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Vizekanzler Pröll zog sich aus der Politik zurück |
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Am Vormittag des 13.04. berief Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll eine Pressekonferenz
im Finanzministerium ein. Bis kurz zuvor war man davon ausgegangen, daß er nach seiner vierwöchigen
Abwesenheit aus der Politik mit neuem Schwung zurückkehren, die Amtsgeschäfte wieder aufnehmen und neue
Strategien für seine ÖVP bekanntgeben würde. Pröll war am 18. März mit einer Lungenembolie
in eine Innsbrucker Klinik eingeliefert worden - heute ist man sich ziemlich sicher, daß sie von den - im
Sinne des Wortes - ununterbrochenen Flugreisen ausgelöst worden war (ein Lungeninfarkt setzt einen Teil der
Lunge außer Funktion). Während der ersten zwei Wochen war kaum etwas über Prölls Zustand und
seine weiteren Pläne an die Öffentlichkeit gelangt. Nur soviel, daß es ihm "den Umständen
entsprechend" gut gehe. Auch wenn es glücklicherweise bei uns nicht üblich ist, tief in die Privatsphäre
einzudringen (wie dies in manch anderen Ländern üblich ist) wurde immerhin spekuliert, wie es denn mit
dem Vizekanzler und der derzeit angeschlagenen ÖVP weitergehen könne. Viele Kommentatoren wußten
bereits, wie Pröll Regierungsteam und Parteispitze umbauen würde. Aber womit wohl kaum jemand gerechnet
hatte, erklärte Pröll am Vormittag des 13.04.: Seine Ärzte hätten ihn auf das immense Risiko
hingewiesen, das er einginge, würde er sich nicht zurücknehmen. Es sei gar nicht so selbstverständlich,
dass man das so offen sagen könne. Nach zwei Trombosen und einem Lungeninfarkt, den er als Warnschuss und
Zäsur empfunden habe, hätte er begonnen, über seine politische Arbeit, seine Ziele und meine Zukunft
nachzudenken. Die letzten drei Jahre seien sehr stark und von besonderer Intensität geprägt gewesen. Wir hätten die Krise besser bewältigt als andere und auch schneller. Es sei dafür aber viel eingesetzt worden, politisch und er, Pröll, auch persönlich vom Arbeitsaufwand her. Und trotz all des Erreichten sei er zu der Überzeugung gelangt, daß es ihm nicht mehr möglich sei, jenen Einsatz, den seine Verantwortung verlange, voll leisten zu können. Am folgenden Tag werde er daher im ÖVP-Präsidium über seine Nachfolge beraten. Einige Stunden hindurch überholten einander die Meldungen, wer wohl Pröll in den von ihm bis zu diesem Zeitpunkt wahrgenommenen Funktionen nachfolgen würde, immerhin war er Vizekanzler, Finanzminister und ÖVP- Bundesparteiobmann. Einer der am meisten genannten Vermutungen bewahrheitete sich dann am 14.04., als Pröll in einer weiteren Pressekonferenz seinen Nachfolger als Obmann vorstellte: Außenminister Michael Spindelegger, der, wie er sagte, "einen großen Auftrag" übernommen habe und sich ich freue, dass ihm der der Bundesparteivorstand einstimmig das Vertrauen für diese wichtige Aufgabe geschenkt habe. "Anstand und Stillstand" seien jene zwei Schlagwörter, die Josef Pröll in seiner Rücktrittsrede am 13.04. als mahnende Punkte genannt habe, und die der geschäftsführende ÖVP-Chef Spindelegger für seine zukünftige Aufgabe aufnehmen möchte: Anstand müsse die Leitlinie sein, nicht nur für die ÖVP, sondern für die Politik generell. Der Stillstand habe zu vieler und berechtigter Kritik geführt. Hier müsse es Bewegung geben, es brauche Modernisierung und Gestaltung, damit Österreich vorangetrieben werden könne, so Spindelegger, dessen Gestaltungswille unmittelbar mit dem Umbau des Regierungsteams und der Parteispitze gefordert war bzw. ist. Nachdem Spindelegger eindeutig als ÖVP-Obmann und Vizekanzler fungieren und auch sein Amt als Außenminister behalten wird, gilt es, durch Prölls Rückzug, auch den Ressortchef des Finanzministeriums neu zu besetzen. Dafür werden mehrere Namen genannt, allen voran aber jener der derzeitigen Innenministerin Maria Fekter. Als deren NachfolgerIn wiederum wir meist die NÖ Landesrätin Johann Mikl-Leitner genannt. Im Zuge dieser Umbildung rechnet man allgemein damit, daß Fritz Neugebauer, Zweiter Präsident des Nationalrates, und Justizministerin Claudia Bandion-Ortner abgelöst werden könnten. Spindelegger hat angekündigt, im Laufe der kommenden Woche sein neues Regierungsteam vorzustellen. Er selbst wird schon am Gründonnerstag von Bundespräsident als Vizekanzler angelobt werden. Im Mai wird er sich dann an einem ÖVP-Parteitag der Wahl zum Obmann stellen (er ist ja jetzt "nur" designiert). Bundeskanzler Werner Faymann begrüßte die Entscheidung des Koalitionspartners, Spindelegger zum Parteiobmann und Vizekanzler zu designieren. Mit ihm als Außenminister habe er schon bisher gut zusammengearbeitet. Er, Faymann, sei überzeugt davon, dass mit Michael Spindelegger der konstruktive Kurs in der Bundesregierung im Interesse des Landes fortgesetzt werde und dass die kommenden Aufgaben gemeinsam bewältigen werden könnten. Der Bundeskanzler dankte Vizekanzler Josef Pröll für die gute Zusammenarbeit und würdigte seine Verdienste für das Land sowie dessen Engagement in der Bundesregierung. Er nehme die Entscheidung von Josef Pröll selbstverständlich mit großem Respekt zur Kenntnis. Nur er alleine habe zu entscheiden, wie er im Interesse seiner Gesundheit sein künftiges Leben gestalten wolle. Er stehe aber nicht an, gerade an diesem Tag sich für die besonders gute Zusammenarbeit mit Josef Pröll zu bedanken. Es tue ihm auch leid, daß er aus gesundheitlichen Gründen diese schwere Entscheidung zu treffen gehabt habe, weil man doch in sehr schwierigen Zeiten, immerhin in der schwersten Wirtschaftskrise seit 1945, das Land zu führen gehabt habe. Die bisher erfolgreiche Regierungsarbeit werde im Interesse des Landes weiter fortgesetzt. Es seien Reformen umzusetzen, die keinen Stillstand duldeten. Die Bundesregierung sei so stabil, dass die Regierung auch nach der personellen Umbesetzung durch den Koalitionspartner fortgeführt werden werde. Er könne garantieren, dass sein Regierungsteam unverändert bleibe, so der Bundeskanzler abschließend. Für FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache ist der designierte ÖVP-Obmann Spindelegger ein parteipolitisch eher unbeschriebenes Blatt. Daher werde man ihn erst in seiner neuen politischen Funktion beurteilen können, wenn Spindelegger seine Haltung zu den wichtigen politischen Fragen definiere und die ÖVP inhaltlich ausrichtee. Bislang sei Spindelegger eher damit aufgefallen, nicht wirklich aufzufallen. Als Außenminister sei es vielleicht möglich, eine diplomatische Allerweltshaltung einzunehmen, als Obmann und Vizekanzler werde er hingegen klar Positionen beziehen müssen und daran zu messen sein, betonte Strache. Auch das eigene Haus sauber zu machen und zu halten, werde eine der Primäraufgaben Spindeleggers sein, so Strache in Anspielung auf die jüngsten Probleme innerhalb der ÖVP. Der freiheitliche Generalsekretär Herbert Kickl meinte zur Umbildung des ÖVP-Regierunsteams, mit dem Austausch einiger Schauspieler werde das Stück nicht besser. Es sei der Volkspartei und ihrem neuen Chef Spindelegger daher dringend nahezulegen, weniger auf die Bünde, Personen und Seilschaften Rücksicht zu nehmen, sondern die Interessen der Österreicher und des Landes in den Vordergrund zu stellen. BZÖ-Bündnisobmann Josef Bucher sagte, die ÖVP-Parteispitze habe sich auf einen bloßen Hüter des Stillstands geeinigt, der die Schwarzen nicht aus ihrer Krise führen werde. Spindelegger stehe für alles und nichts und symbolisiere den Zustand dieser Partei. Er sei lediglich ein braver Parteisoldat ohne Orientierungssinn und ein Bündler ohne jeglichen Reformgeist, ohne Drive - dafür hänge er aber am Gängelband von Erwin Pröll und Christian Konrad (Anm.: NÖ Landeshauptmann bzw. Raiffeisen-Generalanwalt). Mit diesen Voraussetzungen werde ein VP-Neustart nicht gelingen. Sollte Spindelegger und mit ihm die gesamte rot-schwarze Bundesregierung bei der Nationalratssitzung am 28. April nicht inhaltlich geschärft, sondern lediglich personell aufgestockt im Parlament erscheinen, werde das BZÖ diese SPÖ-ÖVP-Regierung gleich einmal mit einem Mißtrauensantrag begrüßen. Grünen-Chefin Eva Glawischnig wünschte Michael Spindelegger viel Kraft für seine neue Aufgabe. Wie sein Vorgänger werde er wohl auf eine Betonmauer in der eigenen Partei stoßen. Er werde daran zu messen sein, ob es ihm gelinge, diese Mauern einzureißen. Die Zeichen dafür stünden allerdings nicht besonders gut, so Glawischnig, die betonte, dass sie Spindelegger als "im persönlichen Umgang freundlichen, ruhigen Gesprächspartner" kenne und schätze. Er habe als Außenminister bisher keine politischen Fehler gemacht. Das sei anzuerkennen. Politisch Position bezogen habe Spindelegger vor allem als ÖAAB-Obmann. In Fragen wie Integration und Zuwanderung habe der ÖVP-Politiker wirtschaftspolitische Vernunft bewiesen und mit Vorstößen gegen die Parteilinie positiv überrascht. Im für Österreichs Zukunft wichtigen Bildungsbereich gehöre er mit seiner Ablehnung der Gemeinsamen Schule bis 14 leider zu den ÖVP-Blockierern. Da werden man noch einige heftige Diskussionen zu führen haben. |
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Siehe auch hier:: Josef Pröll ist zurückgetreten Michael Spindelegger folgt auf Josef Pröll als ÖVP-Parteiobmann Obmann-Wechsel in der ÖVP I Obmann-Wechsel in der ÖVP II |
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