Ländern absprechen
will, was man den Ländern mit Normalstatut zugesteht", so Bizzo. |