Fukushima ist überall   

erstellt am
21. 04. 11

Auch in unserer Nachbarschaft: Ein europaweiter Atomausstieg muss kommen
Linz (lk) - Nach dem Gau von Tschernobyl hat die Atomlobby behauptet, es sei eine einmalige Atomkatastrophe, die auf den sowjetischen Reaktor zurückzuführen sei. Nun hat die Katastrophe von Fukushima begonnen - niemand weiß, mit welchen weiteren Auswirkungen.

Eine Analyse der europäischen Reaktoren zeigt, dass viele Reaktoren in Betrieb sind, die ähnliche Schwachstellen aufweisen. Österreichs renommierter Risikoforscher Prof. Wolfgang Kromp zeigt dies am 21.04. bei einer Pressekonferenz auf.

Umwelt-Landesrat Rudi Anschober zieht daraus den Schluss, dass es einen europaweiten Atomausstieg braucht, für den in Österreich bereits Hunderttausende unterschrieben haben und der innerhalb von zehn Jahren durchführbar ist. Der internationale Niedergang hat begonnen - viele Länder starten derzeit den Ausstieg.

In Fukushima I befinden sich sechs Siedewasser-Reaktorblöcke. Drei davon waren zum Zeitpunkt des Bebens wegen Servicearbeiten nicht in Betrieb. Die anderen drei (Blöcke 1-3, die ältesten der Anlage, in Betrieb genommen 1970 bis 1976) haben sich automatisch abgeschaltet. Block 1 hat 460 MW el. Leistung, Blöcke 2 und 3 je 784 MW.

Durch das Erdbeben wurde die externe Stromversorgung abgeschnitten. Die für solche Fälle vorgesehenen Notstrom-Dieselaggregate sprangen zwar wie vorgesehen an, wurden aber funktionsunfähig als nach einer Stunde der Tsunami den direkt am Strand gelegenen KKW-Komplex erreichte. Die für die Abfuhr der Nachzerfallswärme erforderliche Kühlung ist auf funktionsfähige Kühlwasserzuleitungssysteme, Strom für Betrieb und Steuerung der Pumpen und Wasser angewiesen. Nach dem Tsunami fehlte es an allen drei. Die drastischen Maßnahmen, die dadurch nötig wurden, sind bekannt:

Prof. Kromp: "Fukushima ist die logische Fortsetzung einer Entwicklung, die vor 25 Jahren mit Tschernobyl einen Höhepunkt erreicht hatte, von dem wir mit Fukushima zur Kenntnis nehmen müssen, dass er nur ein Vorläufiger war. Es mag stimmen, dass unsere Zerstörungserdbeben viel seltener auftreten und dass wir von Tsunamis verschont bleiben. Wir haben unsere Kernkraftwerke - insbesondere die Schwestern und Kusinen der Fukushima-Reaktoren - zwecks Kühlung an Flussläufen gebaut. Flussläufe folgen häufig tektonischen Bruchlinien in der Erdkruste. Diese können - wenn auch viel seltener als in Japan - ebenfalls Vernichtungsbeben produzieren. Die große Anzahl von Standorten in Europa erhöht insgesamt die Wahrscheinlichkeit, ein Kernkraftwerk zu treffen. Tsunamis sind für Flutwellen entbehrlich. Ein Staudamm flussaufwärts tut's auch. Das Schweizer KKW Mühleberg ist eine Fukushima-Schwester, die deutschen Isar 1, Philippsburg 1, Brunsbüttel, Gundremmingen B, und Gundremmingen C sind nahverwandte Cousinen. Alle wie mit Containment "light", welches Kondensationsvorrichtungen als Hilfsmittel zur Dampfdruckerleichterung benötigt. Und in Fukushima versagt hat. Selbst fernere Verwandte aus Sowjetzeiten besitzen den gleichen Mangel - vier Blöcke Dukovany, zwei Blöcke Bohunice, zwei - demnächst vier Blöcke Mochovce, vier Blöcke Paks - die Blöcke dicht beisammen, bereit für den Dominoeffekt. Fukushima ist um uns - überall nah."

Erfreulicherweise erkennen bereits einige Staaten Europas diese Notwendigkeit, aus der Atomkraft auszusteigen:

  • In Europa sind seit der Tschernobyl-Katastrophe nur zwei Reaktoren in Finnland und in Frankreich in Bau gegangen.
  • Auch haben die erneuerbaren Energien 2010 mit 381 Gigawatt zum ersten Mal die Atomkraft mit 375 Gigawatt bei der installierten Erzeugungskapazität überholt (Studie des World Watch Institute über die aktuelle Lage der Atomindustrie).
  • 2009 ist laut dieser Studie die nukleare Elektrizitätserzeugung um 2 Prozent gegenüber dem Jahr zuvor zurückgegangen, dem vierten Jahr in Folge, heißt es in dem Report. Atomenergie mache nunmehr 13 Prozent der weltweiten Elektrizitätserzeugung aus und 5,5 Prozent der kommerziellen Primärenergie.
  • Die Zahl der Reaktoren ging gegenüber dem Höchststand von 2002 auf weltweit 437 zurück, um sieben weniger, wobei die in Deutschland vom Netz genommen sieben AKW noch nicht einberechnet sind. In der EU waren im April dieses Jahres 143 Reaktoren in Betrieb gegenüber 177 im Jahr der Tschernobyl-Katastrophe 1989.
  • In Deutschland deuten alle politischen Zeichen auf eine Rücknahme der Laufzeitverlängerung und eine Beschleunigung des Atomausstieges hin.
  • In Italien hat Berlusconi letzte Woche sein Gesetz, mit dem Einstieg in die Atomenergie 2013 zu beginnen, zurückgezogen. Die geplante Volksabstimmung wird aber vermutlich dennoch Mitte Juni stattfinden, um eine definitive und endgültige Entscheidung gegen Atomkraft zu erreichen.
  • Die Schweizer Regierung hat ein Moratorium für den Atomausbau fixiert, im Herbst soll ein Referendum über den Atomausstieg der Schweiz durchgeführt werden.
  • Auch in Tschechien beginnt eine neue Diskussion über die Zukunft der Atomenergie. Die Antiatombewegung konzentriert sich jetzt grenzüberschreitend auf ein Stoppen des Temelin- Ausbaus und das Durchsetzen einer alternativen Energiestrategie.


Aber auch international hat der Atomausstieg offenbar bereits begonnen:

  • So hat auch China seine Neubauprojekte auf Eis gelegt. Von 64 weltweit geplanten Reaktoren würden allein 27 in China gebaut. Nach Fukushima dürften die wirtschaftlichen Kosten für AKW-Neubauten so stark ansteigen, vor allem durch zusätzliche Investitionen in die nukleare Sicherheit und steigende Versicherungskosten, dass sich das Geschäft nicht mehr lohnen würde.
  • Auch in Süd-Texas erfolgte gestern die Baueinstellung von zwei AKW- Blöcken.



Europaweiter Atomausstieg muss kommen!
Die deutsche Bundesregierung hat im Schatten der Ereignisse von Fukushima angekündigt, die deutschen Kernkraftwerke einer intensiven Sicherheitsprüfung zu unterziehen und die sieben ältesten Kernkraftwerke zumindest zeitweise außer Betrieb zu nehmen. "Diese dürfen nie mehr ans Netz gehen", fordert Umwelt-Landesrat Anschober, denn dies wäre unverantwortlich. Angesichts der Sicherheitsbedenken wäre eine Wiederinbetriebnahme ein Risiko, das massive Auswirkungen auf die Oö. Bevölkerung haben könnte.

Dass in Deutschland der rasche Atomausstieg machbar ist, zeigen Studien deutlich. So kommt das deutsche Öko-Institut in einer Studie für den WWF Deutschland ("Schneller Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland", März 2011) zur Erkenntnis, dass der deutsche Strommarkt auf die vergleichsweise schnelle Stilllegung der sieben ältesten KKW weitgehend vorbereitet war, so dass schon aus diesem Grund aus der kurzfristigen Stilllegung dieser Anlagen keine signifikanten Probleme hinsichtlich Versorgungssicherheit oder Preisverwerfungen zu erwarten sind.

Das Ökoinstitut kommt zur Ansicht, dass das letzte deutsche Kernkraftwerk zwischen 2015 und 2020 abgeschaltet werden könnte. Ein beschleunigter Auslaufpfad für die deutschen Kernkraftwerke könnte laut Ökoinstitut wie folgt aussehen:

  • Sehr kurzfristige Stilllegung der sieben ältesten Kernkraftwerke sowie des derzeit nicht betriebenen KKW Krümmel, ermöglicht durch die vorhandenen Reserven des Systems.
  • Sehr kurzfristige Stilllegung von zwei weiteren KKW-Blöcken im Zuge der Aktivierung der Kaltreserven im deutschen Stromversorgungssystem.
  • Stilllegung von vier weiteren KKW-Blöcken bis 2013 in Kombination mit Lastmanagement-Maßnahmen sowie der zusätzlichen Kapazitäten derzeit im Bau befindlicher und mit hoher Sicherheit ans Netz gehender Neubauprojekte.
  • Stilllegung von drei weiteren KKW-Blöcken im zweiten oder ggf. dritten Drittel dieser Dekade, leistungsseitig kompensiert durch gesicherte Leistung von Neubauprojekten im Bereich Biomasse, KWK - Anlagen sowie anderen Erdgas- Kraftwerken.


Erreicht werden kann dies nach einer Greenpeace -Berechnung durch massiven Ausbau der erneuerbaren Energieträger. Greenpeace ist im übrigen optimistischer, was den Zeitpunkt des endgültigen Atomausstiegs Deutschlands angeht: 2015 könnte dies möglich sein!

Alleine rund 20 neue Erdgaskraftwerke und 10 Windparks auf dem Meer werden in den nächsten fünf Jahren in Deutschland ans Netz gehen. Hinzu kommen im Bereich erneuerbarer Energien neue Kapazitäten bis 2020 von über 30 Gigawatt (GW) Solarstrom- und weitere 20 GW Windenergie-Leistung. "Damit können die deutschen Atomkraftwerke mit rund 20,5 GW Gesamtleistung locker ersetzt werden", ist LR Anschober überzeugt.

Die jahres- und kraftwerksgenauen Berechnungen zum Atomausstiegsplan zeigen, dass die Stromversorgung bis 2020 somit in jedem Jahr und zu jeder Zeit ohne zusätzliche Stromimporte gewährleistet werden kann. Selbst in extremen Zeiten, in denen die Last am größten ist, aber kaum Strom aus Wind- und Sonnenenergie zur Verfügung steht, ist die Versorgung sicher. Die Auswirkungen auf die Strompreise werden mittel- bis langfristig auf etwa 5 Euro/ MWh bei den Terminmärkten liegen, für die Haushalte bedeutet dies eine Veränderung um 2,5 %. Eine vergleichsweise bescheidene Summe, wenn es um die eigene Sicherheit und die der Familie geht.

"Damit fällt auch jegliche Rechtfertigung für die Wiederinbetriebnahme der sieben ältesten Reaktoren und des derzeit stillgelegten KKW Krümmel weg", ist Landesrat Anschober überzeugt. "Für den Fall, dass allerdings Isar 1 wieder ans Netz gehen sollten, sind wir gerüstet - die möglichen Rechtsschritte wurden bereits geprüft und liegen in der Schublade.

Durchaus mit Deutschland vergleichbar ist die Situation in ganz Europa - ein europaweiter Ausstieg ist innerhalb von zehn Jahren machbar. Auf Initiative von LR Rudi Anschober unterstützt Oberösterreich per Regierungsbeschluss die Petition atomausstieg.at, die allgemein auf facebook bereits von über 85.000 Personen, insgesamt von Hunderttausenden unterstützt wird.

Anschober appelliert an die Oberösterreicher/innen, die Verstärkung des politischen Drucks weiterhin zu unterstützen und die Petition zu unterzeichnen.

     
Informationen: http://www.atomausstieg.at    
     
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