Runder Tisch im Parlament zur europäischen Investitionspolitik   

erstellt am
09. 03. 11

Mandatare und Experten diskutieren Probleme beim Investitionsschutz
Wien (pk) - Abgeordnete Petra Bayr, die Vorsitzende der österreichischen Sektion der AWEPA, der Internationalen Vereinigung von ParlamentarierInnen zur Unterstützung afrikanischer Länder beim Aufbau von Demokratie und Parlamentarismus, lud am 08.03. zu einer Diskussionsveranstaltung über Inhalt und Ausrichtung der künftigen EU-Investitionspolitik in das Parlament. Das Thema wird in den kommenden Wochen auf der Agenda des Europäischen Parlaments stehen, das – gemeinsam mit Rat und Kommission - aufgrund des Lissabon-Vertrags neuerdings auch für den internationalen Investitionsschutz zuständig ist. Außerdem verhandelt die EU derzeit über Freihandels- und Investitionsverträge mit Ländern wie Indien, Malaysia, Kanada und dem Mercosur und bereitet neue Investitionsabkommen mit China und Russland vor. Dazu kommt, dass EU-Investitionsschutzabkommen nur mit großen Handelspartnern geplant sind, sodass bilaterale Investitionsschutzabkommen (BITs - Bilateral Investment Treaties), von denen derzeit 1.200 in Kraft sind, darunter 59 österreichische Verträge, weiterhin auch auf den Tagesordnungen nationaler europäischer Parlamente stehen. So werden sich heimische Abgeordnete etwa mit Änderungswünschen des Vertragspartners Südafrika befassen müssen.

Änderungsbedarf sehen Regierungen, weil sie im Rahmen von BITs vielfach Souveränitätsverluste in Kauf genommen haben, wohingegen Investoren ihre oft weit reichenden Rechte immer stärker nutzen und Staaten vor internationalen Schiedsgerichten verklagen.

Vor diesem Hintergrund drängt die AWEPA zu einer Neugestaltung der europäischen Investitionspolitik und will die breite Diskussion, die durch die aktuelle Kompetenzverschiebung beim Investitionsschutz auf europäischer Ebene eröffnet wurde, als "politisches Zeitfenster" nutzen. Auch im österreichischen Verhandlungsprozess gehe es um Politikkohärenz, Transparenz, Menschenrechte, Umweltschutz und daher um erweiterte Spielräume der Politik.

Was leisten Investitionsschutzabkommen?
Die Beratungen leitete Nathalie BERNASCONI-OSTERWALDER (Internationales Institut für Nachhaltige Entwicklung) mit einer Darstellung der historischen Entwicklung des internationalen Investitionsschutzes seit dem ersten diesbezüglichen Staatsvertrag zwischen Deutschland und Pakistan im Jahr 1959 ein und wies darauf hin, dass weltweit bereits mehr als 3.000 BITs bestehen. Diese Staatsverträge enthalten Rechte für Investoren und Pflichten für Gaststaaten. Sie sehen in der Regel die Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Investoren, Entschädigungen bei Enteignung und generell eine faire Behandlung der Investoren vor. In der Praxis führten aber unpräzise Begriffe, etwa ein zu weit gefasster Enteignungsbegriff dazu, dass Unternehmen Umweltschutzgebote, etwa ein Verbot bestimmter toxischer Substanzen, als "Enteignung" bezeichnen und Entschädigungsansprüche einklagen.

Unklar sei vielfach auch der Begriff "gerechte Behandlung". Vor den für die Beilegung von Investitionsschutz-Streitigkeiten zuständigen Schiedsgerichten werden seit den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts vermehrt auch Staaten angeklagt, berichtete die Expertin, wobei sie darauf aufmerksam machte, dass von Klagen nicht nur Entwicklungsländer, sondern auch EU-Staaten, die USA und Kanada betroffen sind. Gravierende Probleme bringen derartige Verfahren für kleine Staaten auf der südlichen Erdhalbkugel mit sich, weil hohe Anwaltskosten und Entschädigungen deren budgetären Möglichkeiten oft übersteigen.

Die Staaten reagieren auf diese Probleme zuletzt durch präzisere Abfassung der Verträge und ausdrückliche Ausnahmebestimmungen. Außerdem registrierte die Expertin eine zunehmende Tendenz zu mehr Transparenz in den üblicherweise nicht öffentlich geführten Schiedsgerichtsverfahren. Der EU-Kommission konzedierte Bernasconi-Osterwalder den Willen, mehr Transparenz in die Streitbeilegung zu bringen und präziser formulierte BITs anzustreben, die EU-Länder hätten hingegen das Interesse, ihre alten Verträge möglichst aufrecht zu erhalten.

Problemstellungen und Lösungsvorschläge
Die WissenschaftlerInnen, NGO-VertreterInnen und ExpertInnen aus verschiedenen Bundesministerien positionierten sich unterschiedlich zum Thema "Investitionsschutzabkommen" und beurteilten insbesondere die Wirkungen dieser Staatsverträge differenziert. Positiv wurde vermerkt, dass die Verträge für Rechtssicherheit sorgen und die Grundlage für die Tätigkeit multinationaler Unternehmen bilden, die in den Entwicklungsländern ein Vielfaches dessen investieren, was die staatliche Entwicklungszusammenarbeit leiste. Kritisch sahen manche Experten die Gefahr, dass Investoren den politischen Handlungsspielraum von Regierungen, insbesondere beim Umwelt-, Gesundheits- und Arbeitnehmerschutz einschränken könnten. Einig waren sich alle Teilnehmer am "runden Tisch" im Parlament jedenfalls darin, dass Reformbedarf besteht und der internationale Investitionsschutz angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre vor neuen Herausforderungen stehe.

Verbesserungsvorschläge richteten sich auf die Präzisierung der klassischen Vertragsinhalte "faire Behandlung" und "Schutz vor Enteignung" sowie auf Ausnahmen von der Inländergleichbehandlung für Entwicklungsländer, weil diese Handlungsspielräume für ihre Industriepolitik brauchen. Mehr Transparenz in den Verfahren sei geboten, weil die oft hohen Prozesskosten und Entschädigungen von der Öffentlichkeit der Gastländer getragen werden müssen. Weitere Vorschläge richteten sich auf präziser beschriebene Pflichten der Investoren beim Umweltschutz und bei der Einhaltung sozialer Standards. Auch sollte die Rechtssicherheit verbessert werden, indem eine zu weite Auslegung der Bestimmungen durch die Schiedsgerichte eingeschränkt wird.

Der österreichische Mustervertrag für künftige bilaterale Investitionsschutzabkommen, den eine Vertreterin des Außenministeriums ausführlich erläuterte und der klare Bestimmungen für den Umwelt- und Arbeitnehmerschutz enthält, sollte bei den demnächst stattfindenden EU-Verhandlungen über den europäischen Investitionsschutz zur Geltung gebracht werden, meinten die Teilnehmer am runden Tisch unisono.

Positionen der Abgeordneten
In der Diskussionsrunde der Abgeordneten begrüßte Abgeordneter Franz GLASER (V) die Veranstaltung als einen ersten Schritt, da es wichtig sei, sich auf parlamentarischer Ebene mit dem Thema "internationaler Investitionsschutz" zu befassen. Angesichts der Vielzahl internationaler Verträge hielt es Glaser für notwendig und zweckmäßig, bilaterale Verträge möglichst nach einem einheitlichen Muster abzufassen und – wo möglich - durch multinationale Verträge zu ersetzen. Glaser brachte auch eine Kooperation mit der WTO bei diesem Thema zur Sprache, sah dabei aber auch das Problem, dass nicht alle Länder WTO-Mitglieder sind.

Abgeordnete Judith SCHWENTNER (G) unterstrich die Notwendigkeit, beim internationalen Investitionsschutz die politische Kohärenz mit anderen Zielen wie Entwicklungszusammenarbeit, Menschenrechte und Demokratie nicht aus den Augen zu verlieren. Angesichts des aus ihrer Sicht vorbildlichen österreichischen Mustertextes lautet die Frage, wie viel davon bei konkreten Verhandlungen durchsetzbar sei. Schwentner trat für mehr Transparenz bei den Schiedsgerichtsverfahren ein und schlug vor, BITs mit einem Ablaufdatum zu versehen, um rascher auf neue Entwicklungen reagieren zu können.

Abgeordneter Christoph MATZNETTER (S) äußerte ebenfalls den Wunsch, "aus der Vielzahl der BITs herauszukommen" und wollte die Schiedsgerichtsbarkeit durch Verfahren mit fixen Regeln und einer Berufungsinstanz ersetzen. Es sei an der Zeit, über ein internationales Investitionsschutzsystem jenseits bilateraler Verträge zu diskutieren.

Die Zersplitterung des internationalen Investitionsschutzes in tausende bilaterale Verträge beklagte auch Abgeordneter Johannes HÜBNER (F), der sich dem Vorschlag des Abgeordneten Glaser anschloss, die WTO soll sich mit diesem Thema befassen. Für Hübner haben BITs eine wichtige Erziehungsfunktion für Länder mit einer schlechten Justiz, weil sie diese dazu zwingen, auf Willkür zu verzichten. Den Staaten sei aber die Möglichkeit einzuräumen, die inländische Wirtschaft zu bevorzugen, um zu verhindern, dass lokale Unternehmen dem Konkurrenzdruck multinationaler Konzerne weichen müssen.

Abgeordneter Gerhard HUBER (B) brach eine Lanze für nachhaltige Investitionen in Entwicklungsländern unter Einhaltung von Umwelt- und Gesundheitsschutzstandards und warnte vor Verträgen, die es Investoren ermöglichen, Regierungen unter Druck zu setzen.

Abgeordneter Jan KRAINER (S) betonte das Interesse Österreichs an Investitionen seiner Unternehmen im Land statt im Ausland sowie daran, dass Menschenrechte, Umweltschutz, Gesundheitsstandards und die Besteuerung international weiter entwickelt werden. Dies sei auch notwendig, um den Migrationsdruck zu reduzieren, der auf Europa laste.
     
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