Sicherheitsstrategie: Neue Chancen, neue Herausforderungen
Wien (pk) - Unter dem Titel "Sicherheit in einer neuen Dekade" legt die Bundesregierung nun dem
Parlament die aktuelle österreichische Sicherheitsstrategie vor und weist bereits einleitend auf die geänderten
Rahmenbedingungen hin. Die Folgen des Ost-West-Konfliktes bestimmen nicht mehr wie bisher die sicherheitspolitische
Agenda, heißt es darin. Vielmehr haben aufgrund des gesamteuropäischen Prozesses der Integration und
Zusammenarbeit die europäischen Staaten nun erstmals in der Geschichte die Chance auf eine selbstbestimmte,
dauerhafte gemeinsame Zukunft in einem Raum des Friedens, der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts.
Klar ist für die Bundesregierung allerdings auch, dass die sicherheitspolitische Situation Europas durch neue
Herausforderungen, Risiken und Bedrohungen geprägt ist. Diese seien komplexer, stärker miteinander vernetzt
und weniger vorhersehbar als bisher und betreffen sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit,
gibt der Bericht zu bedenken und zieht daraus den Schluss, dass moderne Sicherheitspolitik heute ein Querschnittsthema
ist, das in beinahe allen Lebens- und Politikbereichen mitgedacht werden muss.
Umfassende Sicherheit als Querschnittsmaterie
In diesem Sinn geht die Strategie von einem Begriff der umfassenden Sicherheit aus, bei dem äußere und
innere sowie zivile und militärische Aspekte aufs Engste miteinander verknüpft sind. Der Umstand, dass
Sicherheit heute über den Rahmen der klassischen Sicherheitsressorts hinausgeht, macht nun eine Arbeitsteilung
unter sämtlichen involvierten staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren – von der Wirtschafts- über die
Integrationspolitik bis hin zu den Bereichen Finanz, Infrastruktur, Bildung und Kommunikation – notwendig. Außer
Streit steht für die Verfasser der Strategie auch der solidarische Aspekt der Sicherheitspolitik, der dem
Faktum Rechnung trägt, dass die Sicherheit des neutralen Österreich und der EU heute weitestgehend miteinander
verbunden sind.
Die Sicherheitspolitik auf nationaler Ebene spricht zunächst den Bereich der inneren Sicherheit an, wobei
die Strategie von dem Ziel ausgeht, Österreich zum sichersten Land mit der höchsten Lebensqualität
zu machen. Als vorrangige Aufgaben werden dabei die wirksame Bekämpfung von Kriminalität, neue Wege in
der Prävention, die Sicherung von Asyl für verfolgte Menschen, die Bekämpfung der illegalen Migration,
die Steuerung der Migration, das Fördern und Fordern von Integration, aber auch das Nützen und Schützen
von Daten gesehen. Die Sicherheitsstrategie setzt zur Bewältigung dieser Aufgaben in erster Linie auf die
Kräfte der inneren Sicherheit, insbesondere die Polizei, und stellt überdies klar, natürlichen und
technischen Katastrophen müsse in erster Linie durch innerstaatliche Vorkehrungen und Maßnahmen begegnet
werden. Im Gesamtsystem der österreichischen und internationalen Katastrophenhilfe komme überdies dem
Zusammenwirken von staatlichen Akteuren und NGOs besondere Bedeutung zu, unverzichtbares Instrument bleibe dabei
das Bundesheer, heißt es weiter.
Sicherheitsstrategie unterstreicht Rolle des Bundesheers
Die österreichische Verteidigungspolitik wird von der Strategie als integrales Element der nationalen umfassenden
Sicherheitsvorsorge angesehen. Sie wirkt demnach mit der Außenpolitik und der Politik der inneren Sicherheit
zusammen bei der Gewährleistung der vollen staatlichen Souveränität und Integrität, zum Schutz
der verfassungsmäßigen Einrichtungen und der kritischen Infrastruktur, zum Schutz der Bevölkerung,
auch im Bereich der Katastrophenhilfe, zur Unterstützung der staatlichen Handlungsfähigkeit in Krisensituationen,
zur solidarischen Leistung von Krisenmanagementbeiträgen und zu einem militärischen Solidarbeitrag zum
sicherheitspolitischen Handeln der EU, stellt der Bericht grundsätzlich fest.
Darüber hinaus misst die Strategie dem Bundesheer eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der inneren
Sicherheit zu. Es müssen alle Aufgaben bewältigbar sein, die sich aufgrund von Assistenzanforderungen
ziviler Behörden ergeben. Der Bericht nennt in diesem Zusammenhang Assistenzleistungen zur Unterstützung
sicherheitspolizeilicher Aufgaben, Hilfeleistungen bei Katastrophen oder Beiträge zum Schutz kritischer Infrastrukturen.
Als wesentlicher Aufgabenbereich des Bundesheers werden aber auch Beitragsleistungen zum internationalen Krisenmanagement
gewertet. Durch sein Auslandsengagement leiste das Bundesheer einen anerkannten internationalen Solidarbeitrag
und vermindere negative Rückwirkungen internationaler Sicherheitsprobleme auf Österreich, meinen die
Verfasser der Strategie und fordern eine Fortsetzung der Auslandseinsätze auf hohem Niveau. Der Bericht geht
davon aus, dass das Bundesheer seinen Beitrag zur gesamtstaatlichen Lagebeurteilung
als Instrument der politischen und militärischen Vorwarnung und Unterstützung der staatlichen Führungsfähigkeit
verstärken werde. Die Fähigkeiten des Bundesheeres seien im Lichte der nationalen und internationalen
Entwicklungen weiterzuentwickeln, die lageangepasste "Aufwuchsfähigkeit" sei sicherzustellen.
Österreich will sich an EU-Sicherheitspolitik beteiligen
Die EU als umfassende Friedens-, Sicherheits- und Solidargemeinschaft bildet den zentralen Handlungsrahmen der
österreichischen Sicherheitspolitik. Für die Sicherheitsstrategie folgt daraus, dass sich Österreich
an der Sicherheitspolitik der Union in allen ihren Dimensionen beteiligt und überdies die Heranführung
weiterer Staaten mit dem Ziel der Übernahme von EU-Standards unterstützt. Das Papier enthält ein
ausdrückliches Bekenntnis zur Mitgestaltung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Union
(GSVP) und kündigt an, Österreich werde sich im Rahmen seiner Kapazitäten weiter am gesamten Spektrum
der im EU-Vertrag genannten Arten von GSVP-Aktivitäten, einschließlich der Battlegroups, beteiligen.
Im Einzelnen heißt es dazu, Österreich werde an den Diskussionen zur Planung, Gestaltung und Weiterentwicklung
der GSVP aktiv teilnehmen sowie Mitwirkungsmöglichkeiten rechtzeitig bewerten und sicherstellen. Dies gelte
auch für die Bestimmungen des Vertrags von Lissabon über die gemeinsame Verteidigungspolitik, die zu
einer Gemeinsamen Verteidigung führen kann. Weiters gehe es darum, für die zu schaffende Ständige
Strukturierte Zusammenarbeit sowie für die Mitwirkung an der gestärkten Europäischen Verteidigungsagentur
vorzusorgen, um von Synergien bei technologischen Entwicklungen und bei Beschaffung und Absatz zu profitieren.
Das Papier erwartet vermehrte Anstrengungen der EU und ihrer Mitgliedstaaten, den Mitteleinsatz für die GSVP
wirtschaftlicher, zielorientierter und effizienter zu gestalten, und fügt an, dies werde eine verstärkte
Kooperation sowie Arbeits- und Lastenteilung, auch über die Grenzen einzelner Organisationen hinweg, sowie
eine zunehmende Spezialisierung mit sich bringen, wobei die Verfasser mit einer Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen
der EU und der NATO rechnen.
Bekenntnis zu UN-Einsätzen und internationalem Krisenmanagement
Was nun die österreichische Sicherheitspolitik im internationalen Rahmen betrifft, legt die Sicherheitsstrategie
ein Bekenntnis zur umfassenden Beteiligung Österreichs an der Friedens- und Sicherheitsförderung der
Vereinten Nationen, insbesondere am UN-Krisenmanagement in seinem gesamten Spektrum, ab. Österreich werde
sein besonderes Engagement im Rahmen von UN-Peace-Keeping und Peace-Building Einsätzen weiterhin auf hohem
Niveau aufrechterhalten und weiterentwickeln, heißt es. Zur Rolle als Partner der NATO hält das Papier
fest, es liege im österreichischen Sicherheitsinteresse, als NATO-PfP-Teilnehmer und Mitglied des Euro-Atlantischen
Partnerschaftsrates EAPC die Entwicklungen mitzugestalten. Die Schaffung von neuartigen Instrumenten für die
neuen Herausforderungen im NATO-Rahmen sei daher laufend zu beobachten und zu bewerten, für Partner offene
Aktivitäten sollen genutzt werden. Österreich werde sich auch weiterhin an Nicht-Artikel-5-Einsätzen
beteiligen, die in seinem außen- und sicherheitspolitischem Interesse liegen und zu denen die NATO ihre Partner
einlädt.
Ausdrücklich steckt die Strategie schließlich den Rahmen für die Beteiligung Österreichs an
internationalen Missionen und Operationen ab und verweist dabei auf Art 23j B-VG und das KSE-BVG. Kriterien sind
demnach der Grad der sicherheitspolitischen Auswirkung der betreffenden Situation auf Österreich, die europäische
und die internationale Solidarität, die Auswirkung einer Teilnahme auf die Stellung Österreichs in der
betreffenden Organisation, die geografische Situierung einer betreffenden Mission, die Verfügbarkeit geeigneter
österreichischer Kräfte im zivilen wie militärischen Bereich sowie die daraus sich ergebenden finanziellen
Belastungen.
Aufgrund seiner geopolitischen Lage und sicherheitspolitischen Betroffenheit sowie seiner erworbenen Expertisen
und Netzwerke werden nach Einschätzung des Papiers auch in Hinkunft in erster Linie Missionen in Südost-
und Osteuropa und im Nahen Osten für Österreich Priorität haben. Abhängig von internationalen
Entwicklungen sei das dortige Engagement anzupassen und gegebenenfalls zu erweitern, etwa vom Balkan in den Donauraum
und die Schwarzmeerregion oder vom Golan in weitere Bereiche des Nahen und Mittleren Ostens oder ins nördliche
Afrika, empfiehlt die Strategie. |