Atomdebatte in Österreich  

erstellt am
16. 03. 11

Faymann: Es ist ein Gebot der Stunde, den Irrweg Atomenergie zu verlassen
Österreich will Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke in Europa erhöhen – Hilfe für Japan angeboten – keine Gefahr für Europa
Wien (bpd) - "Die Katastrophe in Japan stand im Mittelpunkt der Beratungen der Regierung", sagte Bundeskanzler Werner Faymann am 15.03. beim Pressefoyer nach der Ministerratssitzung. "Erstens muss gesagt werden, dass keine Gefahr für Europa besteht", so Faymann. Von europäischer Seite würden Japan Hilfsleistungen wie die Bereitstellung von Experten, von Gütern und Know-how angeboten. Österreich habe etwa viel Erfahrung bei der Wasseraufbereitung in Katastrophengebieten, könne aber auch Strahlenexperten zur Verfügung stellen. "Wir werden uns in dem Maß aktiv beteiligen, wie es sinnvoll und notwendig ist und von Japan eingefordert wird." Auch die Situation der Österreicherinnen und Österreicher in Japan wurde besprochen. "Etwa ein Drittel der Auslandsösterreicher ist bereits zurück in Österreich, ein Drittel will dort bleiben und ein weiteres Drittel will noch übersiedeln", berichtete der Bundeskanzler. "In den AUA-Flugzeugen gibt es genügend Plätze für jene, die heimreisen wollen."

"Diese Katastrophe muss jetzt zu einer großangelegten Diskussion über die Nutzung der Nuklearenergie führen, nicht nur in Europa, sondern weltweit", sagte der Bundeskanzler über die Konsequenzen in der Energiepolitik. "Wir begrüßen die Ankündigungen in Deutschland", so Faymann, aber es dürfe nach einem Abebben der Diskussion nicht wieder zur Tagesordnung zurückgekehrt werden. "Wir fordern härtere Konsequenzen. Wir wollen die Sicherheitsstandards erhöht haben. Und wenn Atomkraftwerke diesen Standards nicht mehr entsprechen, müssen sie sofort abgeschaltet werden." Zudem müssten alle Kernkraftwerke in Erdbebenzonen geschlossen werden. In diesen Gebieten dürften auch keine Neugenehmigungen mehr erfolgen.

Auf Nachfrage, ob Österreich den Vorschlag einer europaweiten Bürgerinitiative für den Ausstieg aus der Atomenergie unterstütze, sagte der Kanzler: "Der Vorschlag geht in die richtige Richtung. Das Instrument der europäischen Bürgerinitiative muss für die Bevölkerung so unkompliziert und niederschwellig wie möglich angelegt werden. Aber die Gegner sind gut aufgestellt, die Atomlobby ist eine der stärksten der Welt und verfügt über sehr viele Geldmittel." Österreich werde jedenfalls seine Initiative bei Euratom und IAEA erneut einbringen. Diese sollten ihren Forschungsschwerpunkt nicht auf Erweiterung des Atomkraftprogramms setzen, sondern auf den möglichen Ausstieg hin fokussieren.

"Es ist eine Frage der Menschlichkeit, nun den Irrweg der Atomenergie zu verlassen. Es ist Zeit zur Umkehr, wir werden unseren Standpunkt auf europäischer Ebene in aller Deutlichkeit vertreten", schloss Faymann.

 

Rudas: Es braucht mittelfristig einen europaweiten Atomausstieg
SPÖ-Bundesgeschäftsführerin begrüßt Abschaltung von Isar I - Sicherheitsüberprüfung und nötige Konsequenzen gefordert
Wien (sk) - Angesichts der jüngsten Ereignisse in Japan plädiert SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas für einen mittelfristigen europaweiten Atomausstieg. "Die Katastrophe in Japan hat gezeigt, dass Atomkraft nicht beherrschbar ist. Der einzig logische Schluss ist daher ein europaweiter Atomausstieg", so Rudas am 15.03. im Gespräch mit dem SPÖ-Pressedienst. Die umgehende Abschaltung des grenznahen deutschen Reaktors Isar I begrüßt Rudas.

Als nächster wichtiger Schritt müssen nun alle europäischen Reaktoren auf ihre Sicherheit geprüft werden. "Reaktoren, die nicht den aktuellen Sicherheitsstandards entsprechen, müssen umgehend und endgültig abgeschaltet werden", fordert Rudas. Die Ergebnisse der Überprüfung sind allen europäischen Regierungen unmittelbar und ungeschönt zur Verfügung zu stellen.

Auch werde man sich von österreichischer Seite auf europäischer Ebene für einen Atom-Ausstieg einsetzen. "Österreich betreibt selbst kein Atomkraftwerk, ist aber umgeben von Reaktoren. Eine Lösung dieses Problems kann nur auf europäischer Ebene gefunden werden", betonte die SPÖ-Bundesgeschäftsführerin. Hierfür sei auch das Instrument einer europäischen Bürgerinitiative eine Möglichkeit.

 

Berlakovich: AKW-Stresstests großer Erfolg für Österreich
Klares Ziel: Raus aus Atom, Rein in Erneuerbare
Wien (övp-pk) - "Die Menschen in Europa sind durch die Katastrophe in Japan zu Recht verunsichert. Daher habe ich mit Nachdruck Stresstests für Kernkraftwerke in Europa gefordert - gestern im Rat der EU-Umweltminister und gegenüber Öttinger", betont Umweltminister Niki Berlakovich am 15.03. "Ich bewerte positiv, dass der EU-Kommissar meinen Vorschlag aufgegriffen hat und die EU-Mitgliedstaaten Zustimmung signalisieren. Das ist ein großer Erfolg für Österreich. Und das beweist, dass Österreich Europa bewegen kann. Es wird europaweit Stresstest geben, erstmals nach einheitlichen europäische Kriterien", so der Umweltminister.

"Diese Sicherheitschecks müssen rasch erfolgen. Es muss sich dabei um eine strenge, kontrollierte und tabulose Prüfung handeln", unterstreicht Berlakovich. Der Atomlobby müsse aber klar sein, dass dies "keinesfalls ein Freibrief" sei. "Denn mein Ziel ist klar: Wir müssen raus aus Atom und rein in Erneuerbare. Das erwarten sich die Menschen und dazu gibt es keine Alternative. Es muss endlich ein Umdenken aller europäischen Staaten geben. Mein Ziel ist ein energieautarkes Österreich", betont Berlakovich.

 

Kaltenegger: Berlakovich-Initiative hat sich in Europa durchgesetzt
Österreichs Anti-Atom-Kurs richtiger Weg – Jetzt gemeinsam europaweites Umdenken weiter forcieren
Wien (övp-pd) - "Mit seiner Forderung nach europaweiten AKW-Stresstests hat Umweltminister Niki Berlakovich die richtige Initiative zum richtigen Zeitpunkt gesetzt. Die heutige einvernehmliche Zustimmung der EU-Umweltminister zeigt, dass ein konsequenter Standpunkt und die richtigen Argumente zum Ziel führen", betont ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger. "Die tragischen Ereignisse in Japan erschüttern nicht nur die ganze Welt, sondern führen uns deutlich vor Augen, dass Kernkraft keine sichere und saubere Energieform ist."

Kaltenegger betont abschließend: "Jetzt gilt es daher, die österreichische Anti-Atom-Linie weiter zu forcieren und auf alternative Energieträger zu setzen. Niki Berlakovich war der Erste, der die AKW-Laufzeitverlängerung in Deutschland scharf kritisiert hat, er war derjenige, der einen gemeinsamen Beschluss der Bundesregierung initiiert hat und das Thema auf europäische Ebene gebracht hat. Niki Berlakovich hat auch weiterhin die volle Unterstützung der ÖVP in seinem Engagement für eine saubere Energiezukunft. Denn uns geht es um die maximale Sicherheit der Menschen."

 

FPÖ: Strache weiter für Sondersitzung zu europäischem Atomkraftausstieg
Schreckensszenario wie in Japan muss in Europa verhindert werden
Wien (fpd) - Zutiefst erschüttert zeigt sich FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache über die Ereignisse in Japan. Nun müsse alles daran gesetzt werden, ein ähnliches Schreckensszenario in Europa zu verhindern. In Österreich solle eine Sondersitzung des Nationalrats der Start für eine europa- und außenpolitische Initiative zum europaweiten Atomkraftausstieg sein. Den Versuchen, die Atomkraft unter dem Deckmäntelchen des Klimaschutzes weiter zu forcieren, sei endgültig eine unmissverständliche Absage zu erteilen.

Der rot-schwarzen Bundesregierung warf Strache vor, in den Bemühungen für ein atomkraftfreies Europa völlig versagt zu haben. Dies müsse in einer Sondersitzung klar und ohne falsche Rücksichtnahme debattiert werden. Auch müssten alle Fakten über eine Bedrohung Österreichs durch die Schrottreaktoren an unseren Grenzen offengelegt werden. Zudem stelle sich die Frage, ob Umweltminister Berlakovich die richtige Besetzung in seinem Amt sei. Außer Beschwichtigungen nach dem Motto "Das ist ja alles weit weit weg" habe man von ihm nichts Substanzielles gehört.

Wer jetzt noch an das Märchen von der "sicheren" Atomkraft glaube, sei entweder völlig realitätsblind oder gefährde wissentlich die Gesundheit der Menschen im Interesse der Atom-Lobby, so Strache. Ein Vierteljahrhundert nach der Katastrophe von Tschernobyl seien die Atomenergiekonzerne und die ihnen hörigen Politiker noch immer völlig erkenntnisresistent.

 

Bucher: Raus aus Atomkraft - Handeln jetzt!
BZÖ deckt auf: SPÖ und ÖVP beschließen heute im EU-Unterausschuss Ausbau der Kernenergie
Wien (bzö) - BZÖ-Bündnisobmann Josef Bucher forderte im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz mit BZÖ-Energiesprecher Abg. Mag. Rainer Widmann die rot-schwarze Bundesregierung auf, endlich dafür zu kämpfen, um die lebensbedrohliche Kernenergie aus Europa zu beseitigen. "Wir blicken alle mit Entsetzen nach Japan, wie schnell eine Naturkatastrophe eine Weltmacht ins Wanken bringt. Die rot-schwarze Bundesregierung fährt derzeit leider eine Verniedlichungsstrategie. Tatsache ist, dass auch die wirtschaftlichen Auswirkungen Österreich massiv treffen werden", so Bucher, der die Einberufung einer Sondersitzung des Nationalrates verlangt.

Der BZÖ-Chef deckte auf, dass SPÖ und ÖVP im heutigen EU-Unterausschuss den Ausbau der Atomenergie beschließen wollen. So stehe heute unter anderem ein Papier der Europäischen Kommission mit dem Titel "Energie 2020 - Eine Strategie für wettbewerbsfähige, nachhaltige und sichere Energie" auf der Tagesordnung, das eine Forcierung der Atomkraft vorsehe. Eine eigene BZÖ-Aussendung mit Zitaten folgt. "Faymann, Berlakovich und Co sind der EU auf den Leim gegangen. Der ÖVP-Umweltminister macht nur Lippenbekenntisse, wie wichtig ihm der Ausstieg aus der Kernenergie ist und gleichzeitig wird von Rot und Schwarz das Gegenteil beschlossen. Die Bevölkerung wird von SPÖ und ÖVP nur mehr am Schmäh gehalten und belogen", zeigte sich Bucher empört.

Bucher verlangte als weitere Konsequenzen aus Tsunami und Atom-Drama in Japan die Schaffung eines zentralen Krisenmanagers in einem Bundesamt für Sicherheit und Krisenmanagement. "Jedes Bundesland hat eigene Krisenpläne. Dieses Kompetenzwirrwarr muss beseitigt werden. Wir brauchen kein Superamt, sondern eine Zusammenführung der Kompetenzen in einer Hand, um größtmöglichen Schutz und Sicherheit zu bieten."

Der BZÖ-Bündnisobmann verwies auf das BZÖ-Konzept für eine Energieautarkie, "das wir als einzige Partei bereits vor zwei Jahern entwickelt und vorgestellt haben. Dies kostet zwar etwas, aber Energieunabhängigkeit darf etwas kosten, weil es auf Dauer den Konsumenten hilft, Kosten zu sparen."

Bucher forderte die Bundesregierung auf, sofort aus Euratom auszusteigen und endlich auf europäischer Ebene die richtigen Worte zu finden. "Mit Temelin, Mochovce, Krsko, Isar 1 ist Österreich von zahlreichen Schrottreaktoren umgeben. Allein in Temelin wurden bereits über 100 Störfälle verzeichnet. SPÖ-Bundeskanzler Faymann soll mit dem Lamentieren endlich aufhören und klar und deutlich für ein kernkraftfreies Europa eintreten."

 

 Glawischnig: Grüne für EU-Volksabstimmung
In maximal 180 Kilometer Entfernung zu jedem Ort Österreichs gebe es "schwerst erdbebengefährdete" AKW alter Bauart
Wien (grüne) - "Wir Grüne fordern einen vehementen Einsatz Österreichs für den Ausstieg Europas aus der Atomenergie. Die Regierung soll sich für eine EU-Volksabstimmung darüber und die sofortige Abschaltung der grenznahen Hochrisiko-AKW engagieren", verlangte Parteichefin Eva Glawischnig in einer Pressekonferenz.

"Japan liegt vor der Haustür", warnte unser Sicherheitssprecher Peter Pilz. Er hat eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates beantragt; dieser müsse sich binnen zehn Tagen mit der "extrem hohen Sicherheitsgefährdung" durch die grenznahen AKW befassen.

Erdbebengefährdete alte AKW "vor der Haustür"
In maximal 180 Kilometer Entfernung zu jedem Ort Österreichs gebe es "schwerst erdbebengefährdete" AKW alter Bauart - in Bohunice (Slowakei), Krsko (Slowenien) und Fessenheim (Frankreich). Bohunice etwa sei für Belastungen bis der Stufe 8 nach der MSK 64-Skala (ca. 5,5 nach Richterskala) ausgelegt, also Beben, bei denen noch keine Gebäude einstürzen. Mit solchen Beben müsse - wie auch der NÖ Zivilschutzverband festgestellt habe - in dieser Region gerechnet werden, erklärte Pilz.

Wohl "nicht beherrschbar" wäre in all diesen AKW ein Multifunktionsversagen, wie es in Japan mit Ausfall der Stromversorgung, der Kühlung etc. vorkam; dazu gebe es nicht einmal Untersuchungen. Zudem hätten all diese Reaktoren - wie auch Isar 1 (Deutschland) und Dukovany (Tschechien) - keine Schutzhülle ("Containment"), sondern nur ein Schutzsystem ("Confinement"). Sie könnten also vor terroristischen Anschlägen nicht geschützt werden; bei Angriffen wäre mit einem GAU zu rechnen.

Im Sicherheitsrat will Pilz mit der Regierung beraten, wie Österreich die Stilllegung dieser AKW erreichen kann. Pilz plädiert für eine Unterstützung, zumindest der Slowakei und Sloweniens - in einer "Art Lebensversicherung". Bei "fehlender Kooperation" müsse es aber ein Ultimatum und Konsequenzen geben.

Müssen jetzt "die Notbremse ziehen"
Glawischnig will die "Bewegung" nützen, die mit der japanischen Katastrophe in die Diskussion gekommen sei. Österreich müsse jetzt "Druck" auf die Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für den Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie ausüben - und sich europaweit für den Verzicht auf AKW einsetzen. Kanzler Werner Faymann (S) soll sich im EU-Rat für eine EU-Volksabstimmung einsetzen. Diese wäre zwar kein juristisch verbindliches Instrument, aber eine "politische Aktion", um jetzt "die Notbremse zu ziehen". Notfalls könnte man auch eine - mit dem Lissabon-Vertrag ermöglichte - EU-Bürgerinitiative starten.

Glawischnig will eine solche Initiative der Regierung im heutigen EU-Unterausschuss beantragen - und auch einen Bericht der Regierung in der nächsten Nationalratssitzung über ihre Aktivitäten. "Jederzeit" seien wir Grüne bereit, den Antrag für die von der FPÖ angestrebte Sondersitzung des Nationalrates zu unterschreiben. Die Blauen hätten bisher aber keinen Kontakt mit ihnen aufgenommen.
 
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