Sozialausschuss diskutierte Befunde des Sozialberichts 2010
Wien (rk) - Mit einer Diskussion der Zahlen, Daten und Fakten des Sozialberichts 2010 startete der
Sozialausschuss am 15.03. in die Erledigung einer äußerst umfangreichen Tagesordnung. Kritik am 260
Seiten fassenden Bericht kam dabei von Seiten der Opposition: Sie vermisste profunde Analysen, sprach von der Verdeckung
struktureller Versäumnisse und zeigte sich mit den Maßnahmen, die das Sozialministerium zur Bewältigung
mancher Problemstellungen setze, nicht zufrieden. SPÖ und ÖVP sprachen indes von einem sehr guten Überblickswerk,
das hilfreiche Impulse für die politische Arbeit liefere. Der Bericht wurde mit den Stimmen den Regierungsparteien
zur Kenntnis genommen. Der Antrag des Abgeordneten Franz Riepl (S) betreffend Nicht-Enderledigung im Ausschuss
fand die Zustimmung aller Fraktionen.
Im Anschluss an die Debatte über den Sozialbericht befasste sich der Ausschuss überdies mit einer Reihe
von Regierungsvorlagen zu arbeitsmarktpolitischen Fragen und zahlreichen Oppositionsanträgen.
Grüne sind mit Einkommensentwicklung in Österreich unzufrieden
Ein Bericht, der aufzeige, dass es in Österreich nur im höchsten Einkommenssegment zu Steigerungen gekommen
ist und keine konkreten Strategien zur Gegensteuerung aufbiete, könne von Seiten der Grünen Fraktion
nicht zur Kenntnis genommen werden, meinte G-Mandatar Karl Öllinger. In Hinblick auf diese Entwicklung sei
es nicht genug, auf Kollektivvertragsverhandlungen zu verweisen, schließlich wäre auch der österreichische
Mittelstand von ihr betroffen, hielt der Redner fest. Die Daten, die der Bericht zum Thema Armutsgefährdung
enthalte, seien außerdem veraltet, stammten sie doch aus dem Jahre 2007, kritisierte Öllinger. Seine
Fraktionskollegin Birgit Schatz interessierte sich in diesem Zusammenhang vor allem für die Situation der
LeiharbeiterInnen und die Exekution des Verschlechterungsverbots in Hinblick auf die bedarfsorientierte Mindestsicherung.
Dass dieser Ersatz für die Notstandshilfe außerdem nur zwölfmal jährlich ausbezahlt wird,
hielt sie für kritikwürdig.
Sozialminister Rudolf Hundstorfer meinte, Armutsbekämpfung bleibe für ihn auch weiterhin ein wesentliches
Thema. Bei aller Kritik am Status-quo sei aber zu bedenken, dass in Österreich ohne Sozialtransfers 24 % der
Bevölkerung von Armut betroffen wären. Was die Einkommensentwicklung anbelange, gäbe es bereits
in 80 % der Branchen Kollektivverträge, die bei einer Vollzeitbeschäftigung ein Einkommen von mindestens
1.300 € monatlich festschrieben. Österreich verfüge zugleich aber über einen hohen Anteil an Personen
in Teilzeitbeschäftigung. Die Betroffenen – darunter vor allem Frauen – entschieden sich teils bewusst, teils
ohne es zu wollen, für diese Form der Berufstätigkeit, was bei der Entwicklung der Einkommen zu Buche
schlage. Er, so Hundstorfer, stehe einer Diskussion über dieses Faktum offen gegenüber und unterstütze
den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen, die es Frauen ermöglichten, trotz Familie einer Vollzeitbeschäftigung
nachzugehen, sofern sie dies wünschten. Was die Mindestsicherung anbelange, begrüße er das Bestehen
eines Verschlechterungsverbots: Aufgrund der Zuständigkeit der Länder habe er aber keine Möglichkeit,
seine Exekution in jedem Fall sicherzustellen, räumte Hundstorfer ein. Über die Begrenzung der Leiharbeit
führe er einen Dialog mit den Sozialpartnern, die kollektivvertragliche Absicherung von LeiharbeiterInnen
habe sich aber in jedem Fall als richtiger Schritt erwiesen, informierte der Sozialminister.
Freiheitliche warnen vor Öffnung des Arbeitsmarkts am 1. Mai
Auf die Entwicklungen am heimischen Arbeitsmarkt kam auch F-Mandatar Herbert Kickl zu sprechen. Die heute im Ausschuss
zu diskutierende "Rot-Weiß-Rot-Card" bezeichnete er als "Bankrottcard". Für verantwortungslos
hielt es Kickl auch, den österreichischen Arbeitsmarkt per 1. Mai 2011 für Personen aus den neuen Mitgliedsstaaten
der EU zu öffnen. Was die Armutsbekämpfung anbelange, verweise der Bericht zwar auf die "Europa-2020-Strategie",
die Kürzungen, die man im Budget vorgenommen habe, träfen aber vor allem jene hart, die in Not seien,
gab der F-Mandatar zu bedenken. Zu unterstützen gelte es etwa behinderte Menschen, denn die Unterstützungsmaßnahmen
in Hinblick auf ihre Integration in den Arbeitsmarkt wären laut Bericht nur kurzfristig wirksam. Die bedarfsorientierte
Mindestsicherung wollte Kickl außerdem nicht als Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit charakterisiert wissen:
Ihm zufolge könnten in Hinkunft schließlich auch Personen aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten in den BezieherInnenkreis
aufgenommen werden, obgleich ein Rückgriff auf ihre Vermögenswerte kaum möglich sei.
Die Wirtschafts- und Finanzkrise hielt Kickl angesichts der notwendig gewordenen Aufstockung des Euro-Rettungsschirms
für noch nicht ausgestanden. Was den Bericht angehe, sei aber die Tendenz, durch "strukturelle Versäumnisse"
entstandene Probleme der ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung anzulasten, durchaus zu kritisieren.
Sozialminister Rudolf Hundstorfer mahnte die Freiheitlichen, nicht mit falschen Arbeitsmarktdaten "politisches
Kleingeld" zu machen. Feststehe, dass man derzeit eine vergleichsmäßig geringe Arbeitslosenquote
aufweise. Das werde sich auch am 2. Mai, nach Öffnung des Arbeitsmarkts für Personen aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten,
nicht ändern. Hundstorfer räumte ein, dass man in diesem Zusammenhang mit einem Zugang von 20.000 bis
25.000 Menschen zu rechnen habe, doch sei diese Größenordnung angesichts der stabilen Lage des Arbeitsmarkts
durchaus zu verkraften. Die "Rot-Weiß-Rot-Card" ermögliche außerdem einen geordneten
Zutritt: Die Implementierung eines Punktesystems werde den Zuzug hochqualifizierter Arbeitskräfte sicherstellen
und einem "Verdrängungskampf unter Hilfskräften" vorbeugen, versicherte er.
Auch setzte man erfolgreich beschäftigungspolitische Maßnahmen für behinderte Menschen, hielt der
Sozialminister fest. Die Aufwendungen für diesen Bereich lägen relativ hoch, die Erhöhung der Ausgleichstaxe
für Unternehmen, die der Beschäftigungspflicht nicht in ausreichendem Maße nachkommen, sei als
richtiger Schritt zu qualifizieren. In diesem Zusammenhang gelte es außerdem zu betonen, dass über 1.500
Menschen mit Behinderung in insgesamt acht integrativen Betrieben Arbeit finden, schloss Hundstorfer.
BZÖ: Handlungsbedarf in den Bereichen Pflege und Armutsprävention
Auch die beiden B-Abgeordneten Ursula Haubner und Sigisbert Dolinschek zeigten sich mit den sozialpolitischen Maßnahmen
der Bundesregierung nicht zufrieden. Was die bereits angesprochenen Themen Armutsgefährdung und Behindertenbeschäftigung
anbelange, gäbe es, so die beiden Abgeordneten, schließlich noch einiges zu tun. Dass der Bericht besonders
älteren Frauen, Familien und Ein-Personen-Haushalten, ein größeres Armutsrisiko attestiere, sei
besorgniserregend, stand für Haubner außer Frage. Ihr Fraktionskollege Sigisbert Dolinschek kam in diesem
Zusammenhang auf die Situation der "working poor" zu sprechen und ortete Handlungsbedarf in Form einer
Trendumkehr bei der Vermögensentwicklung.
Was die Pflege anbelange, sei in den Ländern "Feuer am Dach", meinte B-Mandatarin Ursula Haubner
und verwies auf diesbezügliche Stellungnahmen des oberösterreichischen Landeshauptmanns. Sie erkundigte
sich deshalb nach Strategien des Sozialministers, dem derzeit herrschenden Pflegekräftemangel entgegenzuwirken.
Er verstehe die diesbezügliche Position des Landes Oberösterreich, räumte der Bundesminister ein,
doch werde bereits vieles unternommen, um den Fachkräftemangel in diesem Bereich zu vermindern: So forciere
man etwa diesbezügliche Ausbildungen und Umschulungen, informierte er. Was die Frauenförderung anbelange,
stelle man 50 % des Budgets des Arbeitsmarktservice für derartige Qualifizierungsprogramme zur Verfügung.
Daran werde auch nicht "gerüttelt", stellte Hundstorfer fest.
SPÖ und ÖVP loben sozialpolitische Analysen des Berichts
Als wertvolle Unterstützung für sozialpolitische Entscheidungen charakterisierten Abgeordnete
der Regierungsparteien den vorliegenden Sozialbericht. Die Zahlen, die er enthalte, könnten sich im EU-Vergleich
durchaus sehen lassen, zeigte sich S-Abgeordneter Franz Riepl überzeugt, verwies zugleich aber auch auf weniger
erfreuliche Daten wie die rund 70.000 festgestellten Übertretung von Vorschriften des ArbeitsnehmerInnenschutzes.
Auch sein Fraktionskollege zeigte sich mit den Fakten, die vorliegender Bericht in sich vereine, zufrieden. Besonders
stolz könne Österreich auf etwa auf die Erhöhung des Pflegegelds sein, stand für ihn außer
Frage.
V-Mandatar August Wöginger meinte, es reiche nicht aus, über ein soziales Netz zu verfügen, man
müsse auch für dessen Zukunft sorgen. Was die bedarfsorientierte Mindestsicherung anbelange, bleibe die
ÖVP der Auffassung, dass eine Auszahlung zwölfmal jährlich ausreiche. Sein Fraktionskollege Karl
Donabauer fand es in diesem Zusammenhang "schade", dass man bei der Mindestsicherung nicht zu einem bundeseinheitlichen
Standard kommen konnte. Was den Bereich der Pflege anbelange, plädiere er für eine Reduktion der Begutachtungsstellen.
In Hinblick auf die Forderung nach Implementierung eines Pflegefonds fehlten Donabauer vor allem konkrete Vorschläge,
woher das Geld zu seiner Finanzierung kommen solle – ein Vorwurf, den G-Mandatar Karl Öllinger unter Hinweis
auf die Vorschläge seiner Fraktion betreffend Einführung einer Vermögenssteuer nicht gelten lassen
wollte.
Hundstorfer: Konsumentenschutzagenden werden wahrgenommen
Den von Seiten der Freiheitlichen Fraktion vorgebrachten Vorwurf, der Sozialminister nehme die seinem Ressort angeschlossenen
Konsumentenschutzagenden nicht wahr, wies Hundstorfer zurück. Man könne aber nur dort eingreifen, wo
es dazu Möglichkeit gebe, hielt er in Richtung F-Mandatar Herbert Kickl fest.
Die Kompromisslösung in Hinblick auf das sogenannte "Cold Calling", die diese Woche im Konsumentenschutzausschuss
diskutiert werde, sei in Teilbereichen sehr gut, in mancherlei Hinsicht aber noch ausbaufähig, hielt Hundstorfer
auf die diesbezüglichen Fragen der Abgeordneten fest. |