Euroraum: Konjunktur entwickelt sich im ersten Quartal kräftig - reales BIP steigt um 0,8 % p.q.   

erstellt am
13. 05. 11

Wien (rzb) - Wie Eurostat in seiner heutigen Schnellschätzung mitgeteilt hat, wuchs das reale Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal gegenüber dem Vorquartal preis- und saisonbereinigt um 0,8 %. Die von Bloomberg befragten Volkswirte hatten im Durchschnitt mit einem Plus von 0,6 % gerechnet. Wir waren mit 0,7 % etwas optimistischer. Marktreaktion: An den Märkten ließ sich keine nachhaltige Reaktion auf die Daten beobachten.

Einschätzung: Mangels Angaben zu den einzelnen Komponenten des Bruttoinlandsprodukts im Euroraum muss zum jetzigen Zeitpunkt auf bereits vorliegende Informationen aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Österreich sowie die Zahlen zur Industrieproduktion und zum Außenhandel zurückgegriffen werden. Hieraus ergibt sich, dass positiv insbesondere die Investitionen in Ausrüstungen und Bauten zum Anstieg der Wirtschaftsleistung beigetragen haben. Ebenfalls gewachsen, wenn auch nur moderat ist demnach der private Konsum. Einen kleinen positiven Wachstumsbeitrag dürfte auch der Außenhandel generiert haben, ebenso wie die Lagerinvestitionen.

Die konjunkturelle Erholung im Euroraum ist auf den ersten Blick weiter in vollem Gange. Auf den zweiten Blick zeigt sich aber, dass die Situation in den einzelnen Ländern weiter sehr differenziert zu betrachten ist: Während Länder wie Deutschland, Österreich, die Niederlande und Finnland einen kräftigen Aufschwung bzw. Boom erleben, stecken Länder wie Spanien, Griechenland und Portugal quasi noch immer in der Rezession - das Quartalsplus Griechenlands darf vor dem Hintergrund des massiven Konjunktureinbruchs 2010 sowie der weiteren Sparmaßnahmen der Regierung nicht überbewertet werden; die Wirtschaft dürfte im laufenden Quartal weiter schrumpfen. Während Frankreich im ersten Quartal zur Spitzengruppe aufschließen konnte, bleibt Italien seiner Rolle als Konjunkturschnecke treu. Diese Diskrepanz im Konjunkturverlauf sollte sich unserer Ansicht nach auch in den nächsten Quartalen fortsetzen, wenn gleich auch in abgeschwächter Form. Wir rechnen damit, dass sich die Konjunktur nach einem nochmals sehr guten Ergebnis im zweiten Quartal in der zweiten Jahreshälfte abkühlen wird. So haben wichtige Stimmungsindikatoren wie der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe ihr zyklisches Hoch hinter sich. Außerdem ist das gegenwärtige konjunkturelle Tempo insbesondere in Deutschland nicht mehr lange zu halten. Der jüngste Anstieg der deutschen Industrieproduktion über den langfristigen Trend kann als erstes Zeichen einer möglichen Überhitzung gesehen werden. Steigt die Produktion vom jetzigen Niveau zu rasch weiter an, wird eine Korrektur immer wahrscheinlicher. Pendelt sich der Produktionsanstieg dagegen auf Trend ein, bedeutet dies automatisch einen Rückgang der Zuwachsraten des realen Bruttoinlandsproduktes auf 0,4 % bis 0,5 % p.q. Ein Rückgang der Zuwachsraten des realen Bruttoinlandsproduktes in Deutschland auf Potenzialniveau bei gleichzeitig anhaltender Konjunkturschwäche in den "Problemländern" spricht für einen verlangsamten Anstieg der Wirtschaftleistung im gemeinsamen Währungsgebiet mit Raten von nur noch 0,3 % bis 0,4 % p.q.

Die divergierende Entwicklung innerhalb des Euroraums spiegelt sich auch am Arbeitsmarkt wider. Während die Arbeitslosenquote in Deutschland, Österreich und den Niederlanden so niedrig ist wie teils seit Jahrzehnten nicht mehr, verharrt sie in Spanien, Irland, Griechenland und Portugal im zweistelligen Bereich. Anzeichen für binnenwirtschaftlichen, nachfrageinduzierten Preisdruck sucht man daher vergebens. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Lohnerhöhungen in den boomenden Ländern wie Deutschland und Österreich sehr moderat bleiben. Die EZB reagiert dennoch auf den momentan zu beobachtenden Anstieg der Teuerungsrate, der zu einem großen Teil auf gestiegene Rohstoffpreise zurückgeht und wird den Leitzins in den nächsten Monaten weiter anheben.

Aufgrund der heutigen Zahlen werden wir unsere BIP-Prognosen für 2011 von derzeit 1,8 % p.a. anheben. Die neue Prognose wird bei knapp über 2 % liegen.
     
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