Diskussionsveranstaltung im Parlament
Wien (pk) - Die demografische Entwicklung Österreichs vor dem Hintergrund steigender Lebenserwartung
und niedriger Geburtenraten stand am 11.04. im Mittelpunkt einer von der Journalistin Anneliese Rohrer moderierten
Diskussionsveranstaltung, zu der Nationalratspräsidentin Barbara Prammer in den Budgetsaal des Parlaments
eingeladen hatte. Ein Impulsreferat des Direktors des Wiener Instituts für Demografie Wolfgang Lutz gab dabei
den Anknüpfungspunkt für eine Publikumsdiskussion, bei der Vertreterinnen und Vertreter der Parlamentsfraktionen
ihre Standpunkte zur Frage "Österreich morgen. Welche Gesellschaft wollen wir ?" darlegten.
Wolfgang Lutz: Bildung als entscheidender Zukunftsfaktor
Wolfgang Lutz sah Österreichs Zukunft vor allem unter dem Blickwinkel der Bildung. Im globalen Wettbewerb
werden Investitionen in die Bildung der breiten Bevölkerung und gleichzeitig auch in die Spitzenforschung
der Schlüssel für die Sicherung unseres Wohlstandes sein, war er überzeugt. Die Statistik zeige,
dass Menschen mit mehr Bildung gesünder leben, in einem höherem Ausmaß und auch länger erwerbstätig
sind und damit mehr zum Wohlstand der Gesellschaft beitragen. Unverzichtbar sei die Bildung ferner für die
Integration der Zuwanderer. Schließlich führe Bildung auch, wie der Professor unter Hinweis auf ausländische
Beispiele betonte, zu mehr und besserer Demokratie. Ein Blick auf die Entwicklung der letzten Jahre legte für
Lutz den Schluss nahe, dass es nach einem anfänglichem Aufholprozess mittlerweile zu einer Stagnation im Bildungsbereich
gekommen sei.
Elisabeth Hakel: Mehr Chancengleichheit in der Bildung
Abgeordnete Elisabeth Hakel (S) brachte ihre Wünsche für das Österreich der Zukunft vor: In
20 Jahren sollte Österreich ein Vorzeigeland innerhalb der EU und beim PISA-Test Nummer 1 sein. Chancengleichheit
in der Ausbildung dürfe nicht mehr vom sozialen Umfeld abhängen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
sollte ebenso selbstverständlich sein wie die Väterkarenz, Kinderbetreuung dürfe kein Thema mehr
sein. Weiters meinte sie, sie wünsche sich, dass sie im Jahr 2030 keine Projekte mehr zum Thema Anti-Rassismus
veranstalten müsse.
Gabriele Tamandl: Unternehmen müssen familienfreundlicher werden
Abgeordnete Gabriele Tamandl (V) war sich des Stellenwerts der Bildung für die Zukunft Österreichs ebenfalls
bewusst, gab aber weiters zu bedenken, der Fokus in Richtung universitäre Bildung dürfe die Lehrausbildung
nicht in den Hintergrund drängen. Angesichts der immer flexibleren Arbeitszeiten brauche das Land darüber
hinaus auch flächendeckende, flexible Kinderbetreuungsangebote. Die Unternehmen wiederum forderte Tamandl
auf, kinder- und familienfreundlicher zu werden und auch Männern verstärkt die Chance zu geben, in Väterkarenz
zu gehen. Bei der Integration sei auf das Verständnis der Sprache wert zu legen, bloßes Urlauberdeutsch
reiche nicht aus, um im Erwerbsleben erfolgreich zu sein. Was die älteren Arbeitskräfte betrifft, mahnte
Tamandl, man könne nicht immer nur ein höheres faktisches Pensionsantrittsalter fordern, ohne den älteren
Menschen altersgerechte Arbeitsplätze anzubieten.
Anneliese Kitzmüller: familienfreundliche Steuern, qualifizierte Zuwanderung
Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (F) plädierte dafür, durch ein gerechteres Familiensteuersystem
Anreize zu schaffen, dass auch Österreicher mehr Kinder in die Welt setzen. Bei der Zuwanderung wiederum sei
ihrer Meinung nach stärker auf die Qualifikation abzustellen. In diesem Sinne gelte es, höhere Anforderungen
an die Migranten zu stellen. Wichtig war für Kitzmüller auch, dass das Bildungssystem durch die Zuwanderung
keinen Einbruch erleide. Anliegen Kitzmüllers war überdies die Förderung des ländlichen Raums,
um der Abwanderung in die Ballungszentren entgegenzuwirken.
Karl Öllinger: Vermögen darf nicht über Zukunftschancen entscheiden
Abgeordneter Karl Öllinger (G) sprach von Defiziten Österreichs in der Bildungspolitik und kritisierte,
das Schulsystem sei nach wie vor stark selektiv. Seinen Vorstellungen zufolge sollte in Zukunft jedes Kind die
Chance haben, sich nach seinen Fähigkeiten zu entwickeln, niemand dürfe zurückbleiben. Öllinger
äußerte weiters auch den Wunsch, dass in 20 Jahren die Menschen wesentlich mehr Zeit haben, ihre Beziehungen
zu leben und zu festigen. Von zentraler Bedeutung sei es darüber hinaus, die Bedürfnisse der älteren
Menschen besser abzudecken. Insgesamt stellte Öllinger fest, er möchte nicht, dass im Jahr 2030 das Vermögen
über die Zukunftschancen entscheidet.
Robert Lugar: Demografie zwingt Politik zum Handeln
Abgeordneter Robert Lugar (B) ortete angesichts der demografischen Entwicklung der Gesellschaft dringenden Handlungsbedarf.
Wenn wir so weiter machen wie bisher, dann gefährden wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt, warnte er. Gefordert
sah Lugar die Politik dabei vor allem bei der Verbesserung des Bildungssystems, insbesondere auch bei der Förderung
der Grundfertigkeiten der breiten Masse. Daneben werde es darum gehen, Anreize zu schaffen, damit auch besser Gebildete
mehr Kinder bekommen. Klar war für Lugar zudem die Notwendigkeit der besseren Integration von Zuwandererfamilien
bei der Bildung und am Arbeitsmarkt. In Sachen Pension sprach sich Lugar für eine längere Zeit der Erwerbstätigkeit
aus, wobei er anmerkte, es sei nicht einzusehen, dass Menschen mit Anfang 50 schon in Pension gehen. |