Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sagte am 22.03. beim Pressefoyer nach der Ministerratssitzung,
die Bundesregierung habe einen Aktionsplan für den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Österreich
gehe auf allen Ebenen Europas entschlossen und konsequent gegen die Nutzung der Atomenergie vor.
Der Bundeskanzler betonte, es käme Zynismus gleich, wenn in Europa zum Schutz der Umwelt klare Beschlüsse
zur CO2-Reduktion gefasst würden, während gleichzeitig im Namen der Nachhaltigkeit weitere Atomkraftwerke
gebaut würden. Atomkraftwerke seien nicht sicher und Atomenergie sei nicht billig, sagte Faymann. Denn in
der derzeitigen Rechnung seien weder die Kosten für menschliches Leid noch Kosten für Haftungen und Katastrophenfolgen
enthalten. Die Atomlobby werde, wie auch schon im Fall Tschernobyls, behaupten, dass Japan ein Einzelfall wäre.
In Österreich sei aber nicht erst seit der Katastrophe in Japan, sondern bereits 1978 entschlossen worden,
bei der Nutzung von Kernkraft nicht mitzumachen. Der richtige Weg bei wachsenden Stromerfordernissen sei, in mehr
Energieeffizienz und in den Ausbau von erneuerbarer Energie zu investieren.
Viele europäische Länder würden auf Regierungsebene noch gar nicht an einen Ausstieg denken, die
Menschen in Europa sähen das aber anders. Die öffentliche Meinung habe sich längst gegen die Lügen
der Atomlobby und ihrer politischen Handlanger gedreht. Daher müssten europaweit Wege für den Ausstieg
gesucht werden. Europa habe dabei den großen Vorteil im Vergleich zu anderen Regionen, dass hier Regierungen
demokratisch gewählt werden. So beschreite beispielsweise Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits einen anderen
Weg als noch vor wenigen Monaten. Österreich müsse alle Initiativen für den Ausstieg voll unterstützen."
Umweltminister Niki Berlakovich (ÖVP) schmiedet auf europäischer Ebene eine Allianz, um
auch andere Länder zu einem Umdenken in der Kernkraft-Frage zu bewegen und "Raus aus Atom und rein in
Erneuerbare" zu bringen. Nach seiner Initiierung von Stresstests für AKW brachte der Minister das Atom-Thema
auch im Rahmen des Informellen EU-Umweltministerrates im ungarischen Gödölö zur Sprache, obwohl
es eigentlich nicht auf der Tagesordnung stand. Außerdem hat er gleichgesinnte KollegInnen nach Wien zu einem
Anti-Atom-Treffen eingeladen, das so bald wie möglich stattfinden soll. Eine Reihe von europäischen Ländern,
die ebenfalls keine Kernkraftwerke besitzen, haben Berlakovichs Initiative begrüßt und sich an einer
weitergehenden Allianz interessiert gezeigt.
Eine wesentliche Kritik, die Berlakovich auch in einem persönlichen Gespräch EU-Klimakommissarin Connie
Hedegaard gegenüber klargemacht hat, ist: Es sei untragbar, dass die EU-Kommission in ihrem vorgeschlagenen
EU-Klimafahrplan bis 2050 auch die Kernkraft als saubere Energieform darstelle. Kernkraft sei keine nachhaltige
Energieform, da beispielsweise die Entsorgungsproblematik komplett ungeklärt sei. Außerdem sei diese
Technologie höchst riskant und kann massive Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit haben. Wer solche Schritte
setzen wolle, habe Fukushima nicht begriffen. Auch die EU-Kommission müsse endlich erkennen, dass viele Menschen
in Europa umdenken würden. Die "Klima-Roadmap 2050" sollte vielmehr Erneuerbare und Energieeffizienz
forcieren, betonte der Umweltminister.
FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache sagte, während die Bürger Österreichs geschlossen
gegen Atomkraft einträten, würden die Gefahrenherde in unmittelbarer Nachbarschaft immer größer.
Vor allem die Diskussion über eine Verlängerung des höchst bedenklichen Reaktors im slowenischen
Krsko rufe auf den Plan: Österreichs Regierung und allen voran Außenminister Spindelegger seien gefordert,
hier blitzartig zu reagieren. Dass Krsko bis 2023 mitten auf einer Erdbebenline Atomstrom produzieren solle, sei
schon eine schwer hinnehmbare Gefährdung der Sicherheit. Dass Slowenien nun Krsko 2 bauen und damit die Laufzeit
des Kraftwerks um Jahrzehnte verlängern will, dürfe von Österreich nicht hingenommen werden.
Aber auch Kroatien, das an Krsko zu 50 Prozent beteiligt ist, müsse bei den EU-Beitrittsverhandlungen unter
Druck gesetzt werden. Es könne nicht sein, dass Österreich wieder derartig in die Knie gehe wie damals
gegenüber den Tschechen mit Temelin, das seither mehr als hundert Störfälle produziert habe, so
Strache. Er stehe einer EU-Mitgliedschaft Kroatiens zwar grundsätzlich positiv gegenüber, erwarte aber
auch ein Entgegenkommen der kroatischen Seite in der Atomfrage.
BZÖ-Bündnisobmann Klubobmann Josef Bucher erklärte, die Katastrophe in Japan lasse
nur eine Schlussfolgerung zu: Raus aus der Atomenergie! Denn die Kernenergie sei ein systematisches Spiel der Zerstörung
der Menschheit und nicht beherrschbar. Wenn den Politikern in Österreich, Europa und auf der ganzen Welt etwas
an unserer Jugend läge, dann gebe es nur den endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft. Die Ängste
und Sorgen der Menschen müssten endlich ernst genommen werden.
Bucher zeigte sich erstaunt, dass sich die SPÖ mit ihrem Verweis auf das Nein der Bevölkerung zum AKW-Zwentendorf
im Jahr 1976 von Bruno Kreisky, der das AKW errichten ließ, distanziere. Der BZÖ-Chef warf SPÖ
und ÖVP vor, in Österreich für einen Ausstieg aus der Kernenergie einzutreten, aber in Brüssel
unter dem Teppich zu kriechen und für den Ausbau zu stimmen.
Der Bündnisobmann verwies auf das BZÖ-Maßnahmenpaket für einen Ausstieg aus der Kernenergie
und für eine Energieautarkie des Landes. Österreich müsse als ersten Schritt sofort aus Euratom
aussteigen.
Die Grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig sagte, die Atomindustrie definiere das sogenannte
"Restrisiko" für nicht beherrschbare Unfälle so, dass statistisch gesehen alle 23 Jahre ein
Super-GAU in Kauf genommen werde. Das sei ethisch nicht vertretbar. Die schreckliche Atom-Katastrophe in Japan
zeige, dass Atomkraft nicht beherrschbar und der weltweite Ausstieg ohne Alternative sei. Der von der Bundesregierung
im Ministerrat beschlossene Aktionsplan beinhalte zwar kleine Schritte in die richtige Richtung, sei aber angesichts
der Atomkatastrophe in Japan zu wenig. Sie fordert die Bundesregierung auf, dafür zu sorgen, dass österreichische
Atomgeschäfte beendet werden. So sollen Unternehmen wie die Strabag von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen
werden, wenn sie am Bau von Atomkraftwerken beteiligt sind. Die Grünen erneuern ihre Kritik an den geplanten
AKW-Stresstests. Das ist ein trojanisches Pferd der Atomlobby, um Zeit zu gewinnen, bis Gras über die Katastrophe
von Japan gewachsen sei. |