Neues ÖVP-Regierungsteam angelobt  

erstellt am
21. 04. 11

Bundespräsident Heinz Fischer plädiert für Anstand in der Politik
Wien (hofburg/apa) - Das neue Regierungsteam der ÖVP ist am Vormittag des 21.04. von Bundespräsident Heinz Fischer angelobt worden. Das Staatsoberhaupt verwies im Vorfeld noch einmal darauf, dass erst die Erkrankung von Vizekanzler Josef Pröll (V) die Umbildung notwendig gemacht hatte und erinnerte an die "eindrucksvolle Rede" mit der vom ÖVP-Obmann sein Rückzug verkündet worden war. Dass der Finanzminister fehlenden Anstand in der Politik kritisiert hatte, hob Fischer besonders hervor. Gesetze seien eine wichtige Norm, aber nicht die einzige Regel: "Ich will nicht in einer Gesellschaft leben, wo alles erlaubt ist."

Was die Pröll-Kritik an fehlender Dynamik in der Politik angeht, gab ihm der Bundespräsident nur teilweise recht. In der internationalen Wirtschaftskrise habe die Regierung großartige Ergebnisse erzielt. Es gebe aber auch Bereiche, wo der Stillstand noch überwunden werden müsse.

Das umgestaltete ÖVP-Team rund um den neuen Vizekanzler und Parteiobmann Michael Spindelegger war in der Hofburg, begleitet von Bundeskanzler Werner Faymann (S) und zahlreichen Familienmitgliedern, erschienen. Modisch hervor stach der neue Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz, der als einziges männliches Regierungsmitglied ohne Krawatte beim Bundespräsidenten erschienen war.

Das Staatsoberhaupt hatte angesichts der umfangreichen Umbildung mit neuen Ministern und Staatssekretären bzw. Kompetenzverschiebungen zwischen Ressortchefinnen einiges zu tun. Der Bundespräsident musste nicht weniger als 21 Mal unterschreiben, bis die Regierungsbildung auch formal abgeschlossen war.

 

 Faymann: Bundesregierung wird als Team das Tempo erhöhen
Angelobung neuer Regierungsmitglieder - Regierungsklausur am 30./31. Mai
Wien (sk) - Bundeskanzler Werner Faymann betonte am 21.04. nach der Angelobung der neuen Regierungsmitglieder, dass die Bundesregierung gemeinsam "im Geist der guten Zusammenarbeit" das Tempo der Reformen erhöhen wird. "Österreich ist dann stark, wenn wir unsere gemeinsamen Kräfte mobilisieren. Es gibt eine Menge zu tun und wir werden als Team und in partnerschaftlicher Zusammenarbeit die Reformen vorantreiben", so der Bundeskanzler. Für Ende Mai wurde eine Regierungsklausur ankündigt.

Die erste Halbzeit der Legislaturperiode sei von der Abwehr der Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise geprägt gewesen, die hohe Gefahren und Risiken wie hohe Arbeitslosigkeit und das Zerfallen der Wirtschaftsstrukturen in sich barg. Mit aktiven Maßnahmen der Regierung auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene sei es aber gelungen, besser als in anderen Ländern die Auswirkungen zu mindern und das Land und seine Bevölkerung zu schützen, sagte der Bundeskanzler. Jetzt, in der zweiten Halbzeit, müsse man das Tempo erhöhen und in Bildung, Forschung und Entwicklung investieren. Es gilt, den Weg für mehr Verteilungsgerechtigkeit und gegen Atomenergie fortzusetzen, so Faymann. Bei der Regierungsklausur am 30. und 31. Mai werde man weitere konkrete Reformschritte in die Wege leiten.

Faymann bedankte sich bei den ausgeschiedenen Regierungsmitgliedern für die gute Zusammenarbeit und wünschte dem neuen Vizekanzler Michael Spindelegger das Beste "in einer Zeit, die für Österreich sehr wichtig ist".

 

Spindelegger Vertrauen zurückgewinnen
ÖVP-Obmann will den Österreichern nahebringen, dass er mit seinem Regierungsteam Sacharbeit leisten kann: „Die ÖVP muss Vertrauen zurückgewinnen.“
Wien (övp-pd) - „Aus jetziger Sicht ist es wichtig, ein Team nach Köpfen aufzustellen, die gute Sacharbeit in der Regierung leisten können“, betont der designierte Bundesparteiobmann Michael Spindelegger im Interview mit dem „Standard“. Das er bei der Zusammenstellung des Teams nicht alle Länder und Bünde zufriedenstellen konnte ist Spindelegger bewusst: „Zufriedenheit gibt es bei solchen Sitzungen selten bis nie. Jeder hat seine Befindlichkeiten. Aber ich habe mir ausbedungen, dass ich mir mein Team aussuchen kann.“

Kurz hat viel politisches Potenzial
Für Spindelegger ist Sebastian Kurz eine junge Persönlichkeit, die sehr viel politisches Potenzial in sich hat. Kurz eignet sich für den Posten des Integrations-Staatssekretärs, da er zum einem die Situation in Wien und zum anderen die Gesprächskultur der jungen Leute kennt. Spindelegger: „Bei jungen Leute ist die Hoffnung, dass man etwas erreichen kann und Integration funktioniert, mit Sicherheit größer als bei älteren Menschen.“

Konsequent und sensibel im Innenministerium
Johanna Mikl-Leitner wird die bisherige Linie im Innenministerium weiterführen, dabei jedoch ihr eigenes Profil entwickeln. Für Spindelegger ist entscheidend, dass konsequent zwischen Asyl und Wirtschaftsflüchtlingen unterschieden wird: „Flüchtlinge brauchen unseren Schutz, für Wirtschaftsmigranten gilt das hingegen nicht.“ Bei Familien, die abgeschoben werden sollen, strebt Spindelegger ein sensibleres Vorgehen an.

Mit Sacharbeit punkten
Spindelegger will den Österreichern nahebringen, dass er mit seinem Regierungsteam gute Sacharbeit leisten kann, um in der Bundesregierung etwas weiter zubringen. Spindelegger setzt sich dabei als Ziel: „Die ÖVP muss Vertrauen zurückgewinnen.“

 

Strache: Verfassung muss eingehalten werden!
Bei dem ganzen organisierten Jubel für das neue ÖVP-Team dürfe nicht vergessen werden, dass sich im Regierungsübereinkommen zwischen SPÖ und ÖVP nicht ein Beistrich geändert habe.
Wien (fpd) - Anlässlich der Angelobung des neuen ÖVP-Regierungsteams, mahnte der freiheitliche Bundesparteiobmann HC Strache die Einhaltung der österreichischen Bundesverfassung ein. "In der laufenden Periode hat es bereits mehrere Verfassungsbrüche durch die Bundesregierung gegeben", so Strache, der die ÖVP-Neo-Minister und Staatssekretäre eindringlich darauf hinwies, dass sie heute ihr Gelöbnis auf die Einhaltung der Verfassung und Gesetze leisten.

Die markantesten Verfassungsbrüche der SPÖ/ÖVP Bundesregierung seien etwa die Ratifizierung des Lissabon-Vertrages, durch den Österreich quasi seine Eigenstaatlichkeit aufgegeben habe und die wahlkampfbedingte, verspätete Vorlage des Budgets gewesen, erinnerte Strache an die Sündenfälle von Faymann und Pröll. Derzeit habe es besonders die rote Seite der Bundesregierung auf die Neutralität abgesehen, die sie lieber heute als morgen abschaffen wolle, warnte Strache, der hier die aktuelle Bundesheerdiskussion und die geplanten Kampfeinsätze österreichscher Soldaten in Afrika ansprach.

Besonders an Vizekanzler und Außenminister Spindelegger werde es liegen, in Brüssel derart aufzutreten, dass die Interessen der österreichischen Bevölkerung wahrgenommen würden, so Strache, der hier etwa auf einer härteren Linie beim Atomkraftausstieg ebenso beharrte, wie auf einer Beendigung des sogenannten Euro-Rettungsschirms, der hinter dem Rücken der österreichischen Bevölkerung in blindem EU-Gehorsam durchgepeitscht werde. Die erste Nagelprobe für das neue Regierungsteam sei allerdings die notwendige Aussetzung des Schengen-Vertrages, aufgrund des afrikanischen Zustroms an Wirtschaftsflüchtlingen, bei der vor allem die Innenministerin gefordert sei, so Strache.

Bei dem ganzen organisierten Jubel für das neue ÖVP-Team dürfe nicht vergessen werden, dass sich im Regierungsübereinkommen zwischen SPÖ und ÖVP nicht ein Beistrich geändert habe, betonte Strache, der der ÖVP empfahl hier nach zu verhandeln, denn die Regierungslinie der Periode Faymann-Pröll sei nicht unbedingt von durchschlagendem Erfolg gekennzeichnet gewesen. Mit neuen Köpfen alleine werde man noch keine neue Politik machen können, wenn das Programm noch immer das Alte sei, an dem letztendlich die ÖVP gescheitert sei, so Strache. "Es ist höchste Zeit Politik für die Menschen und nicht für die eigenen Posten zu machen", gab Strache den neuen ÖVP-Regierungsmitgliedern auf ihrem Weg in die Ministerien mit und bedauerte, dass die Chance auf eine Verringerung der Regierungsposten ausgelassen wurde.

 

Bucher: Aufgebot der letzten Köpfe
ÖVP vor Spaltung - BZÖ ist Angebot für bürgerliche Kräfte
Wien (bzö) - Die Angelobung der ÖVP-Regierung kommentierte BZÖ-Bündnisobmann Josef Bucher mit: "Das ist das Aufgebot der letzten Köpfe statt der besten Köpfe für Österreich!" Der neue Parteichef und Vizekanzler Spindelegger sei lediglich ein braver Parteisoldat ohne Orientierungssinn und ein Bündler ohne jeglichen Reformgeist und der neue Superpraktikant von Erwin Pröll. "Dementsprechend wurde auch das Kabinett besetzt. Es handelt sich um eine Regierung der Beamten und der Stillstandsverwahrer", so Bucher.

"Mit dieser Mannschaft werde der ÖVP kein Neustart gelingen", erklärte Bucher. Es sei nicht zu erwarten, dass diese ein Interesse an Reformen in den Bereichen Pensionen, Verwaltung, Bildung usw. habe. "Die Betonierer-Mentalität innerhalb der ÖVP wird sich unter Beamten-Vize Spindelegger fortsetzten und die notwendigen Reformen werden leider weiter auf die lange Bank geschoben", befürchtet Bucher. Mit der Abschaffung des Familienstaatssekretariats wurde "den Familien, der Zukunft unseres Landes, die Vertretung genommen und auch der Bauernstand findet keine Vertretung mehr für seine Probleme", kritisiert Bucher die Personalpolitik Spindeleggers.

Zudem drohe der ÖVP wegen der massiven Unzufriedenheit einzelner Bünde und Gruppierungen eine Spaltung, womit der ehemals mächtigsten Partei der Sturz ins bodenlose drohe. "Das BZÖ hingegen ist die neue bürgerliche Kraft und damit die moderne Alternative zur Bremser- und Belastungspartei ÖVP", erklärte Bucher.

 

 Glawischnig: Spindelegger mit neuem Team auf rechtskonservativem Kurs
Grüne sehen Töchterle und Waldner als positive Signale
Wien (grüne) - Grünen-Chefin Eva Glawischnig bleibt skeptisch gegenüber dem frisch angelobten ÖVP-Regierungsteam. "Spindelegger hat sich mit seiner Personalwahl auf einen rechtskonservativen Kurs begeben. Die Schlüsselressorts Finanzen und Inneres sind mit zwei Frauen besetzt, die als Hardlinerinnen bekannt sind. Die Schaffung eines Integrationsstaatssekretariats deckt sich zwar mit einer langjährigen Forderung der Grünen. Allerdings haben wir immer gesagt, dass dieses nicht im Innenministerium angesiedelt werden darf. Integration darf nicht ausschließlich als Sicherheitsfrage verstanden werden. Spindelegger verpasst damit die Chance, diesen sensiblen und wichtigen Bereich aus wirtschaftlicher und sozialer Sicht zu bearbeiten. Auch der integrationspolitisch völlig unerfahrene Staatssekretär Kurz lässt daran zweifeln, dass hier ernsthafte Politik betrieben werden soll."

Als positive Signale sieht Glawischnig die Bestellungen von Karlheinz Töchterle zum Wissenschaftsminister und Wolfgang Waldner zum Staatssekretär im Außenamt. "Töchterle ist ein ausgewiesener Experte im Uni-Bereich. Aber seine Bestellung ist noch keine Garantie für Verbesserungen im Hochschulbildungsbereich. Der neue Minister muss mit entsprechenden finanziellen Ressourcen ausgestattet werden, um Dinge zum Besseren zu wenden. Dabei werden wir ihn künftig gerne unterstützen. Waldner ist ein erfahrener Kulturmanager mit weltoffenem Geist. Als Diplomat hat er sich in der Vergangenheit einen guten Ruf als liberaler, moderner Vertreter Österreichs geschaffen."

Insgesamt fürchtet die Grünen-Chefin dennoch, dass sich am Stillstand in der Regierung wenig ändern wird. "Wenn der neue VP-Generalsekretär Rauch bereits in ersten Interviews fordert, dass die Wehrpflicht bleiben soll, sieht es für mich nach einer Fortsetzung der alten ideologischen Grabenkämpfe zwischen SPÖ und ÖVP aus."
     
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