Brüssel (ec.europa) - In Notfällen und Krisen, wie wir sie in jüngster Zeit in Japan,
Libyen oder Ägypten erlebt haben, können sich EU-Bürger an das Konsulat oder die Botschaft jedes
beliebigen EU-Staats wenden, wenn ihr Land in dem fraglichen Staat keine Vertretung hat. Die EU-Mitgliedstaaten
sind verpflichtet, Bürger anderer EU-Staaten wie ihre eigenen Staatsangehörigen zu evakuieren. Die EU-Verträge
und die EU-Grundrechtecharta garantieren dieses Recht, das eine wesentliche Komponente der EU-Bürgerschaft
ist. Der konsularische Schutz erstreckt sich auch auf die üblicheren Probleme, wie den Diebstahl des Reisepasses,
einen schweren Unfall oder eine ernste Erkrankung. Viele Europäer sind sich allerdings dessen nicht bewusst.
Da immer mehr EU-Bürger im Ausland leben oder arbeiten und ins Ausland reisen – jährlich reisen mehr
als 90 Mio. Europäer in ein Land außerhalb der EU und rund 30 Mio. EU-Bürger leben außerhalb
der EU –, wird eine bessere Information immer wichtiger. In ihrer heute vorgelegten Mitteilung über den konsularischen
Schutz in Drittländern listet die Europäische Kommission konkrete Maßnahmen zur Aufklärung
der EU-Bürger über ihre Rechte auf. Im kommenden Jahr wird die Kommission Koordinierungsmaßnahmen
vorschlagen, die den Konsularschutz der Bürger verbessern sollen. Zudem hat sie eine Website speziell für
den konsularischen Schutz eingerichtet. Auf dieser Website sind die Anschriften der konsularischen und diplomatischen
Vertretungen in Ländern außerhalb der EU und Links zu den Reisehinweisen aller Mitgliedstaaten zu finden.
„Die Menschen in Japan und Libyen werden in dieser Zeit des nationalen Notstands tatkräftig von Europäern
unterstützt,“ so Vizepräsidentin Viviane Reding, EU-Kommissarin für Justiz. „Inmitten dieser Herausforderungen
erleben wir die Solidarität der Europäer in der Praxis. Die Mitgliedstaaten versuchen mit vereinten Kräften,
die Staatsangehörigen aller Mitgliedstaaten in Sicherheit zu bringen. Da immer mehr EU-Bürger im Ausland
arbeiten und dorthin reisen, müssen alle darüber informiert werden, wo und wie sie in Krisen Hilfe erhalten,
ganz gleich, wo in der Welt sie sind und welche Staatsangehörigkeit sie haben.“
Die Zahl der EU-Bürger, die in Drittländer reisen, ist von etwas mehr als 80 Millionen im Jahr 2005 auf
über 90 Millionen im Jahr 2008 gestiegen. Über 30 Millionen Unionsbürger haben sich in einem Drittland
fest niedergelassen, doch in nur drei Ländern (USA, China, Russland) sind alle 27 Mitgliedstaaten diplomatisch
vertreten.
Meinungsumfragen zeigen, dass die Europäer große Erwartungen in die Hilfe im Ausland setzen. 62 % erwarten
von den Botschaften eines anderen EU-Landes dieselbe Art von Hilfe wie von ihrer eigenen Botschaft (siehe Anhang).
Allerdings wissen viele EU-Bürger und Konsularbeamte nicht, dass die EU-Bürger Anspruch auf einen solchen
Schutz haben. Daher wird die Kommission die Betreffenden verstärkt darüber informieren, dass EU-Bürger
andere Botschaften bzw. Konsulate um Hilfe ersuchen können, wo sie Hilfe erhalten und welche Leistungen sie
in Anspruch nehmen können. Die Mitgliedstaaten könnten ihren Staatsbürgern bei der Ausstellung neuer
Reisepässe entsprechende Informationen an die Hand geben. 20 Mitgliedstaaten1 haben dies bereits in die Wege
geleitet.
Die jüngsten Ereignisse in Japan, Libyen und Haiti haben gezeigt, wie wichtig in Krisen die konsularische
Betreuung Staatsangehöriger anderer Mitgliedstaaten ist, die im Ausland gestrandet sind. Als die Krise in
Libyen losbrach, hielten sich 6 000 EU-Bürger dort auf. Doch nur acht Mitgliedstaaten haben Vertretungen in
diesem Land. Am 9. März 2011 befanden sich immer noch 1 345 EU-Bürger in Libyen. Die Hilfe wurde über
Telekonferenzen und gesicherte Websites des Gemeinsamen Lagezentrums der EU koordiniert. Die Mitgliedstaaten stellen
Rückkehrausweise für die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten aus und fliegen sie aus Libyen
aus. Als Haiti, wo nur die Hälfte der EU-Länder diplomatische Vertretungen hat, 2010 von einem Erdbeben
heimgesucht wurde, hielten sich dort rund 2 700 EU-Bürger auf. In Japan, wo alle Mitgliedstaaten außer
Malta und Zypern über eine Vertretung verfügen, haben sich rund 1 000 Bürger mit den nationalen
Konsulaten in Verbindung gesetzt und um Hilfe bei der Ausreise aus Japan gebeten. Deutschland evakuierte eigene
Staatsangehörige und mindestens 18 Staatsangehörige anderer EU-Länder mit einem gecharterten Bus
aus der Stadt Sendai.
Die europäische Solidarität ist in diesen Notsituationen dringend notwendig. In Libyen handelte die EU
schnell und leitete das Verfahren der Zusammenarbeit für den Katastrophenschutz ein, über das die Evakuierungsmaßnahmen
koordiniert und die Transportkosten bezuschusst werden. So evakuierte beispielsweise Ungarn 29 Rumänen, 27
Ungarn, 20 Bulgaren, acht Deutsche, sechs Tschechen und sechs Staatsbürger anderer EU-Länder und sonstiger
Länder aus Tripolis. Kein EU-Bürger soll zurückgelassen werden. Auch die EU-Delegationen, die zum
Europäischen Auswärtigen Dienst gehören, können helfen, die Bürger besser über den
Schutz und die Unterstützung zu informieren, den bzw. die die Mitgliedstaaten bieten. Das haben sie während
der Krise im Gazastreifen 2009 bereits auch getan, als dank der Unterstützung durch die Delegation fast 100
Personen in gepanzerten Bussen evakuiert werden konnten.
Der konsularische Schutz ist in einer Krise unerlässlich, aber auch in alltäglicheren Situationen haben
die Bürger Anspruch darauf, beispielsweise beim Verlust oder Diebstahl des Reisepasses, bei einem schweren
Unfall, einer ernsten Erkrankung oder einem Gewaltverbrechen. Die Mitgliedstaaten haben allerdings ihre eigenen
Konsulargesetze. Je nachdem, an welchen Mitgliedstaat ein Unionsbürger sich wendet, kann der Schutz daher
unterschiedliche Formen annehmen. Manche Mitgliedstaaten gewähren in begrenztem Umfang finanzielle Vorleistungen
(z. B. zur Bezahlung eines Heimflugs oder eines Hotelaufenthalts). Ein Hilfe leistender Mitgliedstaat muss das
Heimatland des Betroffenen um vorherige Genehmigung ersuchen. Letzteres Land muss den Betrag dann erstatten und
kann später von dem betreffenden Staatsbürger eine Rückzahlung verlangen.
Die Mitgliedstaaten erhalten auch im Falle der Evakuierung von nicht vertretenen EU-Bürgern einen finanziellen
Ausgleich. In der Praxis werden allerdings die Kostenerstattungsregeln oft nicht angewandt. Die Kommission prüft,
wie die Erstattung erleichtert und die Verfahren vereinfacht werden können, damit auch die nicht vertretenen
EU-Bürger gleichermaßen geschützt werden und die Mitgliedstaaten darin bestärkt werden, sich
in Krisen, in denen ihre eigenen Staatsangehörigen nicht betroffen sind, stärker für die anderer
Mitgliedstaaten einzusetzen.
Die Kommission wird in den kommenden zwölf Monaten Legislativvorschläge vorlegen, die Folgendes zum Ziel
haben:
- Verbesserung der Rechtssicherheit, was den Umfang des konsularischen Schutzes, die Bedingungen und Verfahren
anbelangt, und Optimierung der Ressourcennutzung, auch in Krisenzeiten;
- Einleitung der Koordinierungs- und Kooperationsmaßnahmen, die zur Erleichterung des üblichen konsularischen
Schutzes nicht vertretener EU-Bürger erforderlich sind, und Regelung des finanziellen Ausgleich für den
konsularischen Schutz in Krisensituationen.
Hintergrund
Die EU-Verträge garantieren allen EU-Bürgern das Recht auf Gleichbehandlung, was den Schutz durch diplomatische
und konsularische Behörden der Mitgliedstaaten anbelangt, wenn sie in Länder außerhalb der EU,
in denen ihr Land nicht vertreten ist, reisen oder dort leben (siehe Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c und Artikel
23 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie Artikel 46 der EU-Grundrechtecharta).
In kaum einem Land der Welt sind alle EU-Staaten vertreten.
Im Bericht über die Unionsbürgerschaft vom Oktober 2010 erklärte die Kommission ihre Absicht, Legislativmaßnahmen
vorzuschlagen und die Bürger über eine Website und durch gezielte Kommunikationsmaßnahmen besser
zu informieren, um das Recht der Unionsbürger auf Unterstützung in Drittländern - auch in Krisenzeiten
- durch die diplomatischen und konsularischen Behörden aller Mitgliedstaaten zu stärken.
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