Wirtschaftsaufschwung in Europa setzt sich trotz neuer Risiken fort
Brüssel (ec.europe) - Der allmähliche Wirtschaftsaufschwung in der EU wird sich weiter
verfestigen, wobei sich die Aussichten für das Jahr 2011 gegenüber der letzten Herbstprognose sogar leicht
verbessert haben. Das BIP wird dieses Jahr voraussichtlich um ca. 1¾ % und 2012 um knapp 2 % steigen. Hintergrund
sind die besseren Aussichten für die Weltwirtschaft und das insgesamt positive Wirtschaftsklima in der EU.
Allerdings beschleunigt sich angesichts der steigenden Rohstoffpreise auch die Inflation. Die Headline-Inflation
wird der Prognose zufolge dieses Jahr durchschnittlich knapp 3 % in der EU und 2½ % im Euro-Raum erreichen
und 2012 auf ca. 2 % bzw. 1¾ % zurückgehen. Gleichzeitig wird sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt im
Prognosezeitraum voraussichtlich allmählich verbessern. So wird bis 2012 mit einer Verringerung der Arbeitslosenquote
um ½ Prozentpunkt auf rund 9 % in der EU und 9¾ % im Euro-Raum gerechnet. Die Haushaltskonsolidierung
wird sich weiter fortsetzen, wobei bis 2012 ein Rückgang des öffentlichen Defizits auf ca. 3¾
% des BIP erwartet wird. Allerdings bestehen weiterhin große Unterschiede zwischen den Aussichten für
die einzelnen Mitgliedstaaten.
Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn erklärte dazu: „Die wichtigste Botschaft unserer Prognose:
Der Wirtschaftsaufschwung in Europa steht auf soliden Füßen und wird sich trotz der jüngsten externen
Turbulenzen und Spannungen auf dem Markt für staatliche Schuldtitel weiter fortsetzen. Die öffentlichen
Defizite gehen deutlich zurück. Jetzt ist es entscheidend, diese Wachstums- und Konsolidierungstrends zu unterstützen
und dafür zu sorgen, dass sie sich in mehr und besseren Arbeitsplätzen niederschlagen. Dazu ist es erforderlich,
die Haushaltskonsolidierung fortzusetzen und Strukturreformen entschlossen umzusetzen, um Arbeitsplätze zu
schaffen und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu verbessern.“
Wirtschaftsaufschwung weiterhin dynamisch
Die wirtschaftliche Erholung in der EU setzt sich trotz der weiterhin bestehenden Anfälligkeit der Finanzmärkte
und eines schwierigeren äußeren Umfelds weiter fort. Der Aufschwung weitet sich aus und wird sich voraussichtlich
auch 2011 im Großen und Ganzen entsprechend der letzten Herbstprognose fortsetzen. Angesichts einer Aufwärtskorrektur
für das Exportwachstum werden die Ausrüstungsinvestitionen dieses Jahr voraussichtlich deutlich zunehmen.
Dagegen gehen die Bauinvestitionen in mehreren Mitgliedstaaten auch weiterhin aufgrund der laufenden Anpassungen
zurück. Gleichzeitig wird dieses Jahr mit einem leichten Anstieg des privaten Verbrauchs in der EU gerechnet,
der danach voraussichtlich durch eine allmähliche Besserung auf dem Arbeitsmarkt, einen leichten Einkommenszuwachs
und geringere Sparquoten unterstützt wird. Diese allmähliche Erholung wurde jedoch im Vergleich zur Herbstprognose
durch eine höhere Inflation etwas gebremst. Zudem werden der noch laufende Schuldenabbau der Unternehmen und
Haushalte, eine geringere Risikobereitschaft und die Auswirkungen der Haushaltskonsolidierung die Kapital- und
Verbraucherausgaben auf kurze Sicht negativ beeinflussen.
Wie dies nach schweren Finanzkrisen oft der Fall ist, wird der Aufschwung in der EU voraussichtlich gedämpfter
verlaufen als in früheren Erholungsphasen. Doch mit der allmählich steigenden Inlandsnachfrage dürfte
er sich zunehmend selbst tragen. Was die jährlichen Durchschnittswerte angeht, wird mit einem Anstieg des
BIP von rund 1½ % (Euro-Raum) bzw. 1¾ % (EU) im Jahr 2011 auf ca. 2 % in beiden Gebieten im Jahr
2012 gerechnet. Die Zahlen für 2011 wurden dabei gegenüber der letzten umfassenden Prognose vom Herbst
vergangenen Jahres leicht angehoben.
Unterschiedliche Entwicklungen in den einzelnen Mitgliedstaaten
Dieses Gesamtbild verdeckt allerdings die erheblichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Einige Länder
– insbesondere Deutschland, aber auch einige kleinere, exportorientierte Volkswirtschaften – verzeichnen einen
soliden Konjunkturaufschwung, während insbesondere an der Peripherie manche Länder zurückbleiben.
Es wird damit gerechnet, dass sich die Erholung in der EU auch weiterhin mit unterschiedlicher Geschwindigkeit
vollzieht.
Die laufende Korrektur der Ungleichgewichte innerhalb der EU wird sich auch während des Prognosezeitraums
fortsetzen. Am deutlichsten macht sich diese Anpassung in Ländern bemerkbar, in denen zu Beginn der Krise
sehr hohe Defizite bestanden. Dies ist vor allem auf einen eingeschränkten Verbrauch zurückzuführen.
Doch auch einige strukturell hohe Leistungsbilanzüberschüsse scheinen sich aufgrund einer höheren
Inlandsnachfrage und einer dynamischen Importentwicklung allmählich zu verringern.
Aufschwung ohne deutliche Beschäftigungszunahme, aber weitere Verbesserung der öffentlichen Finanzen
Mit Arbeitslosenquoten zwischen 4-5 % in den Niederlanden und Österreich und 17-21 % in Spanien und den baltischen
Staaten stellt sich die Lage auf den Arbeitsmärkten in Europa nach wie vor sehr unterschiedlich dar. Im letzten
Quartal 2010 stieg die Beschäftigung in der EU aufgrund von Verbesserungen in allen Sektoren – mit Ausnahme
der Industrie und des Baugewerbes – leicht an. Da sich das Wirtschaftswachstum gewöhnlich erst mit einer Verzögerung
auf die Beschäftigung auswirkt, wird für dieses Jahr in beiden Gebieten mit einer leichten Verbesserung
auf dem Arbeitsmarkt gerechnet. Während des Prognosezeitraums wird sich die Arbeitslosigkeit in beiden Gebieten
voraussichtlich um rund ½ Prozentpunkt verringern. Allerdings wird auch weiterhin damit gerechnet, dass
sich der Aufschwung ohne eine deutliche Beschäftigungszunahme vollzieht, wenngleich sich die Aussichten seit
der Herbstprognose etwas verbessert haben.
Im Bereich der öffentlichen Finanzen sind seit dem vergangenen Jahr Verbesserungen zu verzeichnen. Angesichts
eines stärkeren Wachstums und der Beendigung befristeter Konjunkturmaßnahmen wird damit gerechnet, dass
sich das gesamtstaatliche Defizit in der EU von etwa 6½ % des BIP im Jahr 2010 auf ca. 4¾ % im Jahr
2011 und 3¾ % im Jahr 2012 verringert. Für den Euro-Raum wird eine weitgehend ähnliche Entwicklung
auf einem etwas niedrigeren Niveau erwartet. Diese Aussichten haben sich seit dem Herbst leicht verbessert. Ein
Großteil der Anpassungen in beiden Regionen geht dabei auf Ausgabenkürzungen zurück. Die Schuldenquote
wird sich dagegen während des Prognosezeitraums weiter erhöhen und bis 2012 ca. 83 % des BIP in der EU
und 88 % des BIP im Euro-Raum erreichen.
Höhere Inflation
Während des Prognosezeitraums wird sowohl für die EU als auch für den Euro-Raum eine relativ hohe
Verbraucherpreisinflation erwartet, wenngleich die Spitzenwerte aus dem Jahr 2008 bei Weitem nicht erreicht werden
dürften. Die HVPI-Inflation wird dieses Jahr vor allem aufgrund der höheren Energiepreise durchschnittlich
knapp 3 % in der EU und 2½ % im Euro-Raum erreichen und 2012 auf 2 % bzw. 1¾ % zurückgehen.
Die noch immer bestehende erhebliche Konjunkturflaute wird voraussichtlich sowohl den Anstieg der Reallöhne
als auch die Basisinflation begrenzen, was die erwartete Zunahme der Energie- und Rohstoffpreise voraussichtlich
teilweise ausgleichen wird.
Abwärtsrisiken für das Wachstum aufgrund höherer Unsicherheit
Die politischen Änderungen im Nahen Osten und Nordafrika sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen des Erdbebens
und des Tsunamis in Japan haben Unsicherheiten verstärkt und stellen Abwärtsrisiken für die weltweite
Konjunktur dar, da sie im Vergleich zum Basisszenario weltweit eine höhere Inflation und ein geringeres Wachstum
zur Folge haben könnten.
Die Finanzmärkte bleiben insbesondere im Bereich der Staatsanleihen anfällig, und unerwünschte negative
Rückkopplungen sind auch weiterhin nicht vollständig ausgeschlossen. Zudem sind Spannungen auf den Devisenmärkten
mit Risiken verbunden.
Andererseits könnte ein über den Erwartungen liegendes weltweites Wachstum infolge einer stärkeren
Inlandsnachfrage in aufstrebenden Märkten das Exportwachstum der EU weiter ankurbeln. Innerhalb der EU könnte
es gelingen, das BIP-Wachstum stärker auf die Inlandsnachfrage zu stützen, falls sich z. B. der Arbeitsmarkt
besser entwickelt als angenommen. Ebenso könnte sich der kräftige Aufschwung in Deutschland stärker
auf andere Mitgliedstaaten auswirken als erwartet.
Insgesamt überwiegen in der Risikobilanz für die Wirtschaftsaussichten jedoch klar die Abwärtsrisiken.
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