Die Bundesräte lernen die neuen Regierungsmitglieder kennen  

erstellt am
12. 05. 11

Differenzierte Bewertung der bisherigen Regierungsarbeit
Wien (pk) - Am Beginn der 796. Sitzung des Bundesrats, die Präsident Gottfried KNEIFEL am 10.05. eröffnete, stellte der neue Vizekanzler Michael Spindelegger den Ländervertretern die kürzlich angelobten Mitglieder der Bundesregierung vor.

Vizekanzler Michael SPINDELEGGER präsentierte den Bundesräten zunächst die neue Justizministerin Beatrix Karl und bezeichnete sie als ausgezeichnete Juristin und habilitierte Universitätsprofessorin sowie als Frau mit großer politischer Erfahrung, die sich künftig schwerpunktmäßig auch der Aufgabe der Anti-Korruptionspolitik stellen wird und diese Arbeit bereits voll aufgenommen hat.

Die neue Finanzministerin Maria Fekter blicke auf eine engagierte Tätigkeit als Innenministerin zurück und hat nun die Aufgabe übernommen, sorgsam mit dem Steuergeld der ÖsterreicherInnen umzugehen. Ihre Grundsätze für die Ausarbeitung eines neuen Steuersystems lauten: weniger, einfacher und leistungsgerechter.

Der neue Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, als Universitätsrektor ein ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet von Wissenschaft und Forschung steht für den Vizekanzler unter anderem vor der wichtigen Aufgabe, einen neuen Hochschulplan zu erstellen.

Den neuen Staatssekretär im Außenministerium, Wolfgang Waldner, stellte der Vizekanzler als einen gelernten Diplomaten vor, der auch über hervorragende Erfahrungen im Kulturbereich verfüge und die Aufgabe haben werde, ihn, Spindelegger, als Außenminister sowohl im Parlament als auch auf internationalem Parkett zu vertreten.

Die neue Innenministerin Johanna Mikl-Leitner – sie war ebenso wie ihr Staatssekretär Sebastian Kurz wegen eines Auslandsaufenthalts abwesend - hat politische Erfahrungen im Bundesland Niederösterreich gesammelt, berichtete Spindelegger und sprach die Erwartung aus, dass sie die konsequente Linie in der Sicherheitspolitik für die österreichischen BürgerInnen fortsetzen wird.

Abschließend kündigte Vizekanzler Michael Spindelegger die Abhaltung einer Regierungsklausur an, bei der die Themen der Regierungsarbeit bis 2013 festgelegt werden soll und versprach den Ländervertretern, gemeinsam mit der SPÖ und mit voller Tatkraft für Österreich zu arbeiten.

Staatssekretär Josef Ostermayer, der Bundeskanzler Werner Faymann vertrat, blickte zunächst auf die Regierungsarbeit seit 2008 zurück, in der es galt, eine Finanzkrise zu bewältigen, die in eine Wirtschaftskrise und in manchen Ländern zuletzt auch in eine Budgetkrise mündete. Schlechte Prognosen zu Beginn der Legislaturperiode für die Entwicklung des Gesundheitswesens, des ORF und des Arbeitsmarktes seien nicht eingetroffen, stellte Ostermayer mit Erleichterung fest und machte darauf aufmerksam, dass Österreich im internationalen Vergleich gut dasteht. In diesem Zusammenhang dankte Ostermayer auch den ausgeschiedenen Regierungsmitgliedern Claudia Bandion-Ortner und Reinhold Lopatka für ihre Arbeit, hieß die neuen Regierungsmitglieder herzlich willkommen und sagte, er blicke mit großer Zuversicht in die Zukunft der Regierungsarbeit, als deren politische Schwerpunkte er Bildung, Internationalisierung und Infrastruktur nannte.

Finanzministerin Maria FEKTER präsentierte den Bundesräten ihre Absicht, das Budgetdefizit zurückzuführen und den Schuldenberg abzubauen, um finanziellen Gestaltungsspielraum für Zukunftsaufgaben zurückzugewinnen. Österreich ist ein Hochsteuerland, stellte Fekter weiters fest und beklagte, dass 10 % der Lohnsteuerzahler 60 % der Steuerleistung zu tragen haben. Leistungsträger werden bei der Besteuerung ihrer Arbeit, bei den Transfers und durch Steuern "geschröpft", so die Ministerin, die nur bei ihnen eingehoben werden, etwa durch die Wertpapierertragssteuer. Sie sehe keinen Spielraum, die Leistungsträger noch mehr zur Kasse zu bitten, sagte die neue Finanzministerin und erteilte allen Plänen für neue Steuern die den Mittelstand belasten eine Absage.

Mit Nachdruck plädierte Fekter für ein einfacheres Steuersystem, das es nicht nur jenen möglich mache, Vorteile zu nutzen, die sich einen Steuerberater leisten können. Verpflichtet fühlte sich die Ministerin den Familien und den Kindern, weil sie es sind, die die Pensionen in der Zukunft sichern. Maria Fekter hielt die hohen Ausgaben für Pensionen und Zinsen für bedenklich, weil sie Gestaltungsspielräume einengen, und bekannte sich zu Zukunftsinvestitionen in Kinder, Jugend und Bildung.

Justizministerin Beatrix KARL sagte, sie sei gerne Wissenschaftsministerin gewesen, teilte den Ländervertretern aber auch mit, dass ihre Freude über die neue Aufgabe bereits den Schmerz über ihren Abschied aus dem Wissenschaftsressort überwiege. Das Justizressort zu leiten, sei für sie als Juristin eine reizvolle Herausforderung, bei der es ihr um die Werte Ehrfurcht, Respekt und Vertrauen gehe. Ehrfurcht vor der Justiz als institutionalisierter Gerechtigkeit, Respekt vor den Justizmitarbeitern und das Vertrauen der Manschen in die Justiz. Es gelte, das Vertrauen in die Justiz, das so wichtig für das Funktionieren der Demokratie sei, wieder herzustellen sowie den Respekt vor den Mitarbeitern in der Justiz und deren öffentliches Ansehen zu steigern. Auch für die Justiz habe die Unschuldsvermutung zu gelten, sagte Ministerin Karl und appellierte an die Öffentlichkeit: "Lassen wir die Justiz arbeiten!"

Der neue Wissenschaftsminister Karlheinz TÖCHTERLE nannte als Altphilologe den altösterreichischen Wahlspruch "Viribus unitis – Mit vereinten Kräften" als Motto für seine Arbeit an der Spitze des Wissenschaftsressorts. Töchterle wünschte sich mehr Mittel für den tertiären Bildungssektor und zudem ein höheres Maß an Studierfähigkeit bei den Schulabgängern. Daher plädierte er für eine Reform der Lehrerausbildung. Seine Hoffnungen setzt Töchterle auf die Ausarbeitung eines Hochschulplans und auf ein Modell der Studienplatzfinanzierung, das die Planbarkeit der Universitäten verbessert, indem man ihnen genau sage, wie viele Studienplätze von der öffentlichen Hand finanziert werden. Im Sinne der Bedeutung des Wortes "Universität" bekannte sich der neue Wissenschaftsminister zur gemeinsamen Arbeit der Lehrenden, Studierenden und aller an den Hochschulen tätigen Menschen.

Staatssekretär Wolfgang WALDNER sah seine Aufgabe in der Unterstützung und Vertretung des Außenministers im Parlament und bei internationalen Anlässen. Im Auftrag des Ministers werde er österreichische Interessen in der europäischen Union und darüber hinaus in Zusammenarbeit mit den Bundesländern, Gemeinden und dem Bundesrat zu vertreten haben. Staatssekretär Waldner wies auch auf die Aufgabe hin, Österreichische Kandidaturen in internationalen Organisationen, etwa für den UN-Menschenrechtsrat, bei der OSZE, der FAO und bei der UNESCO vorzubereiten und den Standort Wien als Sitz internationaler Organisationen sowie als Ort des internationalen Dialogs zu stärken. Den Einsatz der Mitarbeiter in den österreichischen Vertretungsbehörden würdigte der Staatssekretär, sie haben sich, wie zuletzt in Nordafrika, mit enormem Einsatz für die Interessen und den Schutz österreichischer Staatsbürger im Ausland engagiert.

In der Debatte dankte Bundesrat Harald HIMMER (V/W) zunächst dem aus der Regierung ausgeschiedenen Vizekanzler Josef Pröll, der bei der Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise eine hervorragende Arbeit geleistet hatte. Himmer dankte auch der SPÖ für ihr faires Verhalten in der Zeit der Umgestaltung der ÖVP-Regierungsteams und gab auch seiner Freude über die Lösung der Ortstafelfrage Ausdruck, wobei er die "hervorragende Rolle" des Kärntner Landeshauptmanns Gerhard Dörfler hervorhob.

Himmer unterstützte die Ausführungen der neuen Justizministerin Karl und merkte an, dass Österreich eine Justiz brauche, in der jeder vorurteilsfrei, fair und gerecht behandelt werde. Himmer hieß auch die neue Finanzministerin Maria Fekter und den neuen Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle in ihren neuen Ämtern willkommen und zeigte sich überzeugt, dass auch Staatssekretär Sebastian Kurz seine anfänglichen Kritiker durch hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Integration überzeugen wird. Auch über die Bestellung des neuen Staatssekretär Waldner zeigte sich Himmer erfreut, er wird Außenminister Michael Spindelegger, der sein Ressort erfreulicherweise auch als Vizekanzler führen werde, kompetent unterstützen.

Die bisherige Arbeit der Bundesregierung bewertete der Bundesrat positiv, unterstrich aber auch die Aufgabe der Opposition, die Regierung durch eigene Themenschwerpunkte zum Handeln zu zwingen. An alle "Konkurrenten auf dem Spielfeld der Politik" appellierte Harald Himmer, die notwendigen Auseinandersetzungen im Interesse der BürgerInnen des Landes mit Fairness und im Geist des gegenseitigen Respekts zu führen.

Bundesrat Gerald KLUG (S/St) hielt eingangs seiner Wortmeldung fest, mit der rasch erfolgten Regierungsumbildung habe die Koalition Stabilität signalisiert. "Entgegen aller Unkenrufe" hätten SPÖ und ÖVP das Land erfolgreich durch die Krise geführt, bekräftigte er. Es gebe Rekordbeschäftigung in Österreich, und mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 30.000 € liege Österreich an dritter Stelle der EU. Das sei, so Klug, herzeigbar. Den neuen Regierungsmitgliedern reichte er "44 sozialdemokratische Hände zur konstruktiven Zusammenarbeit".

In Richtung der neuen Finanzministerin hielt Klug fest, Fekter werde in der SPÖ-Bundesratsfraktion einen verlässlichen Partner haben, wenn es darum gehe, das Steuersystem zu vereinfachen und leistungsgerechter zu gestalten, vor allem aber auch sozial gerechter zu machen. Mit dem hohen Eingangssteuersatz habe auch er keine Freude. Klug begrüßte überdies die klaren Worte von Justizministerin Beatrix Karl zur Unabhängigkeit der Justiz und hob die Notwendigkeit hervor, bestehende Defizite bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität zu beseitigen. Dem aus der Politik ausgeschiedenen Finanzminister und Vizekanzler Josef Pröll dankte er im Namen der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion für die geleistete Arbeit.

Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F/W) äußerte den Verdacht, dass der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll großen Einfluss auf die Zusammensetzung des neuen Regierungsteams genommen habe. Von der neuen Mannschaft zeigte sie sich nicht wirklich überzeugt. Bereits in der Vergangenheit habe die Koalition "an der Bevölkerung vorbei regiert", kritisierte Mühlwerth, sie glaube nicht, dass sich daran etwas ändern werde, auch wenn es nun "neue Köpfe" gebe.

Mühlwerth setzte sich im Detail mit den neuen Regierungsmitgliedern auseinander und hielt unter anderem fest, von Innenministerin Mikl-Leitner und Integrationsstaatssekretär Kurz habe sie bislang wenig Konkretes gehört. Dem neuen Wissenschaftsminister wünschte sie viel Glück und zeigte sich gespannt, wie dieser die Budgetnöte der Universitäten lösen werde. Die Justizministerin ist ihrer Ansicht nach eine "Baustellen-Ministerin" geworden.

Verwundert äußerte sich Mühlwerth über die Aussage von Finanzministerin Fekter, wonach die Leistungsträger in Österreich "dreifach geschröpft" würden. Sie gebe Fekter inhaltlich recht, sagte die Bundesrätin, frage sich aber, warum die ÖVP in den vergangenen Jahren an diesem Umstand nichts geändert habe. Überdies bedauerte sie, dass Fekter die Verwaltungsreform "in die Ecke gestellt hat". Reformen "Schritt für Schritt" seien zu wenig, um das Budget zu konsolidieren.

Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) erklärte, die Grünen hätten Vizekanzler und Außenminister Spindelegger als eine der wenigen Stimmen der ÖVP wahrgenommen, die das Thema Migration und Integration konstruktiv und lösungsorientiert angegangen sei. Der Vizekanzler habe jedoch "zwei große Angriffsflächen" geschaffen, indem er das Integrationsstaatssekretariat im Innenministerium angesiedelt und das Amt mit einer Person besetzt habe, die über keine Fachkompetenz und keine Erfahrung in diesem Bereich verfüge, konstatierte er. Die Grünen würden dem neuen Staatssekretär Kurz dennoch die Hand reichen und ihn ausschließlich an seinen Taten und Handlungen messen. Dönmez fürchtet allerdings, dass Kurz angesichts der beschränkten Budgetmittel nur geringen Handlungsspielraum haben werde.

Kritik übte Dönmez darüber hinaus am Auftreten Österreichs gegenüber der Türkei. Man mache sich mit dem gezeigten Verhalten unglaubwürdig, sagte er. "Absolut nicht nachvollziehbar" ist für ihn außerdem, dass Vizekanzler Spindelegger die Einrichtung eines seiner Meinung nach ausgesprochen fragwürdigen saudischen Instituts in Österreich unterstütze.

Vizekanzler Michael SPINDELEGGER hielt seinem Vorredner entgegen, Österreich habe gegenüber der Türkei eine klare Haltung eingenommen. Die Regierung spreche sich für eine "maßgeschneiderte Partnerschaft" zwischen der EU und der Türkei aus, betonte er. Was das von Dönmez angesprochene Religionszentrum betrifft, handelt es sich Spindelegger zufolge nicht um eine Einrichtung Saudi Arabiens, sondern um ein Zentrum für den religiösen Dialog, das auch vom Vatikan und von Spanien betrieben werde.
     
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