Forschungsteam präsentiert Ergebnisse einer Studie im Parlament
Wien (pk) - Wen würden Jugendliche wählen lassen, wenn sie das Recht hätten darüber
zu entscheiden? Wer sollte ihrer Meinung nach von der Mitgestaltung von Politik ausgeschlossen bleiben? Mit diesen
Fragen beschäftigte sich ein Forschungsteam des Instituts für Politikwissenschaft der Universität
Wien rund um Sieglinde Rosenberger. Unter Einbeziehung von drei österreichischen Schulen wurden insgesamt
374 Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren befragt, die Ergebnisse der Studie wurden am 14.03. im Parlament präsentiert.
Im Anschluss daran stellten sich Abgeordnete einer Podiumsdiskussion mit Schülerinnen und Schülern.
Bedeutendste Wahlvoraussetzung für die Jugendlichen ist gemäß der Studie der Besitz der Staatsbürgerschaft.
Rund zwei Drittel der Befragten nannten dieses Wahlkriterium als "sehr wichtig". Dahinter rangieren die
Kriterien "Steuern in Österreich zahlen", "die Fähigkeit, politische Prozesse zu verstehen",
"Wohnsitz in Österreich" und "gut deutsch sprechen". Am wenigsten wichtig ist den Jugendlichen,
dass die WählerInnen in Österreich geboren sind. Wie Studien-Mitautor Florian Walter erklärte, zeigte
sich bei Gruppendiskussionen allerdings ein etwas differenzierteres Bild. Auch gibt es Unterschiede zwischen befragten
Lehrlingen und SchülerInnen sowie zwischen Jugendlichen verschiedener Bundesländer.
Zur Präsentation der Forschungsergebnisse eingeladen hatte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Sie
appellierte an die Schülerinnen und Schüler, von ihrem Wahlrecht auch Gebrauch zu machen. Das Wahlrecht
werde heute oft leichtfertig aufs Spiel gesetzt, meinte sie, die Selbstverständlichkeit, in einer Demokratie
zu leben, sei – neben anderen Ursachen – wohl ein wesentlicher Grund für die stetig sinkende Wahlbeteiligung.
Dem gegenüber kämpften in anderen Ländern Menschen für Demokratie, wie sich etwa aktuell in
Nordafrika zeige.
Ein klares Bekenntnis legte Prammer zum Wählen mit 16 ab, auch wenn die Herabsetzung des Wahlalters, wie sie
sagte, nach wie vor oft kritisch betrachtet werde. Begleitend dazu ist es ihrer Ansicht nach jedoch notwendig,
die politische Bildung in den Schulen zu intensivieren. Auch das Verhältniswahlrecht will Prammer beibehalten,
sie sprach sich allerdings für eine Stärkung der Persönlichkeitselemente im Wahlrecht aus.
Studienleiterin Sieglinde Rosenberger wies darauf hin, dass Schülerinnen und Schüler dreier Schulen aus
Wien, Oberösterreich und Tirol aktiv in das Forschungsprojekt eingebunden gewesen seien. Sie waren es auch,
die gemeinsam mit Aleksandra Ptaszyn'ska und Florian Walter heute die Ergebnisse des Projekts präsentierten.
Befragt wurden insgesamt 374 Jugendliche in Wels, Wien und Tirol, davon waren 63 % SchülerInnen, 24 % Lehrlinge
und 13 % andere Gruppen (Berufstätige, Grundwehrdiener, Arbeitslose etc.). 24 % der Befragten hatten Migrationshintergrund.
Die abgefragten Kriterien wurden einzelnen Hauptkategorien – Wissen über Politik, persönliche Leistungen,
demokratische Einstellungen, Migration – zugeordnet, bei den Antworten waren dabei durchaus Unterschiede zwischen
den befragten Gruppen erkennbar. So nannten etwa Lehrlinge und Jugendliche aus Telfs die österreichische Staatsbürgerschaft
deutlich häufiger als sehr wichtiges Wahlkriterium als etwa SchülerInnen und Wiener Jugendliche.
Ergänzt wurde die Meinungsumfrage durch insgesamt 13 Gruppendiskussionen mit 5 bis 8 TeilnehmerInnen. Auch
dabei zeigte sich Walter und Ptaszyn'ska zufolge, dass die Mehrheit der Jugendlichen das Wahlrecht an die Staatsbürgerschaft
gekoppelt sehen will, allerdings habe es hier auch immer wieder abweichende Meinungen gegeben. So sei etwa das
Kriterium "Betroffenheit" von vielen als wesentlich eingestuft worden: nur, wer die Auswirkungen von
Politik vor Ort tatsächlich spüre, solle an Wahlen teilnehmen dürfen. Von manchen vorgebracht wurde
auch die Forderung nach einem "Wissenstest", die Mehrheit habe einen solchen aber als zu große
Wahlhürde abgelehnt.
"Jugendliche haben Interesse an Politik"
Bei der an die Präsentation der Studienergebnisse anschließenden Podiumsdiskussion bekannten sich die
Abgeordneten aller fünf Parlamentsfraktionen ausdrücklich zum Wählen mit 16. So zeigte sich etwa
Abgeordnete Sonja Steßl-Mühlbacher (S) überzeugt, dass sich Jugendliche nicht weniger als andere
Bevölkerungsgruppen für Politik interessierten, vor allem wenn sie direkt betroffen seien. Dass manche
Jugendliche selbst die Ansicht vertreten, sie seien nicht ausreichend informiert, um zu wählen, zeichne die
Jugendlichen gegenüber anderen Gruppen aus, meinte Silvia Fuhrmann (V), die Jugendlichen gingen aber zur Wahl,
wenn sie das Gefühl hätten, dass sie vertreten würden. Umso wichtiger ist es ihrer Meinung nach,
dass junge Leute auf den Wahllisten der Parteien stehen.
Was die Verknüpfung des Wahlrechts mit der Staatsbürgerschaft betrifft, vertraten Abgeordnete Daniela
Musiol (G) und Abgeordneter Christian Höbart (F) unterschiedliche Auffassungen. Während Höbart die
geltende Regelung verteidigte, sprach sich Musiol dagegen aus, Leute, die bereits seit Jahren in Österreich
lebten, vom Wahlrecht auszuschließen. Höbart problematisierte außerdem die sinkende Wahlbeteiligung
und trat dafür ein, dem zunehmenden "Wurstigkeitsgefühl" in der Bevölkerung mit politischer
Bildung und bewusstseinsbildenden Maßnahmen entgegenzutreten. Musiol rief die Jugendlichen auf, selbst initiativ
zu werden und zum Beispiel von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch zu machen oder zu Volksbegehren zu gehen.
Seitens des BZÖ machte sich Abgeordneter Stefan Markowitz für Vielfalt im Hohen Haus stark. Umso mehr
Parteien im Parlament vertreten seien, desto besser sei es, bekräftigte er. Von allen Abgeordneten unterstrichen
wurde darüber hinaus die Notwendigkeit einer Reform der Briefwahl.
Die Schülerinnen und Schüler selbst stellten unter anderem das bestehende Vorzugsstimmensystem in Frage
und forderten die PolitikerInnen auf, einen größeren Fokus auf Themen zu legen, die für Jugendliche
wichtig seien.
Das sozialwissenschaftliche Forschungsprojekt "GLO-PART. Jugendliche Perzeptionen von Politik unter dem Blickwinkel
von Inklusion/Exklusion" wurde im Rahmen des Förderprogramms Sparkling Science des Wissenschaftsministeriums
durchgeführt. Beteiligt daran waren Schülerinnen und Schüler der Schulen ECO Telfs, BG8 Wien Piaristengasse
sowie BG/BRG Wels Dr.-Schauer-Straße. Die heutige Präsentation der Studienergebnisse wurde von Markus
Pühringer, Ressortleiter Politik der Wirtschaftszeitschrift "Format", moderiert. |