Neue Energiesteuerrichtlinie mit Anreizen für erneuerbare Energie
Wien (pk) - Der Kommissar für Steuern und Zollunion, Audit und Betrugsbekämpfung Algirdas
Semeta besuchte am 18.03. das Parlament und traf mit Mitgliedern des Finanzausschusses zu einem Arbeitsgespräch
über aktuelle steuerpolitische Fragen in der Europäischen Union zusammen. Ausschussobmann Günter
Stummvoll (V) begrüßte den Gast aus Brüssel herzlich und betonte die Notwendigkeit, die Kontakte
zwischen den Mitgliedern der Kommission und den nationalen Parlamenten weiter zu intensivieren. Kommissar Semeta
hat im ersten Jahr seiner Amtsperiode bereits beachtliche Fortschritte in Steuerfragen erzielt, lobte Stummvoll,
erinnerte an die Steuerreformarbeitsgruppe, die der Kommissar ins Leben gerufen hat und machte auf Semetas Reformvorschläge
aufmerksam, die darauf abzielen, die Europäische Union im globalen Wettbewerb zu stärken.
Algirdas Semeta leitete seine Ausführungen seinerseits mit der Feststellung ein, die Zusammenarbeit zwischen
EU-Kommission und Parlamentariern in Europa sei insbesondere in Steuerfragen von großer Bedeutung.
Das Steuerrecht und Reformvorschläge dazu stehen erfreulicherweise wieder auf der Tagesordnung der Europäischen
Union, berichtete der Kommissar und ortete wachsende Bereitschaft in den Mitgliedstaaten, auf diesem Gebiet enger
zusammenzuarbeiten als in der Vergangenheit. Dies spiegle auch der in der vergangenen Woche verabschiedete "Europakt"
wider, merkte Semeta an und sprach seine Hoffnung auf dessen Bekräftigung durch den Europäischen Rat
aus.
Im Einzelnen will Semeta die Einnahmeseite der Mitgliedstaaten genauer betrachten und deren Bemessungsgrundlagen
bewerten, um eine Plattform zu schaffen, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, die Nachhaltigkeit ihrer Steuersysteme
zu verbessern. Dazu kommt die Analyse neuer Finanzierungsinstrumente, sei es eine Finanzaktivitätssteuer oder
eine Finanztransaktionssteuer. Beide Optionen werden geprüft und die Ergebnisse der Analyse bis zum Sommer
vorliegen. Dann wird man auf der Grundlage solider Dokumente über die Besteuerung des Finanzsektors diskutieren
können.
Auch in der neuen Binnenmarktakte, die die Effizienz des Binnenmarktes verbessern soll, werden Steuerfragen eine
wichtige Rolle spielen. Er habe kürzlich Vorschläge für eine konsolidierte Körperschaftsteuerbemessung
vorgelegt, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stärken, Wachstumschancen zu vergrößern,
Kosten zu senken und Investitionen in Europa zu fördern.
Wenn die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital von Steuern entlastet werden sollen, sind Ökosteuern für
den EU-Kommissar eine gute Antwort auf die Frage, wohin die Steuerlast verlagert werden soll. Wobei Semeta weniger
den quantitativen Energieverbrauch, sondern den Energiegehalt besteuern möchte, um einen Anreiz für
mehr Energieeffizienz und für den Einsatz erneuerbarer Energieträger zu geben. Es sei jedenfalls unverständlich,
die schmutzigsten Energieträger am wenigsten zu besteuern.
Zur Mehrwertsteuerreform liege bereits ein Grünbuch vor, erinnerte Kommissar Semeta und kündigte eine
neue Mehrwertsteuerstrategie an, die Vereinfachungen, weniger Bürokratie und weniger Möglicher für
Betrüger bringen soll. Er wolle ein definitives Mehrwertsteuersystem in Europa schaffen und die Doppelbesteuerung
von Bürgern vermeiden, wenn sie aus einem Mitgliedsland in ein anderes wechseln. Vorschläge kündigte
der EU-Kommissar auch für eine neue Unternehmensbesteuerung und zur Überwindung der Probleme bei der
Besteuerung von Zinsen und Lizenzen an.
Kommissar Semeta engagiert sich auch für Good governance in Steuerfragen und will dieses wichtige Thema bei
Verhandlungen mit den vielen Drittländern forcieren, die ihre Wirtschaftsbeziehungen zur EU verbessern wollen.
Semeta sieht die Chance, die starke Verhandlungsposition Europas zu nutzen, um Good governance weltweit durchzusetzen
und dabei auch die Möglichkeiten des Steuerbetrugs und der Steuerhinterziehung einzuschränken. Vermeiden
will Semeta auch schädlicher Steuerwettbewerb innerhalb der EU. Schließlich will der EU-Kommissar auch
das Europäische Betrugsbekämpfungsamt OLAF effizienter machen.
Abgeordneter Christoph Matznetter (S) sagte Kommissar Semeta die Unterstützung Österreichs bei der Einführung
einer gemeinsamen Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage zu. Solange auf dem Binnenmarkt nicht gleiche Rahmenbedingungen
für alle Unternehmen herrschen, könne man nicht von einem echten Binnenmarkt sprechen. In weiterer Folge
will Matznetter Mindeststeuersätze einführen, um Steuerkriege zwischen den Mitgliedstaaten zu verhindern.
Dringend notwendig sei auch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, um die Spekulation abzukühlen,
sagte Matznetter und kritisierte an dieser Stelle den Widerstand Großbritanniens. Zu einem vollendeten Binnenmarkt
gehört für Abgeordneten Matznetter auch ein definitives Mehrwertsteuersystem, er erinnerte an die diesbezüglichen
österreichischen Vorschläge dazu. Eine gemeinsame Position der EU wünschte sich Matznetter auch
gegenüber Steuerparadiesen.
Abgeordneter Alois Graudauer (F) begrüßte Semetas Vorschläge für eine Mehrwertsteuerreform
und plädierte dabei für die Einführung des Revers Charge-Systems. Seine Partei trete auch für
eine europäische Transaktionssteuer ein, wolle deren Einhebung aber in den Händen der Mitgliedstaaten
belassen. Einen Weg aus der Kernenergie stellt für Gradauer die höhere Besteuerung von Atomstrom dar.
Abgeordneter Werner Kogler (G) sprach sich nachdrücklich dafür aus, die Steuerbelastung vom Faktor Arbeit
hin zum Energieverbrauch zu verlagern, zeigte sich aber skeptisch gegenüber dem Vorschlag, das in Ländern
wie Österreich ohnehin nur wenig belastete Kapital weiter zu entlasten.
Abgeordneter Günter Stummvoll (V) appellierte an den EU-Kommissar, in allen Steuerfragen auf europäischer
Ebene an die besonderen Interessen der kleinen und mittleren Unternehmen zu denken, die in Österreich mehr
als 90 % aller Betriebe ausmachen.
EU-Kommissar Algirdas Semeta bekannte sich dazu, bei der Reform des Steuerrechts in Europa ehrgeizige Ziele zu
verfolgen. So sei es wesentlich, durch umfassende Transparenz bei der Körperschaftsteuer faire Wettbewerbsverhältnisse
für die Unternehmen zu schaffen. Semeta warnte aber davor, den Steuerwettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten
gänzlich auszuschalten, weil die EU insgesamt in einem globalen Wettbewerb, vor allem mit den USA und China,
stehe.
Die beiden Optionen für die Besteuerung des Finanzsektors müssen auf ihre wirtschaftlichen Effekte hin
überprüft und eine ideale Bemessungsgrundlage gefunden werden. Wenn entschieden sei, welche Steuer kommen
soll, werde darüber zu entscheiden sein, wie die Einnahmen verwendet werden sollen. Skepsis zeigte der Kommissar
gegenüber einem generellen Revers Charge-System bei der Mehrwertsteuer, weil dies einen Systembruch bedeuteten
würde, der neue Betrugsmöglichkeiten schafft.
Auch wenn die Folgen der Katastrophe in Japan noch nicht absehbar und der Zeitpunkt noch zu früh für
Schlussfolgerungen sei, meinte Kommissar Semeta im Hinblick auf den Atomstrom, Steuern könnten im Energiesystem
richtige Anreize bieten. Europa werde jedenfalls Entscheidungen über seine Energieversorgung treffen müssen
und Instrumente suchen, um die Dinge in die richtige Richtung zu lenken. In der Frage der Energiebesteuerung sei
es Aufgabe der Kommission, den Ereignissen vorauszueilen, sagte Semeta und kündigte eine Energiebesteuerungsrichtlinie
an, die gute Anreize für erneuerbare Energieträger bringen wird.
Die Frage, wie die Steuerbelastung von Kapital und Arbeit in Richtung Energieverbrauch im Einzelnen verlagert werden
soll, könne man nicht generell beantworten, ohne die sehr unterschiedlichen Verhältnisse in den einzelnen
Mitgliedstaaten zu berücksichtigen, schloss EU-Kommissar Algirdas Semeta. |