Bürgermeistertag: "Immer mehr Aufgaben, immer weniger Geld für Gemeinden"   

erstellt am
01. 03. 11

Masterplan "Ländlicher Raum" - Aufgabenorientierter Finanzausgleich
Wien (forum-land) - Der Einladung zum 23. Österreichischen Bürgermeistertag waren am 28.02. 150 Bürgermeister und kommunale Entscheidungsträger aus ganz Österreich ins Francisco-Josephinum in Wieselburg gefolgt - das ist neuer Besucherrekord. Schon zum zweiten Mal fand heute die von der Arbeitsgemeinschaft Ländlicher Raum und Forum Land veranstaltete Reihe im Rahmen der "Ab Hof"-Messe in Wieselburg, NÖ, statt. Organisator und Tagungsleiter Sixtus Lanner hatte die Diskussionsveranstaltung mit dem Titel "Unsere Gemeinden: Immer mehr Aufgaben. Immer weniger Geld. Wohin soll das führen?" überschrieben und mit Rechnungshof-Präsident Josef Moser, ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf und Landtagsabgeordneten Karl Moser, Bürgermeister der Marktgemeinde Yspertal, drei hochkarätige Referenten um Antworten gebeten.

Forum-Land Obmann Fritz Grillitsch, der gemeinsam mit der ARGE Ländlicher Raum die Tagung organisierte, wies bei der Eröffnung darauf hin, "dass die Zeit der großen Budgetversprechungen vorbei ist. Umso mehr müssen wir darauf schauen, dass es zu einer gerechten Verteilung der Mittel kommt". Die Chance für den ländlichen Raum sieht Grillitsch insbesondere in der "Sehnsucht nach Heimat", die im Zeitalter der Globalisierung stärker werde. Um die neuen Herausforderungen wie Klimawandel oder die Sicherheit von Ernährung, Lebensmitteln oder Energieversorgung zu beantworten, forderte Grillitsch ein Mehr an gesellschaftlicher Solidarität und zukunftsfähige Lösungen.

Abschaffung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels
Angesichts der drängenden Finanznöte der Gemeinden hatte der niederösterreichische Bürgermeister und Landtagsabgeordnete Moser konkrete Vorstellungen zur Entlastung der Gemeinden. "Es ist sinnlos, wenn Gemeinden einen Wettbewerb darin führen, die besseren Betriebskeiler oder Kopfgeldjäger zu sein", betonte er. Dies stelle insbesondere für Abwanderungsgemeinden ein Problem dar. Was den Stabilitätspakt anlangt, "gehören die Gemeinden nicht zu den Schuldentreibern unter den Gebietskörperschaften", stellte Moser klar.

So beläuft sich die Schuldlast des Bundes auf EUR 200 Mrd., die Schuldlast aller österreichischen Gemeinden zusammen auf EUR 10,7 Mrd. Zudem forderte Moser eine neue Balance zwischen Ballungsräumen und ländlicher Raum - für die ländlichen Gemeinden sei weder eine Konzentration noch eine Zentralisierung der richtige Weg. "Der Finanzlastenausgleich gehört aufgabenorientiert geregelt, der abgestufte Bevölkerungsschlüssel muss endlich abgeschafft werden, die Transferleistungen von Bund, Ländern und Gemeinden sollten entflochten werden", brachte Moser die Benachteiligung von kleineren, ländlichen Gemeinden auf den Punkt.

Vom Bund wünschte sich er, dass der Pflegefonds umsetzt wird und mit der Verwaltungsreform, einen Faktor einführt, mit dem die Umverteilung der Kommunalsteuer auch ins Hinterland ermöglicht wird. Dazu gibt es laut Moser beispielsweise in Deutschland Modelle, wo Einwohner pro Quadratmeter oder pro Straßendichte, die Seehöhe oder insgesamt die sozioökonomische Entwicklung eines Ortes miteinbezogen werde. Auch die Regionalbanken sieht Moser in der Pflicht: "Banken sollten nicht nur Kredite vergeben, sondern sich via Private Public Partnership aktiv an öffentlichen Projekten beteiligen."

Gesundheits- und Sozialhilfekosten explodieren
Rechnungshof-Präsident Josef Moser legte alarmierende Zahlen vor: So werden sich die Pflegekosten in den nächsten 30 Jahren verdoppeln, die Gesundheitsbudgets haben zuletzt um 9% zugelegt, die Kosten für Sozialhilfe sind gar um 40 % in die Höhe geschnellt. Alarm auch beim Staatsdefizit: Von 2007 auf 2009 ist es von EUR 1,16 Mrd. auf 9,6 Mrd. gestiegen. In Niederösterreich gab es 2005 noch 29 Abgangsgemeinden, während im Vorjahr 2010 bereits 158 in den roten Zahlen steckten. "Ohne Strukturreform ist der Generationenvertrag ernstlich gefährdet, schon jetzt wird die Solidarität zwischen einzelnen Gebietskörperschaften aufgekündigt."

Prüfen darf der oberste "Kontrolleur der Republik" Gemeinden über 10.000 Einwohner - das sind derzeit 71 von 2.356 Kommunen. Dabei sieht Moser die Gemeinden "als Partner, auf die es beim Stabilitätspakt und bei den Maastricht-Kriterien ankommt - nicht als Prüfobjekte". Die Prüfungen sieht er auch als wichtigen Beitrag, die Finanzströme offenzulegen und die Diskussion darüber zu versachlichen, um das Geld im Rahmen des Finanzausgleiches dorthin zu lenken, wo es gebraucht wird. Moser verlangte eine vernetzte Betrachtungsweise und mehr Transparenz: "Noch fehlt uns eine Gesamtsicht über die finanzielle Lage der Gemeinden", erklärte er.

Strukturreform notwendig, Pflegefonds soll kommen
Transparenz und Entlastung verfolgte auch ÖVP-Klubobmann Kopf in seinem Statement beim Bürgermeistertag. Sein Gebot der Stunde hieß: "Effizienzsteigerung bei den Kostentreibern soziale Wohlfahrt, Gesundheit und Pflege". Hier müsse die jährliche Steigerung an das Wirtschaftswachstum von derzeit 2% angepasst werden. Im österreichischen Gesundheitswesen, das zu den besten, aber auch teuersten Systemen der Welt gehöre, ortet Kopf ein Sparpotenzial von 10 bis 20% ohne spürbare Qualitätseinbußen für die Patienten.

"Eine jährliche 6-prozentige Kostensteigerung im Spitalsbereich ist nicht finanzierbar. Die Kosten dürfen nicht mehr steigen, als die Wirtschaft wächst", stellte Klubobmann Kopf in Wieselburg SPÖ-Gesundheitsminister Alois Stöger die Rute für eine Spitalsreform ins Fenster. Als Hilfeleistungen für die Finanzierung der Pflege will sich Kopf in den nächsten Wochen und Monaten für die Umsetzung und Dotierung des Pflegefonds stark machen. Neuen Steuern zur Finanzierung der gestiegenen Aufgaben erteilte Kopf hingegen eine Abfuhr. "Die Abgabenquote liegt bereits bei 44%. Da haben wir keinen Spielraum für zusätzliche Steuern", sagte er. Den Gastgebern Grillitsch und Lanner, aber auch den anwesenden Bürgermeistern sprach Kopf mit seinem Fazit ganz aus dem Herzen: "Wir müssen alles daran setzen, um vergleichbare Lebensbedingungen im Ländlichen Raum zu erhalten."
     
Informationen: http://www.forum-land.at    
     
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