Geheimnis um 2 Millionen Jahre alte Sinterbildungen aus dem Allgäuer Hauptkamm entschlüsselt
Innsbruck (universität) - Ein Geologenteam der Universität Innsbruck und der University
of Leeds (UK) hat erfolgreich die bis dato ältesten Tropfsteine der Alpen datiert und gewinnt dadurch neue
Einblicke in das komplexe Prozessgefüge, das bei der Gebirgsbildung am Werk ist und maßgeblich das heutige
Erscheinungsbild der Alpen bestimmt.
Gebirge befinden sich in einem ständigen Wechselspiel zwischen klimagesteuerten Erosionsprozessen und den
tektonischen Kräften, welche eine Verfaltung und Verdickung der Erdkruste herbeiführen. Während
Erosion nur ein Ziel kennt, nämlich die Landschaftseinebnung, pressen plattentektonische Kräfte die Erdkruste
jedoch immer weiter zusammen und auch empor – Hochgebirge wie unsere Alpen können daraus resultieren. Tatsächlich
existiert ein delikates Gleichgewicht zwischen Klima, Erosion und Gebirgshebung. Die einzelnen Parameter dieses
Kräftespieles exakt zu quantifizieren, hat sich jedoch bis dato als ungemein schwierig herausgestellt. Ein
neuartiger Ansatz der Forscher aus Innsbruck und Leeds, der besonders alte, absolut datierte Tropfsteine zur Landschaftsrekonstruktion
heranzieht, verschafft neue Einblicke in eine schwierige Debatte und gibt Antworten auf eine sehr spannende geologische
Fragestellung.
Enorme Höhenänderungen
In der neuesten Ausgabe der renommierten US-Fachzeitschrift Geology berichtet das Geologenteam der Universität
Innsbruck und der Universität Leeds von Höhlenruinen, die in den Gipfelregionen der Allgäuer Alpen
(Tirol) entdeckt wurden und aus welchen die ältesten Tropfsteine, die man bis dato aus den Alpen kennt, geborgen
wurden. „Wir konnten das Alter dieser Höhlenkalzite auf gut 2 Millionen Jahren vor heute datieren. Ihre einzigartige
geochemische Zusammensetzung und ihre biologischen Einschlüsse unterscheiden sie maßgeblich von allen
anderen Höhlensintern, die aus dem Alpenraum sonst bekannt sind“, sagt Michael Meyer, der am Institut für
Geologie und Paläontologie der Universität Innsbruck tätig ist. Eine sorgfältige Analyse dieser
Tropfsteine und ein isotopengeologischer Modellierungsansatz erlaubten es den Forschern, die Tiefe der Höhle
im Allgäuer Gebirgsstock und die Höhe der Allgäuer Gipfelflur vor rund 2 Millionen Jahren – also
zur Zeit der Sinterbildung – zu eruieren. Es konnten daraus Hebungs- und Erosionsraten für den Nordrand der
Kalkalpen der letzten 2 Millionen Jahre errechnet werden, ein Zeitraum der durch wiederkehrende Eiszeiten und somit
durch intensive Glazialerosion gekennzeichnet ist. „Unsere Daten zeigen, dass diese Höhlen während der
Tropfsteingenese rund 1500 Meter tiefer lagen und die Gipfel etwa 500 Meter niedriger verglichen mit der heutigen
Situation“, so Meyer. Diese Höhenänderungen sind signifikant und können vermutlich auf die immer
wiederkehrenden Vereisungen und die damit einhergehende Erhöhung der Erosionsleistung zurückgeführt
werden. Dieses wiederum erzwingt eine isostatische Ausgleichsbewegung der Erdkruste, was die Gipfel in noch größere
Höhen aufsteigen lässt – ein auf den ersten Blick paradoxes Phänomen, das zwar von geophysikalischen
Modellen vorhergesagt wird, aber in Natura extrem schwer nachzuweisen ist.
Uran-Blei Datierung gibt Aufschluss
Tropfsteine eignen sich im Allgemeinen gut, um das Klima längst vergangener Zeiten detailliert zu
rekonstruieren. Meyer et al. führen mit ihrem neuartigen Forschungsansatz vor Augen, dass bestimmte Höhlen
und Sinterformationen sich darüber hinaus auch zur Rekonstruktion von Gebirgsbildungsprozessen anbieten. Da
sich diese Prozesse auf Zeitskalen von Jahrmillionen abspielen, ist es notwendig, für Landschaftsrekonstruktionen
das genaue Alter von entsprechenden Höhlen und Tropfsteinformationen zu bestimmen. Hier kommt eine Datierungsmethode
zum Tragen, die auch ausschlaggebend für den Erfolg der vorliegenden Studie war – die sogenannte Uran-Blei
Datierung. Diese Technik wird üblicherweise zur geologischen Altersbestimmung von noch viel älteren Gesteinen
und Mineralen verwendet. „Für Tropfsteine wurde sie bisher nur selten angewandt, da sich nur Sinter mit einem
hohen Urangehalt für diese Datierungtechnik eignen. Eine Situation, die im Fall der Allgäuer Alpen glücklicherweise
gegeben ist“, betont Robert Cliff von der University of Leeds, der für die Altersbestimmung der Allgäuer
Tropfsteine verantwortlich ist. |