Wen würden Jugendliche wählen lassen?   

erstellt am
15. 03. 11

Forschungsteam präsentiert Ergebnisse einer Studie im Parlament
Wien (pk) - Wen würden Jugendliche wählen lassen, wenn sie das Recht hätten darüber zu entscheiden? Wer sollte ihrer Meinung nach von der Mitgestaltung von Politik ausgeschlossen bleiben? Mit diesen Fragen beschäftigte sich ein Forschungsteam des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Wien rund um Sieglinde Rosenberger. Unter Einbeziehung von drei österreichischen Schulen wurden insgesamt 374 Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren befragt, die Ergebnisse der Studie wurden am 14.03. im Parlament präsentiert. Im Anschluss daran stellten sich Abgeordnete einer Podiumsdiskussion mit Schülerinnen und Schülern.

Bedeutendste Wahlvoraussetzung für die Jugendlichen ist gemäß der Studie der Besitz der Staatsbürgerschaft. Rund zwei Drittel der Befragten nannten dieses Wahlkriterium als "sehr wichtig". Dahinter rangieren die Kriterien "Steuern in Österreich zahlen", "die Fähigkeit, politische Prozesse zu verstehen", "Wohnsitz in Österreich" und "gut deutsch sprechen". Am wenigsten wichtig ist den Jugendlichen, dass die WählerInnen in Österreich geboren sind. Wie Studien-Mitautor Florian Walter erklärte, zeigte sich bei Gruppendiskussionen allerdings ein etwas differenzierteres Bild. Auch gibt es Unterschiede zwischen befragten Lehrlingen und SchülerInnen sowie zwischen Jugendlichen verschiedener Bundesländer.

Zur Präsentation der Forschungsergebnisse eingeladen hatte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Sie appellierte an die Schülerinnen und Schüler, von ihrem Wahlrecht auch Gebrauch zu machen. Das Wahlrecht werde heute oft leichtfertig aufs Spiel gesetzt, meinte sie, die Selbstverständlichkeit, in einer Demokratie zu leben, sei – neben anderen Ursachen – wohl ein wesentlicher Grund für die stetig sinkende Wahlbeteiligung. Dem gegenüber kämpften in anderen Ländern Menschen für Demokratie, wie sich etwa aktuell in Nordafrika zeige.

Ein klares Bekenntnis legte Prammer zum Wählen mit 16 ab, auch wenn die Herabsetzung des Wahlalters, wie sie sagte, nach wie vor oft kritisch betrachtet werde. Begleitend dazu ist es ihrer Ansicht nach jedoch notwendig, die politische Bildung in den Schulen zu intensivieren. Auch das Verhältniswahlrecht will Prammer beibehalten, sie sprach sich allerdings für eine Stärkung der Persönlichkeitselemente im Wahlrecht aus.

Studienleiterin Sieglinde Rosenberger wies darauf hin, dass Schülerinnen und Schüler dreier Schulen aus Wien, Oberösterreich und Tirol aktiv in das Forschungsprojekt eingebunden gewesen seien. Sie waren es auch, die gemeinsam mit Aleksandra Ptaszyn'ska und Florian Walter heute die Ergebnisse des Projekts präsentierten. Befragt wurden insgesamt 374 Jugendliche in Wels, Wien und Tirol, davon waren 63 % SchülerInnen, 24 % Lehrlinge und 13 % andere Gruppen (Berufstätige, Grundwehrdiener, Arbeitslose etc.). 24 % der Befragten hatten Migrationshintergrund. Die abgefragten Kriterien wurden einzelnen Hauptkategorien – Wissen über Politik, persönliche Leistungen, demokratische Einstellungen, Migration – zugeordnet, bei den Antworten waren dabei durchaus Unterschiede zwischen den befragten Gruppen erkennbar. So nannten etwa Lehrlinge und Jugendliche aus Telfs die österreichische Staatsbürgerschaft deutlich häufiger als sehr wichtiges Wahlkriterium als etwa SchülerInnen und Wiener Jugendliche.

Ergänzt wurde die Meinungsumfrage durch insgesamt 13 Gruppendiskussionen mit 5 bis 8 TeilnehmerInnen. Auch dabei zeigte sich Walter und Ptaszyn'ska zufolge, dass die Mehrheit der Jugendlichen das Wahlrecht an die Staatsbürgerschaft gekoppelt sehen will, allerdings habe es hier auch immer wieder abweichende Meinungen gegeben. So sei etwa das Kriterium "Betroffenheit" von vielen als wesentlich eingestuft worden: nur, wer die Auswirkungen von Politik vor Ort tatsächlich spüre, solle an Wahlen teilnehmen dürfen. Von manchen vorgebracht wurde auch die Forderung nach einem "Wissenstest", die Mehrheit habe einen solchen aber als zu große Wahlhürde abgelehnt.

"Jugendliche haben Interesse an Politik"
Bei der an die Präsentation der Studienergebnisse anschließenden Podiumsdiskussion bekannten sich die Abgeordneten aller fünf Parlamentsfraktionen ausdrücklich zum Wählen mit 16. So zeigte sich etwa Abgeordnete Sonja Steßl-Mühlbacher (S) überzeugt, dass sich Jugendliche nicht weniger als andere Bevölkerungsgruppen für Politik interessierten, vor allem wenn sie direkt betroffen seien. Dass manche Jugendliche selbst die Ansicht vertreten, sie seien nicht ausreichend informiert, um zu wählen, zeichne die Jugendlichen gegenüber anderen Gruppen aus, meinte Silvia Fuhrmann (V), die Jugendlichen gingen aber zur Wahl, wenn sie das Gefühl hätten, dass sie vertreten würden. Umso wichtiger ist es ihrer Meinung nach, dass junge Leute auf den Wahllisten der Parteien stehen.

Was die Verknüpfung des Wahlrechts mit der Staatsbürgerschaft betrifft, vertraten Abgeordnete Daniela Musiol (G) und Abgeordneter Christian Höbart (F) unterschiedliche Auffassungen. Während Höbart die geltende Regelung verteidigte, sprach sich Musiol dagegen aus, Leute, die bereits seit Jahren in Österreich lebten, vom Wahlrecht auszuschließen. Höbart problematisierte außerdem die sinkende Wahlbeteiligung und trat dafür ein, dem zunehmenden "Wurstigkeitsgefühl" in der Bevölkerung mit politischer Bildung und bewusstseinsbildenden Maßnahmen entgegenzutreten. Musiol rief die Jugendlichen auf, selbst initiativ zu werden und zum Beispiel von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch zu machen oder zu Volksbegehren zu gehen.

Seitens des BZÖ machte sich Abgeordneter Stefan Markowitz für Vielfalt im Hohen Haus stark. Umso mehr Parteien im Parlament vertreten seien, desto besser sei es, bekräftigte er. Von allen Abgeordneten unterstrichen wurde darüber hinaus die Notwendigkeit einer Reform der Briefwahl.

Die Schülerinnen und Schüler selbst stellten unter anderem das bestehende Vorzugsstimmensystem in Frage und forderten die PolitikerInnen auf, einen größeren Fokus auf Themen zu legen, die für Jugendliche wichtig seien.

Das sozialwissenschaftliche Forschungsprojekt "GLO-PART. Jugendliche Perzeptionen von Politik unter dem Blickwinkel von Inklusion/Exklusion" wurde im Rahmen des Förderprogramms Sparkling Science des Wissenschaftsministeriums durchgeführt. Beteiligt daran waren Schülerinnen und Schüler der Schulen ECO Telfs, BG8 Wien Piaristengasse sowie BG/BRG Wels Dr.-Schauer-Straße. Die heutige Präsentation der Studienergebnisse wurde von Markus Pühringer, Ressortleiter Politik der Wirtschaftszeitschrift "Format", moderiert.
     
zurück