Kulturverhalten in der Schweiz   

erstellt am
11. 04. 11

Vertiefende Analyse der Erhebung 2008 – Kulturelle Beteiligung weit verbreitet, jedoch unterschiedlich ausgeprägt
Neuchâtel (bfs) - In der Schweiz erreichen viele kulturelle Aktivitäten eine hohe Teilnahmequote. Sie werden jedoch von den verschiedenen Bevölkerungsgruppen unterschiedlich ausgeübt. Diese Unterschiede sind auf soziodemografische Faktoren zurückzuführen, insbesondere was die Häufigkeit der Ausübung betrifft. Bei den 75-jährigen und älteren Personen, den Personen mit eher tiefem Ausbildungsniveau sowie den Haushalten mit einem geringen Einkommen gibt es mehr Personen, die nicht an kulturellen Aktivitäten teilnehmen als bei anderen Bevölkerungsgruppen. Die vom Bundesamt für Statistik (BFS) publizierte vertiefende Analyse ergänzt und nuanciert die ersten Ergebnisse, wobei neue Aspekte untersucht werden.
Die Erhebung 2008 wurde bei einer Stichprobe der ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz durchgeführt. Es handelt sich dabei um die erste gesamtschweizerische Erhebung zum Kulturverhalten seit 20 Jahren. Nachdem im Sommer 2009 bereits die ersten Ergebnisse publiziert wurden, untersucht die vorliegende Studie alle in der Erhebung enthaltenen Aktivitäten einschliesslich Printmedien und audiovisueller Medien vertieft. Es werden neue Querschnittsaspekte behandelt wie beispielsweise die Kumulation kultureller Aktivitäten und ihr jeweiliger Zusammenhang, der Einfluss der familiären Herkunft sowie die "kulturellen Welten" der verschiedenen Bevölkerungsgruppen.

Teilweise grosse Unterschiede
2008 besuchte ein Grossteil der Schweizer Wohnbevölkerung (93%) mindestens eine Kulturinstitution. Etwas weniger Personen übten eigene kulturelle Aktivitäten aus (62%). Diese Zahlen variieren jedoch je nach soziodemografischem Profil sehr stark. Besonders deutlich sind die Unterschiede beim Ausbildungsniveau ersichtlich: 81 Prozent der Personen mit Tertiärausbildung besuchten 2008 ein Konzert gegenüber weniger als 40 Prozent der Personen mit Abschluss der Sekundarstufe I. Auch nach Sprachregionen unterscheiden sich die Teilnahmequoten: 44 Prozent der Deutschweizerinnen und Deutschschweizer waren 2008 im Theater gegenüber 31 Prozent der Tessinerinnen und Tessiner. Eigene kulturelle Aktivitäten betreiben zwar weniger Personen, jene dafür häufiger. Auch hier spielt das soziodemografische Profil eine entscheidende Rolle: Nahezu 30 Prozent der Personen mit Tertiärabschluss widmen sich der Amateurfotografie gegenüber weniger als 10 Prozent der Personen mit Abschluss der Sekundarstufe I. Frauen sind in einigen wenigen kulturellen Aktivitäten leicht übervertreten: Tanz- und Ballettaufführungen, Bibliotheken und Mediotheken, das Lesen von Büchern und Zeitschriften sowie die Ausübung gewisser eigener kulturellen Aktivitäten, wobei bei den technischen Aktivitäten (Fotografieren, Filme oder Videos drehen) wiederum mehr Männer anzutreffen sind. Personen mit hohem Ausbildungsniveau, Personen mit hohem Haushaltseinkommen, unter 30-Jährige sowie Stadtbewohnerinnen und -bewohner kumulieren einen häufigen Besuch mit einem breiten Spektrum von Kulturinstitutionen.

Ziemlich unterschiedliche "kulturelle Welten" in der Schweiz
Das Ausbildungsniveau und das Haushaltseinkommen, aber auch das Alter und in geringerem Ausmass das Geschlecht prägen die "kulturellen Welten", das heisst, das Spektrum der getätigten kulturellen Aktivitäten. Die 15- bis 29-Jährigen bevorzugen bestimmte Musikrichtungen ("Rock, Pop" und "Dance, House, Techno"), bestimmte Kulturinstitutionen (Kino, Konzerte, Festivals, Bibliotheken und Mediotheken) und die "neuen Medien" (Internet, MP3-Player). Demgegenüber ist das Kulturverhalten der 45- bis 59-Jährigen geprägt von der täglichen Nutzung "traditioneller" Medien (Radio, TV), vom Besuch von "klassischeren" Kulturinstitutionen (Theater, Konzerte mit klassischer Musik, Museen, Kunstausstellungen oder -galerien), von Musikstilen wie "Jazz, Blues, Soul" sowie vom häufigen Lesen von Büchern oder Zeitungen.

Eine Tertiärbildung relativiert den Einfluss des Ausbildungsniveaus der Eltern
Die Ergebnisse relativieren teilweise das Gewicht des familiären Hintergrunds und bestätigen gleichzeitig die Bedeutung des Ausbildungsniveaus der befragten Personen. So besteht bei Personen mit Abschluss der Sekundarstufe II beim Besuch von Kulturinstitutionen, bei der Mediennutzung und bei eigenen kulturellen Aktivitäten ein Zusammenhang mit dem Ausbildungsniveau der Eltern. Bei Personen mit Tertiärbildung hingegen hat das Ausbildungsniveau der Eltern nur einen geringen Einfluss. Eine Tertiärausbildung fördert somit den Zugang zu Kultur und macht ihn weniger abhängig vom familiären Hintergrund.
     
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