Maria Fekter: Griechen sollen nicht vor leeren Bankomaten stehen
Wien (pk) - Nach der Unterredung mit der Nationalbankspitze setzte sich der Finanzausschuss anhand
eines Ressortberichts mit finanzpolitischen Vorhaben der Europäischen Union 2011 auseinander. Im Interesse
der Integrität und Stabilität der Finanzmärkte arbeitet die EU an Neuerungen bei Ratingagenturen,
Investmentfonds und Finanzprodukten sowie an Maßnahmen gegen Insider-Geschäfte und Marktmanipulation
und an Verordnungen für den außerbörslichen Handel mit Derivaten, für Leerverkäufe und
Credit Default Swaps. Entscheidungsgrundlagen für eine Finanztransaktionssteuer oder eine Finanzaktivitätssteuer
will die EU-Kommission bis Sommer 2011 vorlegen. Österreich tritt mit anderen EU-Ländern für eine
Finanztransaktionssteuer ein, teilte Finanzministerin Maria Fekter den Abgeordneten mit. In der Debatte plädierte
auch Abgeordnete Petra Bayr (S) für eine Finanztransaktionssteuer und auf Verwendung der Erträge für
globale Entwicklungsziele. Beim neuen EU-Finanzrahmen ab 2014 steht Ministerin Fekter als Vertreterin eines Nettozahlerlandes
sowohl gegenüber der Kommission als auch gegenüber dem Europäischen Parlament auf der Ausgabenbremse,
erfuhren die Abgeordneten zudem.
Vorschläge der Kommission für eine konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage sah Maria
Fekter im Unterschied zu den Abgeordneten Christoph Matznetter und Jan Krainer (beide S) mit Skepsis. Während
Krainer gegen Steuerdumping und für eine Mindest-Kost plädierte, sprach sich die Ministerin für
Steuerwettbewerb und für die Erhaltung des steuerpolitischen Gestaltungsspielraums in Österreich aus;
ein Anliegen, das auch Abgeordneter Konrad Steindl (V) unterstrich.
Bei der geplanten Änderung der Energiebesteuerungsrichtlinie zugunsten erneuerbarer Energieträger wandten
sich alle Abgeordneten, insbesondere auch Jan Krainer (S), gemeinsam mit der Finanzministerin gegen Versuche, die
Atomkraft als "erneuerbare Energiequelle" einzustufen.
Aus aktuellen Gründen stand auch die finanzielle Lage Griechenlands zur Diskussion. Elmar Podgorschek (F),
meinte, eine Insolvenzstrategie wäre für Länder wie Griechenland zielführend, da eine reine
Sparpolitik nicht geeignet sei, die griechische Realwirtschaft "wieder in die Gänge zu bringen".
Auch Abgeordneter Robert Lugar (B) warnte im Interesse des heimischen Steuerzahlers davor, in Griechenland "gutes
Geld dem schlechten nachzuwerfen".
Abgeordneter Christoph Matznetter (S) kritisierte "patschert" organisierte ECOFIN-Vorbesprechungen, die
sich negativ auf die Finanzmärkte auswirken. Heftige Kritik übte er zudem am IWF, der offenbar nichts
aus historischen Erfahrungen gelernt habe und gegenüber verschuldeten Mitgliedsländern nach wie vor Maßnahmen
setze, die die Zahlungsfähigkeit des Schuldners beeinträchtigten. "Nur Wirtschaftswachstum und Steuereinnahmen
ermöglichen es Schuldnerländern, ihre Schulden zu bezahlen", hielt Matznetter fest.
Finanzministerin Maria Fekter erinnerte an die Auflagen des Strukturprogramms I für Griechenland, deren Einhaltung
kontrolliert werde. Derzeit halte sich eine EU-EZB-IWF-Gruppe in Griechenland auf, die in der nächsten Woche
einen Evaluierungsbericht vorlegen werde. Ein "Hair-cut" oder eine Pleite Griechenlands, wie das FPÖ
und BZÖ vorschlagen, würde hingegen keine kontrollierbaren Auflagen zulassen. Fekter setzt auf Reformen
in Griechenland, der Weg dorthin sei aber offenbar schwieriger und dauere länger als ursprünglich angenommen,
räumte die Ministerin ein. Bei den Beratungen des Ecofin in der nächsten Woche werde es jedenfalls darum
gehen, für die Erhaltung des sozialen Friedens in Griechenland zu sorgen. "Die Menschen dürfen nicht
vor leeren Bankomaten stehen". "Hair-cut" oder "Pleitegehenlassen" sind für die Finanzministerin
keine Alternativen. Für Maria Fekter lebt nach wie vor die Hoffnung, dass sich Griechenland erholen und seine
Kredite zurückzahlen wird.
Demgegenüber sah Abgeordneter Werner Königshofer (F) im Falle Griechenlands keine Alternative zu "Hair-cut"
und Wertberichtigungen bei den Gläubigerbanken.
Abgeordneter Robert Lugar (B) hielt auch einen "Hair-cut" mit Auflagen für möglich.
Auch für Abgeordneten Werner Kogler (G) war ein "Hair-cut" mit einer anschließenden Marshal-Plan-Hilfe
für Griechenland und einer Regulierung der Finanzmärkte diskutierbar. Man müsse verhindern, dass
letztlich der Steuerzahle übrigbleibe. Es gehe nicht länger an, der Politik immerfort mit ein und demselben
Argument - "To big to fail" – jeden Spielraum zu nehmen. Als einen gangbaren Weg bezeichnete Kogler auch
die in Diskussion stehenden Eurobonds, die es erlauben würden, die Euro-Stabilisierungskosten breiter zu verteilen.
Staatssekretär Andreas Schieder warnte vor einem "Hair-cut", der die Sanierung Griechenlands verteuern
würde. Es gelte vielmehr, die Finanzierung der Märkte zu sichern und durch verstärkte Konvergenzanstrengungen
sowie durch den Einsatz von Strukturfondsmittel das Wirtschaftswachstum in Griechenland zu steigern.
Der Bericht wurde mit S-V-Mehrheit zur Kenntnis genommen und vom Ausschuss enderledigt.
Produktpiraten gefährden Menschen und schaden der Wirtschaft
In der Debatte über den jüngsten Produktpirateriebericht 2010 ( III-226 d.B.) ging es um Maßnahmen
gegen den immer stärkeren Trend zu Marken- und Produktfälschungen. Fälschungen – immer häufiger
von Alltagsprodukten - kosten die europäische Wirtschaft jährlich Milliarden Euro und Tausende Arbeitsplätze,
außerdem nimmt die gefährlichste Form der Produktpiraterie, der Vertrieb von - gesundheitsschädlichen
- Medikamentenplagiaten per Internet weiter zu, warnte Abgeordneter Johann Maier (S). Die Finanzministerin berichtete
über eine gemeinsame Informationsoffensive mit der Österreichischen Apothekerkammer gegen Medikamentenfälschungen
und informierte die Ausschussmitglieder über die offensive Vorgangsweise der Zollbehörden und der Finanzverwaltung
gegen den Handel mit gefälschten Produkten. Durch verstärkte Kontrollen von Sendungen aus Risikoländern
(vor allem aus China und anderen asiatischen Staaten) konnte ein Höchststand an Aufgriffen von Plagiaten erreicht
werden, obwohl die Fälscher immer stärker das Internet für den Vertrieb ihrer Produkte nutzen. Auf
EU-Ebene wurde die Zusammenarbeit mit Drittländern beim Kampf gegen die Produktpiraterie erfolgreich ausgebaut,
insbesondere mit China. Die EU plane, die derzeit als Pilotprojekte durchgeführten gemeinsamen Aktionen EU-weit
zu institutionalisieren, teilte Finanzministerin Maria Fekter den Abgeordneten mit.
Nach positiven Wortmeldungen der Abgeordneten Elmar Podgorschek (F) und Ruperta Lichtenecker (G) wurde der Bericht
mit S-V-F-G-Mehrheit zur Kenntnis genommen und enderledigt.
Neues Doppelbesteuerungsabkommen mit Finnland
Ein Protokoll und ein Zusatzprotokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen mit Finnland, das den neuen OECD-Standards
für steuerliche Transparenz und Amtshilfebereitschaft ( 1088 d.B.) Rechnung trägt, erhielt die Zustimmung
einer S-V-G-Mehrheit.
FPÖ-Abgeordneter Werner Königshofer (F) begründete die Ablehnung durch seine Fraktion mit der Aufhebung
des österreichischen Bankgeheimnisses, die mit den neuen Doppelbesteuerungsabkommen verbunden ist.
BZÖ will Steuervorteile auch für Kinderbetreuung in der Großfamilie
Das BZÖ beantragte ( 1464/A(E)) im Interesse von Mehrgenerationenfamilien die steuerliche Absetzbarkeit
von Kinderbetreuungskosten auch dann, wenn die Betreuungsperson im selben Haushalt wie das Kind lebt. – Der Antrag
wurde auf Vorschlag des Abgeordneten Christoph Matznetter (S) vertagt.
Kerneuropäische Hartwährungszone – ein Vorschlag der FPÖ
Für die Einrichtung einer kerneuropäischen Hartwährungszone plädierte schließlich
FPÖ-Abgeordneter Werner Königshofer und erläuterte den entsprechenden FPÖ-Entschließungsantrag
1377/A(E). Aktuelle Stabilitätsprobleme des "Euro" resultierten aus einem Systemfehler bei dessen
Einführung im Jahr 1999, argumentieren die FPÖ-Abgeordneten. Ihnen zufolge seien in der Europäischen
Währungsunion Länder "zusammengepresst" worden, die ökonomisch nicht zusammengehören.
Das zeigen der nur mit milliardenschweren Finanzspritzen abgewendete Zusammenbruch Griechenlands, aber auch die
Krise Irlands und die hohen Zinsenspreads bei den Staatsanleihen Spaniens und Italiens.
Nettoempfängerländer in der Eurozone hätten bessere Zinskonditionen und höhere Liquidität
für Steuerdumping auf Kosten Kontinentaleuropas (Irland) genutzt oder die Mittel in dubiosen Kanälen
versickern lassen (Griechenland). Als 2008 die Staatsschulden in diesen wirtschaftlich schwachen Ländern zunahmen,
stiegen dort auch die Zinsen für Staatsanleihen, weil die Anleger eine Prämie für das wachsende
Risiko verlangten. EU-Länder mit guter Bonität (BRD, Österreich, die Niederlande, Luxemburg, Finnland,
Slowenien und Frankreich) übernahmen daraufhin - unter Verletzung der EU-Verträge - solidarisch Haftungen
für diese Länder und gefährdeten dadurch ihre eigene Bonität, Liquidität und Wettbewerbsfähigkeit.
Die Antragsteller warnten vor der Fortsetzung dieser Politik überdies deshalb, weil sie den schwächeren
Ländern nicht wirklich helfe. Länder, die nicht in die Währungsunion passen, sollten zu ihren angestammten
Währungen zurückkehren, um mit einer für sie passenden Geld- und Währungspolitik ihre Leistungsbilanz
wieder in Ordnung zu bringen und erst nach einer umfassenden "ökonomischen Rekonvaleszenz" wieder
in die Euro-Zone zurückkehren, lautet der Vorschlag der FPÖ. Die wirtschaftlichen Leitnationen Europas
wiederum sollten, so der Vorschlag der FPÖ, ihre Wettbewerbsfähigkeit ohne Zinsnachteile infolge der
Haftung für schwache Eurozonen-Mitglieder zum Vorteil aller Europäer verbessern können. – Der Antrag
wurde auf Verlangen des Abgeordneten Konrad Steindl (V), der sich gegen den Ausstieg von Euro-Ländern aus
der Währungsunion aussprach, vertagt. |