Mandatare und Experten diskutieren Probleme beim Investitionsschutz
Wien (pk) - Abgeordnete Petra Bayr, die Vorsitzende der österreichischen Sektion der AWEPA,
der Internationalen Vereinigung von ParlamentarierInnen zur Unterstützung afrikanischer Länder beim Aufbau
von Demokratie und Parlamentarismus, lud am 08.03. zu einer Diskussionsveranstaltung über Inhalt und Ausrichtung
der künftigen EU-Investitionspolitik in das Parlament. Das Thema wird in den kommenden Wochen auf der Agenda
des Europäischen Parlaments stehen, das – gemeinsam mit Rat und Kommission - aufgrund des Lissabon-Vertrags
neuerdings auch für den internationalen Investitionsschutz zuständig ist. Außerdem verhandelt die
EU derzeit über Freihandels- und Investitionsverträge mit Ländern wie Indien, Malaysia, Kanada und
dem Mercosur und bereitet neue Investitionsabkommen mit China und Russland vor. Dazu kommt, dass EU-Investitionsschutzabkommen
nur mit großen Handelspartnern geplant sind, sodass bilaterale Investitionsschutzabkommen (BITs - Bilateral
Investment Treaties), von denen derzeit 1.200 in Kraft sind, darunter 59 österreichische Verträge, weiterhin
auch auf den Tagesordnungen nationaler europäischer Parlamente stehen. So werden sich heimische Abgeordnete
etwa mit Änderungswünschen des Vertragspartners Südafrika befassen müssen.
Änderungsbedarf sehen Regierungen, weil sie im Rahmen von BITs vielfach Souveränitätsverluste in
Kauf genommen haben, wohingegen Investoren ihre oft weit reichenden Rechte immer stärker nutzen und Staaten
vor internationalen Schiedsgerichten verklagen.
Vor diesem Hintergrund drängt die AWEPA zu einer Neugestaltung der europäischen Investitionspolitik und
will die breite Diskussion, die durch die aktuelle Kompetenzverschiebung beim Investitionsschutz auf europäischer
Ebene eröffnet wurde, als "politisches Zeitfenster" nutzen. Auch im österreichischen Verhandlungsprozess
gehe es um Politikkohärenz, Transparenz, Menschenrechte, Umweltschutz und daher um erweiterte Spielräume
der Politik.
Was leisten Investitionsschutzabkommen?
Die Beratungen leitete Nathalie BERNASCONI-OSTERWALDER (Internationales Institut für Nachhaltige Entwicklung)
mit einer Darstellung der historischen Entwicklung des internationalen Investitionsschutzes seit dem ersten diesbezüglichen
Staatsvertrag zwischen Deutschland und Pakistan im Jahr 1959 ein und wies darauf hin, dass weltweit bereits mehr
als 3.000 BITs bestehen. Diese Staatsverträge enthalten Rechte für Investoren und Pflichten für
Gaststaaten. Sie sehen in der Regel die Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Investoren, Entschädigungen
bei Enteignung und generell eine faire Behandlung der Investoren vor. In der Praxis führten aber unpräzise
Begriffe, etwa ein zu weit gefasster Enteignungsbegriff dazu, dass Unternehmen Umweltschutzgebote, etwa ein Verbot
bestimmter toxischer Substanzen, als "Enteignung" bezeichnen und Entschädigungsansprüche einklagen.
Unklar sei vielfach auch der Begriff "gerechte Behandlung". Vor den für die Beilegung von Investitionsschutz-Streitigkeiten
zuständigen Schiedsgerichten werden seit den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts vermehrt auch Staaten
angeklagt, berichtete die Expertin, wobei sie darauf aufmerksam machte, dass von Klagen nicht nur Entwicklungsländer,
sondern auch EU-Staaten, die USA und Kanada betroffen sind. Gravierende Probleme bringen derartige Verfahren für
kleine Staaten auf der südlichen Erdhalbkugel mit sich, weil hohe Anwaltskosten und Entschädigungen deren
budgetären Möglichkeiten oft übersteigen.
Die Staaten reagieren auf diese Probleme zuletzt durch präzisere Abfassung der Verträge und ausdrückliche
Ausnahmebestimmungen. Außerdem registrierte die Expertin eine zunehmende Tendenz zu mehr Transparenz in den
üblicherweise nicht öffentlich geführten Schiedsgerichtsverfahren. Der EU-Kommission konzedierte
Bernasconi-Osterwalder den Willen, mehr Transparenz in die Streitbeilegung zu bringen und präziser formulierte
BITs anzustreben, die EU-Länder hätten hingegen das Interesse, ihre alten Verträge möglichst
aufrecht zu erhalten.
Problemstellungen und Lösungsvorschläge
Die WissenschaftlerInnen, NGO-VertreterInnen und ExpertInnen aus verschiedenen Bundesministerien positionierten
sich unterschiedlich zum Thema "Investitionsschutzabkommen" und beurteilten insbesondere die Wirkungen
dieser Staatsverträge differenziert. Positiv wurde vermerkt, dass die Verträge für Rechtssicherheit
sorgen und die Grundlage für die Tätigkeit multinationaler Unternehmen bilden, die in den Entwicklungsländern
ein Vielfaches dessen investieren, was die staatliche Entwicklungszusammenarbeit leiste. Kritisch sahen manche
Experten die Gefahr, dass Investoren den politischen Handlungsspielraum von Regierungen, insbesondere beim Umwelt-,
Gesundheits- und Arbeitnehmerschutz einschränken könnten. Einig waren sich alle Teilnehmer am "runden
Tisch" im Parlament jedenfalls darin, dass Reformbedarf besteht und der internationale Investitionsschutz
angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre vor neuen Herausforderungen stehe.
Verbesserungsvorschläge richteten sich auf die Präzisierung der klassischen Vertragsinhalte "faire
Behandlung" und "Schutz vor Enteignung" sowie auf Ausnahmen von der Inländergleichbehandlung
für Entwicklungsländer, weil diese Handlungsspielräume für ihre Industriepolitik brauchen.
Mehr Transparenz in den Verfahren sei geboten, weil die oft hohen Prozesskosten und Entschädigungen von der
Öffentlichkeit der Gastländer getragen werden müssen. Weitere Vorschläge richteten sich auf
präziser beschriebene Pflichten der Investoren beim Umweltschutz und bei der Einhaltung sozialer Standards.
Auch sollte die Rechtssicherheit verbessert werden, indem eine zu weite Auslegung der Bestimmungen durch die Schiedsgerichte
eingeschränkt wird.
Der österreichische Mustervertrag für künftige bilaterale Investitionsschutzabkommen, den eine Vertreterin
des Außenministeriums ausführlich erläuterte und der klare Bestimmungen für den Umwelt- und
Arbeitnehmerschutz enthält, sollte bei den demnächst stattfindenden EU-Verhandlungen über den europäischen
Investitionsschutz zur Geltung gebracht werden, meinten die Teilnehmer am runden Tisch unisono.
Positionen der Abgeordneten
In der Diskussionsrunde der Abgeordneten begrüßte Abgeordneter Franz GLASER (V) die Veranstaltung als
einen ersten Schritt, da es wichtig sei, sich auf parlamentarischer Ebene mit dem Thema "internationaler Investitionsschutz"
zu befassen. Angesichts der Vielzahl internationaler Verträge hielt es Glaser für notwendig und zweckmäßig,
bilaterale Verträge möglichst nach einem einheitlichen Muster abzufassen und – wo möglich - durch
multinationale Verträge zu ersetzen. Glaser brachte auch eine Kooperation mit der WTO bei diesem Thema zur
Sprache, sah dabei aber auch das Problem, dass nicht alle Länder WTO-Mitglieder sind.
Abgeordnete Judith SCHWENTNER (G) unterstrich die Notwendigkeit, beim internationalen Investitionsschutz die politische
Kohärenz mit anderen Zielen wie Entwicklungszusammenarbeit, Menschenrechte und Demokratie nicht aus den Augen
zu verlieren. Angesichts des aus ihrer Sicht vorbildlichen österreichischen Mustertextes lautet die Frage,
wie viel davon bei konkreten Verhandlungen durchsetzbar sei. Schwentner trat für mehr Transparenz bei den
Schiedsgerichtsverfahren ein und schlug vor, BITs mit einem Ablaufdatum zu versehen, um rascher auf neue Entwicklungen
reagieren zu können.
Abgeordneter Christoph MATZNETTER (S) äußerte ebenfalls den Wunsch, "aus der Vielzahl der BITs
herauszukommen" und wollte die Schiedsgerichtsbarkeit durch Verfahren mit fixen Regeln und einer Berufungsinstanz
ersetzen. Es sei an der Zeit, über ein internationales Investitionsschutzsystem jenseits bilateraler Verträge
zu diskutieren.
Die Zersplitterung des internationalen Investitionsschutzes in tausende bilaterale Verträge beklagte auch
Abgeordneter Johannes HÜBNER (F), der sich dem Vorschlag des Abgeordneten Glaser anschloss, die WTO soll sich
mit diesem Thema befassen. Für Hübner haben BITs eine wichtige Erziehungsfunktion für Länder
mit einer schlechten Justiz, weil sie diese dazu zwingen, auf Willkür zu verzichten. Den Staaten sei aber
die Möglichkeit einzuräumen, die inländische Wirtschaft zu bevorzugen, um zu verhindern, dass lokale
Unternehmen dem Konkurrenzdruck multinationaler Konzerne weichen müssen.
Abgeordneter Gerhard HUBER (B) brach eine Lanze für nachhaltige Investitionen in Entwicklungsländern
unter Einhaltung von Umwelt- und Gesundheitsschutzstandards und warnte vor Verträgen, die es Investoren ermöglichen,
Regierungen unter Druck zu setzen.
Abgeordneter Jan KRAINER (S) betonte das Interesse Österreichs an Investitionen seiner Unternehmen im Land
statt im Ausland sowie daran, dass Menschenrechte, Umweltschutz, Gesundheitsstandards und die Besteuerung international
weiter entwickelt werden. Dies sei auch notwendig, um den Migrationsdruck zu reduzieren, der auf Europa laste. |