Laszlo Köver zu Besuch im Parlament – Offene Gespräche unter Freunden im Parlament
Wien (pk) - Von den Maßnahmen zur Bewältigung der Wirtschaftskrise über die EU-Erweiterung
bis hin zur Atompolitik spannte sich der Bogen der Themen eines Gesprächs zwischen dem ungarischen Parlamentspräsidenten
Laszlo Köver und Nationalratspräsidentin Barbara Prammer am 24.05. im Parlament. Beide Seiten unterstrichen
zunächst die intensiven Beziehungen zwischen Österreich und Ungarn und erinnerten an die lange Tradition
des parlamentarischen Austauschs.
Laszlo Köver ging auf die grundsätzliche Haltung seines Landes zu den wesentlichen europäischen
Fragen ein und meinte, vor allem die aktuelle Wirtschaftskrise habe die gegenseitige Abhängigkeit, aber auch
die dramatischen Unterschiede der einzelnen EU-Staaten aufgezeigt. Es gelte nun insbesondere, in der Union gemeinsame
Lösungen zu finden, die die Unterschiede nicht noch weiter vergrößern, sondern vielmehr helfen,
diese abzubauen. Er sprach sich mit Nachdruck gegen eine gemeinsame EU-Steuerpolitik aus, die seiner Ansicht nach
den nationalen Spielraum noch stärker beeinträchtigen würde und deshalb für Ungarn derzeit
nicht akzeptabel wäre.
Was die EU-Erweiterung betrifft, war Köver einer Meinung mit Prammer hinsichtlich des Vorranges eines Beitritts
Kroatiens. Die Nationalratspräsidentin betonte in diesem Zusammenhang, der Weg Kroatiens in die EU sei geebnet,
und unterstrich ferner das Interesse Österreichs an einer weiteren Annäherung der Staaten des ehemaligen
Jugoslawien an die Union. Als wenig sinnvoll bezeichnete es Prammer allerdings, die Türen nach Brüssel
zu öffnen, ohne dass die notwendigen Vorarbeiten abgeschlossen sind.
Prammer sah wie ihr ungarischer Amtskollege vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise die EU besonders gefordert
und bemerkte, die Qualität der Union zeige sich vor allem in schwierigen Zeiten. Fest stand für sie dabei,
dass die Probleme der einzelnen Staaten ohne die Einbindung in die EU größer gewesen und viele – auch
Österreich – auf der Strecke geblieben wären. Die Nationalratspräsidentin untermauerte Köver
gegenüber die Forderung Österreichs nach Einführung einer EU-weiten Transaktionssteuer als, wie
sie sagte, Instrument, um der internationalen Finanzspekulation Einhalt zu gebieten.
Unter Hinweis auf die Katastrophe in Fukushima kam Prammer auch auf die Atomkraft zu sprechen und begrüßte
die Entscheidung der EU, sämtliche AKW einem Stresstest zu unterziehen als "Selbstverständlichkeit".
Österreich trete energisch gegen die Atomkraft ein, stellte Prammer unmissverständlich fest, mittel-
und langfristig werde es darum gehen, energiepolitische Lösungen zu entwickeln, die auch ohne Atomkraft auskommen,
gab sie zu bedenken.
Im Anschluss an die Gespräche mit Nationalratspräsidentin Barbara Prammer traf der ungarische Parlamentspräsident
Laszlo Köver mit Abgeordneten des EU-Unterausschusses des Nationalrats unter Leitung des Zweiten Nationalratspräsidenten
Fritz Neugebauer zu einem offenen Meinungsaustausch zusammen, in dessen Mittelpunkt vor allem auch die aktuelle
politische Lage in Ungarn stand.
Köver, der von Abgeordneten des ungarischen Parlaments begleitet wurde, informierte zunächst über
den Gang der Verfassungsreform und betonte, Ziel sei es, eine moderne Verfassung zu erarbeiten, die auf dem Grundsatz
einer parlamentarischen Republik mit schwachen Kompetenzen des Präsidenten aufbaut. Die Ausrichtung Ungarns
werde jedenfalls demokratisch sein, stellte er klar.
In der Diskussion wurde Köver von Abgeordnetem Kai Jan Krainer (S) auf die aktuelle Lage in Ungarn und auf
Medienberichte über eine Spaltung und Radikalisierung der ungarischen Gesellschaft angesprochen. Abgeordneter
Harald Stefan (F) meinte, man solle die Medienberichte nicht überbewerten, Tatsache sei, dass Ungarn im Rahmen
der von den EU-Verträgen festgelegten Grundsätze agiere. Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) wiederum
unterstrich die guten Kontakte der Regierungen aber auch der Bevölkerungen beider Länder und thematisierte
überdies die Atompolitik, wobei er zu einer bilateralen Kooperation hinsichtlich der Entwicklung erneuerbarer
Energien aufrief.
Laszlo Köver machte auf das für Ungarn schwierige wirtschaftliche Umfeld aufmerksam und gab zu bedenken,
die aktuelle Krise habe zu einer Verstärkung der ökonomischen Gegensätze in der Bevölkerung,
aber auch unter den einzelnen Regionen geführt. Die Notlage sei wiederum ein Nährboden für radikale
politische Kräfte. Kritik seitens der EU an jüngsten Entwicklungen in Ungarn hielt Köver nicht für
angebracht, er meinte vielmehr, Ungarn habe im Jahr 2000 auch keinerlei Verständnis für die kritische
Haltung der EU-14 im Gefolge der damaligen Regierungsbildung in Wien gezeigt. |