Anfechtung des Finanzgesetzes "oberflächlich und paradox"   

erstellt am
07. 03. 11

Bozen (lpa) - Deutliche Worte fand Finanzlandesrat Roberto Bizzo am 04.03. für die von der Regierung in Rom beschlossene Anfechtung der Artikel zur Senkung der Einkommenssteuer und zur Eindämmung der Ausgaben im Finanzgesetz des Landes. "Diese Anfechtung ist dilettantisch, die Begründungen sind oberflächlich und paradox", so Bizzo, der mit guten Chancen rechnet, dass das Verfassungsgericht dem Land Recht gibt.

Gestern hatte der Ministerrat beschlossen, das Finanzgesetz des Landes vor dem Verfassungsgericht anzufechten. Die Begründung: Mit zwei Bestimmungen - jener zur Befreiung vom Regionalzuschlag auf die Einkommenssteuer IRPEF für Bürger und Familien mit niedrigen Einkommen sowie jener zur Eindämmung von Ausgaben des Landes - greife das Land in die allgemeinen Richtlinien der Steuergesetzgebung ein, die verfassungsgemäß dem Staat zustünden. Eine für Landesrat Bizzo ebenso paradoxe wie fadenscheinige Begründung.

Zur Erläuterung zog Bizzo das Mailänder Abkommen heran, mit dem im Herbst 2009 das Südtiroler Finanzsystem auf neue Beine gestellt worden war. Dieses sieht vor, dass das Land - wenn der Staat diese Möglichkeit grundsätzlich vorsieht - "Steuersätze ändern sowie Befreiungen, Abzüge und Freibeträge vorsehen" kann. "Als einzige Beschränkung gilt die staatliche Höchstgrenze für die Zuschläge", so der Landesrat, der aber betont: "Wir haben bei den Verhandlungen um das Abkommen auf 800 Millionen Euro an von Rom übertragenen Mitteln verzichtet, um die Möglichkeit zu bekommen, den Steuerdruck auf die Bürger zu mindern", so Bizzo.

Noch deutlicher wurde heute Eros Magnago, Direktor der Finanzabteilung des Landes: "Wo das Staatsgesetz regionale Zuschläge auf Steuern vorsieht, können wir mit diesen Zuschlägen alles tun, außer über die Höchstgrenze zu steigen." In der Begründung der Anfechtung führt die Regierung nun aber aus, dass das Land sich nur im Rahmen der Vorgaben des Staates bewegen dürfe. Mit anderen Worten: Wo der Staat Abschläge vorsehe, könnten Abschläge gewährt werden, wo er Befreiungen vorsehe (und nur dort), auch solche. Für die IRPEF seien solche Befreiungen nicht vorgesehen.

Zuversichtlich stimmen Bizzo und Magnago bereits erlassene Urteile des Verfassungsgerichts. So schreibt dieses etwa in einem Urteil, in dem es um die Zulässigkeit von IRAP-Senkungen im Trentino ging, dass die Länder "in jedem Fall die Zuschlags-Sätze ändern oder Begünstigungen vorsehen können, solange die durch Staatsgesetz festgelegten Höchstgrenzen nicht überschritten werden". Dies gelte für alle Steuern, für die der Staat Änderungen des Zuschlags vorsehe und deren Aufkommen gänzlich den Provinzen zustehe (wie dies beim Regionalzuschlag auf die IRPEF der Fall ist).

Für ähnlich abenteuerlich hält Landesrat Bizzo die Anfechtung der Bestimmungen im Finanzgesetz des Landes, in dem es um die Eindämmung der Ausgaben (etwa für Beratungen) geht. Die Regierung macht geltend, dass sie für ähnliche Kürzungen quantitative Vorgaben gemacht habe, die vom Land übernommen werden müssten. "Auch diese Begründung ist paradox", so Bizzo, der auch hier das Mailänder Abkommen ins Feld führt. Diese sieht vor, dass das Land mit dem Staat zwar die Höhe der jährlichen Einsparungen zur Einhaltung des Stabilitätspakts aushandle, dass es aber dann das Land sei, das frei entscheide, wo wieviel eingespart werde. Auch hier ist der Landesrat zuversichtlich, dass das Verfassungsgericht sich zugunsten des Landes aussprechen wird.

Nachdem die rein rechtliche Basis für die Anfechtungen also dünn scheint, vermutet Bizzo politische Gründe für die Entscheidung in Rom. Man versuche, so der Landesrat, die autonomen Regionen zu beschneiden, um die Regionen mit Normalstatut aufzuwerten. "Es kann aber nicht sein, dass der Staat versucht, die Entwicklung einiger Regionen zu bremsen, und das auch noch im Namen des Föderalismus'", so Bizzo heute. Die Versuche der Regierung, die dem Land im Mailänder Abkommen zugestandene Steuer-Autonomie zu beschneiden, sei noch paradoxer, wenn man sich vor Augen halte, dass derzeit intensiv über den Steuerföderalismus verhandelt werde. Der Landesrat führte als Beispiel einen Gesetzentwurf an, der derzeit in Rom diskutiert werde und in dem den Regionen mit Normalstatut Freiheiten in Sachen Steuerzuschläge zugesprochen werden sollen. "Die Vorschläge ähneln den Bestimmungen im Mailänder Abkommen, was zeigt, dass man hier den autonomen Ländern absprechen will, was man den Ländern mit Normalstatut zugesteht", so Bizzo.
     
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