EU-Kommission schlägt bessere Steuerung der Migration in die EU vor
Brüssel (ec.europe) - Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse im Mittelmeerraum
hat die Kommission heute Initiativen für ein stärker strukturiertes, umfassendes und schnelle Reaktionen
ermöglichendes Konzept der EU zu den Herausforderungen und Chancen von Migration vorgelegt. Behandelt werden
darin u. a. folgende migrationsbezogene Aspekte: strengere Grenzkontrollen und Schengen-Governance, die Vollendung
des gemeinsamen europäischen Asylsystems, gezieltere legale Migration, Austausch von beispielhaften Verfahren
für die gelungene Integration von Migranten und ein strategisches Migrationskonzept für die Beziehungen
mit Drittländern. Mit diesen Initiativen ergänzt die Kommission die bereits angenommenen Sofortmaßnahmen,
die bei der Bewältigung der Migrationsprobleme helfen und den Migrationsdruck auf die EU-Mittelmeerstaaten
vermindern sollen.
„Zweifellos braucht die EU eine starke gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik. Dies wurde in den vergangenen Monaten
angesichts der historischen Ereignisse in Nordafrika nur noch klarer. Die EU muss ihrer Pflicht nachkommen und
schutzbedürftigen Personen Zuflucht bieten; gleichzeitig muss sie Solidarität mit den Maghreb-Ländern
zeigen, die derzeit eine große Zahl libyscher Migranten beherbergen, und denjenigen unserer Mitgliedstaaten
zur Seite stehen, in die über das Meer zahlreiche Migranten strömen. Auch steht fest, dass der EU ein
gewisses Maß an gezielter Einwanderung von Arbeitskräften zugute käme, die den in vielen Branchen
erwarteten Arbeitskräftemangel auffangen und die für die kommenden Jahre prognostizierte sinkende Zahl
von Europäern im arbeitsfähigen Alter ausgleichen könnten. Andererseits muss Migration ordnungsgemäß
durch wirksame Grenzkontrollen und die Rückführung illegaler Migranten gesteuert werden. Auch können
wir die Mitgliedstaaten an unseren Außengrenzen diese außergewöhnlichen Probleme nicht alleine
bewältigen lassen. Das bedeutet die Einrichtung von Migrations- und Mobilitätspartnerschaften mit Drittländern,
damit wir zusammenarbeiten können. Auch wenn wir die durch die Unruhen in Nordafrika ausgelösten Probleme
angehen, müssen wir diese langfristigen Ziele im Auge behalten,“ sagte Cecilia Malmström, die für
das Ressort Inneres zuständige Kommissarin.
Während die Ereignisse im südlichen Mittelmeerraum in Millionen Menschen Hoffnung auf ein besseres Leben
wecken, führten sie aber auch zur Vertreibung von mehr als 650 000 Menschen, die vor der Gewalt in Libyen
flüchten mussten. Bisher sind in Europa nur sehr wenige Asylsuchende eingetroffen. Doch über 25 000 beschlossen,
ein besseres Leben in der EU zu suchen. Einige Mitgliedstaaten sind den großen Migrantenströmen direkter
ausgesetzt, doch auf nationaler Ebene ist diese Situation nicht zu bewältigen. Es bedarf der Mobilisierung
aller Mitgliedstaaten auf EU-Ebene.
„Aufgrund der jüngsten Ereignisse kam es auch zu Bedenken ob des Funktionierens des Schengen-Systems. Der
freie Personenverkehr über die europäischen Grenzen hinweg ist eine große Errungenschaft, die nicht
rückgängig gemacht werden darf, sondern eher noch gestärkt werden muss. Deshalb hat die Kommission
bereits einen effizienteren Evaluierungsmechanismus vorgeschlagen, durch den die wirksame Kontrolle an den Außengrenzen
sichergestellt werden soll. Um die Stabilität des Schengen-Raums zu gewährleisten, könnte es im
Falle außergewöhnlicher Umstände, beispielsweise wenn ein Teil der Außengrenze einer starken
und unerwarteten Belastung ausgesetzt ist, auch erforderlich sein, zeitweilig wieder begrenzte Grenzkontrollen
an den Binnengrenzen einzuführen“, erklärte Cecilia Malmström, das für das Ressort Inneres
zuständige Kommissionsmitglied.
Die EU hat unverzüglich auf diese Herausforderungen mit allen ihr verfügbaren operativen und finanziellen
Instrumenten reagiert. Um in diesem humanitären Notfall, dem unvorhergesehenen Flüchtlingsstrom aus Libyen
in die Nachbarländer, Hilfe zu leisten, wurden Gelder mobilisiert. Mit diesen und den bilateral zur Verfügung
gestellten Mitteln war es möglich, Flüchtlingen und Vertriebenen befristet Zuflucht zu gewähren,
ihre Grundbedürfnisse zu decken und vielen bei der Rückkehr in ihre Herkunftsländer zu helfen. Die
Außengrenzagentur Frontex startete die gemeinsame Aktion EPN Hermes Extension 2011, mit der Italien dabei
unterstützt wurde, die Situation mit den an seinen Küsten eintreffenden Migranten und Flüchtlingen
in den Griff zu bekommen. Europol hat ein Expertenteam nach Italien entsandt, das den italienischen Behörden
bei der Identifizierung von Schleppern unter den illegalen Migranten behilflich ist Die von den wachsenden Strömen
von Flüchtlingen und illegalen Migranten am stärksten betroffenen Mitgliedstaaten wurden auch finanziell
unterstützt.
Die EU hat zwar umfassend auf die Notsituation reagiert, doch zeigt die aktuelle Krise, dass noch weitere Möglichkeiten
bestehen, wie die EU solchen Situationen besser begegnen und Migration insgesamt effizienter steuern kann. Deshalb
schlägt die Kommission eine Reihe von Initiativen vor, die folgende Aspekte abdecken:
- Vollendung des gemeinsamen europäischen Asylsystems bis 2012 gemäß den Grundwerten der Union
und ihren internationalen Verpflichtungen.
- Strengere Grenzkontrollen und Schengen-Governance mit folgenden Zielen: Eindämmung der illegalen Einwanderung,
Gewährleistung, dass jeder Mitgliedstaat seinen Teil der EU-Außengrenzen wirksam entsprechend den Regeln
und dem Geist des EU-Rechts kontrolliert, und Aufbau von Vertrauen in die Wirksamkeit des EU-Systems zur Migrationssteuerung.
- Gezieltere Lenkung der legalen Migration, um qualifizierten Personen die Einwanderung in die EU zu erleichtern
und zur Deckung des erwarteten Arbeitskräfte- und Qualifikationsmangels und zum Ausgleich der erwarteten Abnahme
der Personen im arbeitsfähigen Alter beizutragen.
- Austausch zwischen den Mitgliedstaaten von beispielhaften Verfahren für die Integration von legalen Einwanderern
in der Weise, dass der wirtschaftliche Nutzen der Einwanderung maximiert und der soziale Frieden in der Union gewährleistet
wird.
- Ein strategisches Konzept für die Beziehungen mit Drittländern in Bezug auf migrationsrelevante Themen,
das darauf ausgerichtet ist, den freien Personenverkehr durch bessere legale Migrationsmöglichkeiten zu erleichtern
und zugleich illegale Migration zu verhüten.
Die nächsten Schritte
Die Mitteilung der Kommission wird als Grundlage für die Aussprache auf der außerordentlichen Tagung
des Rates „Justiz und Inneres“ am 12. Mai dienen; dieser soll am 24. Juni auf dem Europäischen Rat eine Diskussion
mit Schwerpunkt Migration folgen. In den darauffolgenden Wochen und Monaten sind flankierende Maßnahmen,
insbesondere ein „Migrationspaket“ vorgesehen, das dem Kollegium am 24. Mai zur Annahme vorgelegt werden soll.
Hintergrund
Seit Anfang des Jahres kam es zu massiven Bevölkerungsbewegungen aus mehreren nordafrikanischen Ländern,
insbesondere aus Libyen. Nach jüngsten Schätzungen sind mehr als 650 000 Menschen aus dem libyschen Hoheitsgebiet
vor Gewalt geflüchtet. Diese Menschen fanden in den Nachbarländern, vornehmlich Tunesien und Ägypten,
freundliche Aufnahme, und viele wurden seither bei der Rückkehr in ihr Heimatland unterstützt.
Über 25 000 Migranten, in erster Linie Tunesier, aber auch Personen aus anderen afrikanischen Ländern,
sind Richtung EU geflüchtet und haben die Küsten von Italien (überwiegend die italienische Insel
Lampedusa) und Malta erreicht, auf denen jetzt großer Migrationsdruck lastet. Neben Vertriebenen und Migranten
haben auch viele Staatsangehörige anderer Länder, einschließlich Somaliern, Eritreern und Sudanesen,
Libyen verlassen und teilweise ebenfalls Italien und Malta erreicht. Diese Ereignisse belasten zunehmend die Schutz-
und Aufnahmesysteme einiger Mitgliedstaaten.
|
Mölzer: Schengen-Abkommen muss Schutz der EU-Außengrenzen gewährleisten
Grenzschutzagentur Frontex stärken, damit Illegale erst gar nicht in die EU gelangen
- Austritt Österreichs aus Schengen-Raum als ultima ratio
Wien (fpd) - Die entscheidende Frage beim Schengener Abkommen sei nicht die Zulassung von Kontrollen an
den Binnengrenzen, sondern der wirksame Schutz der EU-Außengrenzen, sagte der freiheitliche Delegationsleiter
im Europäischen Parlament, Andreas Mölzer, am 04.05. im Vorfeld der Bekanntgabe der Pläne der EU-Kommission
zur Schengen-Reform. "Leider ist aber der Schutz der Außengrenzen nicht gewährleistet, wie der
Massenansturm von Nordafrikanern beweist", fügte Mölzer hinzu.
Damit das Schengen-Abkommen nicht zu einer verstärkten Massenzuwanderung führt, müsse vor allem
die EU-Grenzschutzagentur Frontex gestärkt werden, forderte der freiheitliche EU-Mandatar. "Illegalen
muss es unmöglich gemacht werden, auch nur einen Fuß auf europäisches Gebiet zu setzen. Strenge
Kontrollen haben an den Außengrenzen stattzufinden, damit illegale Zuwanderer erst gar nicht nach Österreich
gelangen können", betonte Mölzer.
Wenn nun dem Vernehmen nach temporäre Kontrollen an den EU-Binnengrenzen erlaubt werden sollen, dann sei dies
nicht ausreichend, so der freiheitliche Europaabgeordnete. "Dies ist nur eine Notmaßnahme, ohne dass
die Ursache des Problems, nämlich die EU-Außengrenzen, die löchrig wie Schweizer Käse sind,
bekämpft wird. Daher wird der Vorschlag der Kommission über bloße Kosmetik nicht hinausgehen",
erklärte Mölzer.
Abschließend wies der freiheitliche Europaparlamentarier noch darauf hin, dass sich Österreich ernsthafte
Gedanken über den Verbleib im Schengen-Raum machen müsse. "Wenn die EU-Außengrenzen nicht
geschützt werden und so die illegale Zuwanderung gefördert wird, bleibt als letzte Konsequenz nur der
Austritt Österreichs aus dem Schengen-Abkommen", schloss Mölzer. |
Lunacek: EU-Kommission darf populistischen Schengen- Forderungen aus den Mitgliedsstaaten nicht
nachgeben
Grüne: Wiedereinführung der Grenzkontrollen ist Alibimaßnahme - Gebot der
Stunde lautet: Flüchtlinge schützen, Migration steuern
Wien (grüne) - "Als Hüterin der EU-Verträge darf die Europäische Kommission
keinesfalls den populistischen Forderungen aus einigen Mitgliedsstaaten nachgeben und die Wiedereinführung
von Grenzkontrollen zwischen europäischen Staaten zulassen", erklärt Ulrike Lunacek, die außenpolitische
Sprecherin der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament, zur noch sehr nebulösen Präsentation der
Kommissionspläne für eine Reform des Schengen-Vertrags.
Lunacek: "Ich gebe EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström recht, die in ihrer Stellungnahme betont hat:
Schengen ist eine fantastische Errungenschaft der EU - wir sollten diese schützen und verteidigen. Die derzeit
noch völlig unklaren Leitlinien der EU-Kommission für eine Schengen-Reform werden sich an diesen Worten
der Kommissarin messen lassen müssen. Es darf nicht sein, dass Mitgliedsstaaten aus populistischen Kalkülen
heraus EU-Prinzipen, wie in diesem Fall die Reisefreiheit, nach Belieben in Frage stellen können. Noch dazu,
wo es völlig absurd ist, angesichts von einigen tausend Menschen aus Nordafrika in Europa von einer kritischen
Situation zu sprechen und Notmaßnahmen zu verlangen."
Lunacek betont, dass mit einer Änderung der Schengenverträge und mehr Grenzkontrollen keine Antwort auf
die aktuelle Flüchtlingskrise gegeben wird: "Europa muss auf die durch die politischen Umwälzungen
in Nordafrika entstandenen Herausforderungen mit einer solidarischen und langfristig orientierten Strategie antworten
und nicht mit Alibimaßnahmen. Zuallererst ist eine faire Prüfung aller Asylfälle zu gewährleisten.
Zur Zeit werden Flüchtlinge von Frontex unterschiedslos zurückgeschickt, ohne genau zu prüfen, ob
es sich um Asylsuchende, die ein Anrecht auf Aufnahme haben, oder MigrantInnen handelt."
Bereits vor Wochen hat die Grüne Europasprecherin Lunacek als Sofortmaßnahme mehr EU-Solidarität
und einen "humanitären Rettungsschirm für Flüchtlinge aus Nordafrika" gefordert, um nicht
einzelne Mitgliedsstaaten mit der Unterbringung und Versorgung dieser Menschen allein zu lassen. Als mittel- und
langfristige Maßnahme wiederholt Lunacek die seit Jahren vertretene Grüne Position: "Europa muss
endlich eine gute und systematische Einwanderungspolitik entwickeln, die es den Menschen ermöglicht, auf legalem
Wege in die EU zu kommen und hier zu arbeiten. Eine vernünftige Einwanderungspolitik, die Menschen Erwerbsmöglichkeiten
in der EU bietet, wird auch den politischen Transformationsprozess in Nordafrika positiv beeinflussen. Und die
EU muss sich mit den Ländern, die den Aufbruch in die Demokratie begonnen haben, rasch auf langfristige Pläne
für den wirtschaftlichen Aufbau verständigen. Im Europäischen Parlament ist dazu mehrfach eine Initiative
ähnlich dem Marshallplan gefordert worden. Flüchtlingsströme wie jetzt aus Nordafrika nach Europa
werden nur geringer werden, wenn die Zukunftsperspektiven in den Heimatländern besser werden." |