Von der Babysprache zu Beethoven   

erstellt am
05. 05. 11

Wissenschafter der Uni Graz vermutet den Ursprung von Musik in der Mutter- Säugling- Beziehung
Graz (universtität) - Musik hat eine ganz besondere Kraft. Sie kann fröhlich oder traurig stimmen, Rituale mit spiritueller Bedeutung aufladen und den sozialen Zusammenhalt fördern. Musik gehört zum Mensch-Sein wie auch die Sprache. Doch wo liegen ihre Anfänge in der Menschheitsgeschichte? Univ.-Prof. Dr. Richard Parncutt, Leiter des Zentrums für Systematische Musikwissenschaft der Karl-Franzens-Universität Graz, sieht den Ursprung der Musik in der „Babysprache“ – der akustisch-gestischen Kommunikation zwischen Mutter und Säugling: „Die Babysprache ist komplex, melodisch, rhythmisch und ausdrucksvoll – kurz: musikalisch“, so Parncutt.

Die Grundlage für diese Form der Verständigung sieht der aus Melbourne in Australien stammende Forscher in der klanglich-kinetischen Wahrnehmung der Mutter durch den Fötus. Bereits vier Monate vor der Geburt kann er den Herzschlag der Mutter, ihre Atmung und Stimme, ihre Schritte und ihre Magengeräusche hören. Über den Gleichgewichtssinn, die Haut und die eigene Körperwahrnehmung registriert er auch ihre Bewegungen.

„Alle diese Laut- und Bewegungsmuster sind abhängig vom Gefühlszustand der Mutter und erhalten damit für den Fötus eine emotionale Qualität“, sagt Parncutt. „So können sie zur Grundlage für die Laut- und Bewegungsstruktur von Musik werden.“ Der Wissenschafter sieht in dieser vorsprachlichen, unbewussten Wahrnehmung den Ursprung von Musikalität als einzigartige menschliche Fähigkeit.

Parncutt vermutet, dass die Babysprache vor ein bis zwei Millionen Jahren entstand, als das menschliche Gehirn an Größe zunahm. Der Kopf der Babys wurde größer, weshalb diese aus anatomischen Gründen früher zur Welt kommen mussten. „Die Neugeborenen wurden damit schutzbedürftiger. Mutter und Kind brauchten eine aufeinander abgestimmte Form der Kommunikation, um die Sicherheit und das Überleben des Babys zu gewährleisten“, so Parncutt. Gleichzeitig entstanden durch das größere Gehirn neue kognitive Möglichkeiten.

Babysprache ist charakterisiert durch die Übertreibung sprachlicher Tonhöhenvariationen. Gefühle stehen im Vordergrund, Begriffe werden vereinfacht, Wörter verkürzt. Besonders interessant findet Parncutt, dass das lautlich-gestische Vokabular dieser kodierten Kommunikation universell zu sein scheint. „Das stimmt mit der Theorie überein, dass der Fötus die Codes im Mutterleib erwirbt“, findet der Forscher eine mögliche Erklärung.

Die starke emotionale und soziale Kraft von Musik ist nach Meinung Parncutts ein gutes Argument für den Ursprung von Musik im Band zwischen Mutter und Kind. Aus derselben Quelle könnte seiner Ansicht nach auch die Spiritualität entsprungen sein, die von jeher eng mit Musik verbunden war: „Denn Spiritualität ist im Grunde ein tiefsinniges Gespür für sich selbst und ein Gefühl der inneren Verbundenheit mit anderen Menschen und mit der Welt. Der Säugling nimmt sich und seine Mutter als eine untrennbare Einheit wahr.“
     
Informationen: http://www.uni-graz.at/zsmw    
     
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