EU-Unterausschuss beschließt Antrag auf Mitteilung
Wien (pk) - Die geplante Verwendung von Fluggastdatensätzen (PNR-Daten) innerhalb der EU als
zusätzliches Mittel im Kampf gegen Terrorismus und schwere Kriminalität wird von österreichischer
Seite mit großer Skepsis gesehen. Das machten Abgeordnete aller Fraktionen sowie Innenministerin Maria Theresia
Fekter im EU-Unterausschuss des Nationalrats klar. Vor allem äußerten die Ausschussmitglieder Sorge
wegen unverhältnismäßiger Grundrechtseingriffe, die mit der Umsetzung des Vorhabens verbunden wären.
Grundlage für die Diskussion war der diesbezügliche Richtlinien-Entwurf der Kommission.
Fekter formulierte demnach drei Rahmenbedingungen für eine etwaige Unterstützung Österreichs: Die
Lösung müsse grundrechtlich ausgewogen sein; die Verwendung der Daten müsse für die Terrorismus-
und Kriminalitätsbekämpfung einen signifikanten operativen Mehrwert bringen und der finanzielle und personelle
Mehraufwand müsse im Einklang mit dem Nutzen stehen. Man habe daher von der EU umfangreiche Unterlagen zur
Prüfung angefordert, berichtete Fekter, und betonte, dass sie in dieser Frage eng mit dem Datenschutzrat und
den Sozialpartnern zusammenarbeite.
In einem von SPÖ und ÖVP angenommenen Antrag auf Mitteilung und Stellungnahme wird das Spannungsverhältnis
zwischen dem Sicherheitsbedürfnis und dem Grundrecht auf Privatleben und Datenschutz, das auch in der EMRK
und der Grundrechte-Charta verankert ist, angesprochen. Nach Meinung der AntragstellerInnen liefert der Richtlinienvorschlag
der Kommission derzeit noch keine hinreichende Begründung für die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit
eines solchen Grundrechtseingriffs. Im Antrag wird auch auf die Stellungnahme des Datenschutzrats hingewiesen.
Dieser hat vor schwerwiegenden Grundrechtseingriffen gegenüber zahlreichen, völlig unbescholtenen BürgerInnen
gewarnt und unter anderem geltend gemacht, dass weder die Eignung noch die Notwendigkeit derartiger Maßnahmen
nachgewiesen werden konnten. Der Datenschutzrat hält auch die lange Speicherdauer von fünf Jahren für
unverhältnismäßig und weist darauf hin, dass unabhängige und wirksame Kontrollen und Rechtsschutzmechanismen
fehlen.
Für die Grünen war diese Formulierung unzureichend. In ihrem Antrag auf Stellungnahme fordern sie, die
Stellungnahme des Datenschutzrats vollinhaltlich zu berücksichtigen und den EU-Vorhaben im Rat keine Zustimmung
zu geben. Der Antrag wurde jedoch von den Koalitionsparteien abgelehnt und blieb somit in der Minderheit.
Ebenso abgelehnt von SPÖ und ÖVP wurde der Antrag der FPÖ auf Ausschussfeststellung. Darin wird
festgehalten, dass der EU-Vorschlag strikt abzulehnen sei, nicht nur in Hinblick auf die Argumente des Datenschutzrates
sondern auch im Interesse der Begrenzung von Bürokratie auf EU-Ebene und der Forcierung innerstaatlicher Regelungen.
Der Vorschlag der Kommission
Bei dem gegenständlichen Vorhaben der EU handelt es sich um die Umsetzung einer Forderung des Europäischen
Rats im so genannten "Stockholmprogramm" (Mehrjahresprogramm für den
Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts), betonte Fekter, außerdem würden bereits heute Fluggastdaten
von EU-BürgerInnen von den Strafverfolgungsbehörden einzelner Drittstatten (USA, Kanada und Australien),
mit denen die EU entsprechende Abkommen abgeschlossen hat, verarbeitet.
Die Fluggesellschaften müssen die PNR-Daten von Fluggästen, die sie für ihre eigenen geschäftlichen
Zwecke erheben, den zuständigen Behörden in den USA sowie in Kanada und Australien übermitteln.
Ein EU-weites System zur Erfassung, Verarbeitung und zum Austausch von Fluggastdaten für den Kampf gegen Terrorismus
und schwere Kriminalität besteht derzeit jedoch nicht. Dennoch verfügen einige Mitgliedstaaten der EU
derzeit schon über ein funktionierendes System. Schweden, Belgien und Großbritannien zum Beispiel hätten,
vor allem im Bereich der Drogenfahndung, große Erfolge erzielen können, die nur auf diese Form der Täterverfolgung
zurückzuführen sei, zitierte Fekter einige Berichte dieser Staaten. Nach den verheerenden Anschlägen
in London und Madrid sei die EU nun bestrebt, EU-weit Passagierdaten abzugleichen. Die neue EU-Richtlinie soll
den rechtliche Rahmen für die Verwendung von PNR-Daten durch die Strafverfolgungsbehörden der EU-Mitgliedstaaten
schaffen, wobei der Schwerpunkt der Täterverfolgung nicht nur im Drogenhandel liegen soll, sondern man sich
Erfolge auch bei der Verfolgung des Menschenhandels und Kindesmissbrauchs im Ausland erhoffe.
So ist vorgesehen, dass die Fluggesellschaften die ihnen vorliegenden PNR-Daten im Voraus (24 bis 48 Stunden vor
Abflug) sowie nach Abfertigungsschluss einer in jedem Mitgliedstaat eingerichteten PNR-Zentralstelle ("Passenger
Information Unit" - PIU) übermitteln. Dort soll aus den vorhandenen Daten zum Zweck der Terrorismusbekämpfung
und der Bekämpfung schwerer Kriminalität das Risikopotential von Fluggästen eruiert bzw. ein Abgleich
mit einschlägigen
Fahndungsdatenbanken durchgeführt werden. Die Systemarchitektur ist dezentral aufgebaut, d. h. jeder EU-Mitgliedstaat
muss eine eigene Zentralstelle (PIU) aufbauen. EU-interne Flüge sind laut Vorschlag nicht erfasst.
Die Innenministerin machte darauf aufmerksam, dass es innerhalb der Mitgliedsstaaten noch große inhaltliche
Divergenzen zur Frage der Etablierung eines zentralen oder dezentralen Systems gebe. Man sei sich auch hinsichtlich
der Speicherdauer und der Frage, ob europäische Binnenflüge miteinbezogen werden sollen, uneinig. Die
Materie werde am kommenden Montag auf der Tagesordnung des Rats stehen. Sollte man sich in der nächsten Zeit
nicht einigen können, bestehe die Gefahr, dass die EU-Kommission einen Verordnungsvorschlag vorlegt, der dann
direkt in den Mitgliedstaaten anzuwenden wäre. Da all diese Fragen mit Mehrheit entschieden werden können,
werde sich Österreich Verbündete suchen, einen wichtigen Verbündeten habe man jedenfalls im Europäischen
Parlament.
Einheitliche Front gegen Kommissions-Vorschlag
In der Diskussion wurde die parteienübergreifende Skepsis gegenüber dem Kommissionsvorschlag deutlich.
So unterstützte etwa Abgeordneter Johann Maier (S) die zurückhaltende Stellungnahme der Innenministerin
und sprach die schwierige Gratwanderung zwischen Sicherheitsbedürfnis und Grundrechtsschutz an. Der EU-Kommission
sei es bislang nicht gelungen, die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs
nachweisen zu können, kritisierte er, es fehle nach wie vor ein Gutachten der Kommission, ob der Rechtsakt
mit dem Vertrag von Lissabon und der Grundrechte-Charta im Einklang stehe. Die Höhe der Kosten für die
gewünschten Systeme zwischen 330 Mill. € und über 600 Mill. € sei schwer nachzuvollziehen, sagte Maier.
Außerdem sei es unbedingt erforderlich, dass die Verwendung personenbezogener Daten durch ein Gericht bzw.
eine unabhängige Stelle kontrolliert wird. Das zentrale Problem des Kommissionsentwurfs liege klar im Grundrechtsbereich.
Der Datenschutzrat habe deshalb auch dem Innenressort empfohlen, unter bestimmten Voraussetzungen gegen die Initiative
der EU einzutreten. Maier wies zudem darauf hin, dass offensichtlich auch eine Einbeziehung der Passagierdaten
von Schifffahrt sowie Bahn- und Busreisen angedacht sei. Das wäre eine totale Überwachung aller Reisebewegungen,
warnte Maier.
Ähnlich argumentierte Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V). Wenn man sämtliche Fluggastdaten speichern
könne, dann sei logisch nicht mehr zu erklären, warum man dies nicht auch bei Daten von Schiffs-, Bahn-
und Busreisenden und schließlich PKW-LenkerInnen machen könne, befürchtete er. Er räumte jedoch
ein, dass man derzeit vor einem unzumutbaren Zustand stehe, nachdem Fluggastdaten an Staaten außerhalb der
EU übermittelt werden. Schüssel plädierte dafür, sich grundsätzlich zu fragen, ob der
von der EU angepeilte Weg tatsächlich dem Grundverständnis einer freiheitlich-demokratischen Ordnung
entspricht. Er bezweifelte überdies, dass das gigantische Volumen von Daten noch überblickbar und kontrollierbar
sein kann.
Diese Meinung wurde auch von Abgeordnetem Harald Stefan (F) geteilt. Dieses überschießendes Sammeln
von Daten geht seiner Ansicht nach viel zu weit. Abgeordneter Gerhard Huber (B) trat dafür ein, alles zu unternehmen,
um das Vorhaben der EU zu verhindern, und forderte die Ministerin auf, die Stellungnahme des Datenschutzrats voll
zu unterstützen.
Eine klare Ablehnung kam auch von den Grünen. Ihr Abgeordneter Albert Steinhauser (G) warnte vor einer präventiven
Speicherung von Daten, da dies zum Großteil unbescholtene BürgerInnen treffen würde. Er hielt es
auch für gefährlich, die Daten zu interpretieren, denn damit steige das Risiko enorm, dass Unschuldige
ins Visier der Behörden kommen. Der Grundrechtseingriff sei unverhältnismäßig, stellte Steinhauser
fest und zog auch einen Vergleich zu der von ihm abgelehnten Vorratsdatenspeicherung. Diese zeige, dass dann nicht
mehr nur schwere Straftaten einbezogen werden sondern sich die Ermittlungen bald auf andere Tatbestände ausweiten.
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