Heftige Diskussion um Zweizeiler des Abgeordneten Großruck
Wien (pk) - Jeweils einstimmig passierten am 17.05. einige internationale Abkommen das Plenum des
Nationalrats. Das bestehende, 1999 zwischen der EU und der Republik Südafrika abgeschlossene Abkommen über
Handel, Entwicklung und Zusammenarbeit (Trade, Development and Cooperation Agreement – TDCA) wurde nach einer Überprüfung
erweitert und aktualisiert.
Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Republik Korea haben in den vergangenen Jahren an
Bedeutung gewonnen und werden daher mittels eines eigenen Abkommens auf eine neue vertragliche Grundlage gestellt.
Das Abkommen behandelt die Zusammenarbeit in den Bereichen Politik, regionale und internationale Organisationen,
wirtschaftliche Entwicklung, Bildung, Kultur, Recht, Sicherheit, Tourismus und öffentliche Verwaltung. Damit
soll ein umfassender Rahmen für die Beziehungen zwischen der EU und Korea geschaffen werden.
Schließlich lag dem Nationalrat ein Abkommen zwischen Österreich und der Republik Mazedonien vor, das
die kulturellen Beziehungen regelt. Ziel ist es, die kulturelle Zusammenarbeit zu fördern und eine vertragliche
Basis hierfür zu schaffen.
Ein Zweizeiler des Abgeordneten Wolfgang Großruck (V) hinsichtlich der jüngsten Affäre um den Chef
des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, sorgte dann für heftige Reaktionen anderer
Parteien, die bis zur Rücktrittsaufforderung reichten.
Die Diskussion über die Abkommen wurde von Abgeordneter Ursula PLASSNIK (V) eingeleitet. Sie setzte sich eingehender
mit der europäischen Politik gegenüber Korea auseinander. Das vorliegende Rahmenabkommen sei von besonderer
Bedeutung, da man damit ein nennenswertes Handelsvolumen zu schaffen helfe. Real stelle dieser Vertrag das zweitgrößte
Handelsabkommen nach der NAFTA dar, womit man einen handelspolitischen Meilenstein geschaffen habe. Auch für
die österreichischen Unternehmen berge dieses Dokument zahlreiche Vorteile, betonte die Rednerin.
Abgeordnete Christine MUTTONEN (S) wies auf die Bedeutung Südafrikas als Partner für Europa hin. Südafrika
habe sich in den letzten Jahren nachhaltig profiliert und nehme eine wichtige Rolle auf dem afrikanischen Kontinent
ein. Dem vorliegenden Abkommen komme mithin eine nennenswerte Bedeutung zu, von dem, so hoffte die Redner, beide
Seiten profitieren würden. In einem Antrag wurde ein redaktionelles Versehen betreffend die Kundmachung korrigiert.
Abgeordneter Johannes HÜBNER (F) kündigte die Zustimmung seiner Fraktion zu allen drei Abkommen an, beklagte
allerdings, das Abkommen mit Mazedonien sei weitgehend inhaltsleer und beschränke sich überwiegend auf
"no na – Bestimmungen".
Abgeordnete Ruperta LICHTENECKER (G) unterstützte ebenfalls die drei Abkommen und plädierte für
eine klare, zentrale Verankerung der ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit und der Menschenrechte als Zielbestimmungen
in sämtlichen Wirtschaftsabkommen.
Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) meinte, auch das BZÖ werde sich dem Konsens nicht entziehen, gab aber zu
bedenken, es gebe derzeit wichtigere außenpolitische Themen als derartige harmlose Abkommen. Er vermisste
insbesondere eine eigenständige Position Österreichs zu aktuellen Problemen, wie etwa der Bewältigung
der Flüchtlingsströme aus Nordafrika, der Lage der Christen in Ägypten oder der Krise in Libyen.
Staatssekretär Wolfgang WALDNER unterstrich die Wichtigkeit der Abkommen, wies auf den Stellenwert des Exports
für die österreichische Wirtschaft hin und unterstrich darüber hinaus auch die Bedeutung der Auslandskulturpolitik.
Abgeordnete Karin HAKL (V) erwiderte auf Scheibner, in der österreichischen Außenpolitik gehe es nicht
nur um die schnelle Schlagzeile des Tages, sondern vielmehr um die Entwicklung langfristiger freundschaftlicher
Beziehungen zu anderen Staaten.
Abgeordnete Gisela WURM (S) begrüßte insbesondere das Abkommen mit Mazedonien als Instrument zu einer
weiteren Vertiefung der Zusammenarbeit und trat der Behauptung des Abgeordneten Hübner entschieden entgegen,
hier würde es sich bloß um einen inhaltslosen Vertrag handeln.
Abgeordneter Wolfgang GROSSRUCK (V) nahm das Abkommen mit Mazedonien zum Anlass, die EU aufzufordern, das diesen
Staat betreffende Namensproblem endlich zu lösen. Der Redner schloss aus aktuellem Anlass mit einem Zweizeiler
folgenden Wortlauts: "Obwohl er schon ein reifer Mann, zeigt Dominique Strauss, was er noch Kahn".
Abgeordneter Hannes WENINGER (S) unterstützte das Abkommen mit Korea vor allem aus dem Blickwinkel der Bedeutung
der wirtschaftlichen Beziehungen, begrüßte aber auch die Verankerung der ArbeitnehmerInnenrechte.
Abgeordneter Wolfgang GROSSRUCK (V) kam nach einigen Zwischenrufen in einer zweiten Wortmeldung noch einmal auf
seinen Zweizeiler zurück und stellte klar, er habe nicht beabsichtigt, damit irgendjemanden zu verletzen,
und entschuldige sich bei all jenen, die sich betroffen fühlten. Der Redner meinte überdies, er ziehe
seinen Zweizeiler hiermit zurück.
Abgeordnete Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) eröffnete daraufhin eine Runde mit Wortmeldungen zur Geschäftsordnung,
zeigte sich empört über Großrucks Zweizeiler, den sie als Entgleisung und Verharmlosung einer versuchten
Vergewaltigung qualifizierte.
Abgeordneter Gerald GROSZ (B) reagierte ebenfalls schockiert auf den Zweizeiler und sprach von einer Geschmacklosigkeit.
Er übte überdies heftige Kritik an der Vorsitzführung Martin Grafs und warf dem dritten Nationalratspräsidenten
vor, die Rednerliste nicht respektiert und Großruck eigenmächtig das Wort zu einer zweiten Wortmeldung
erteilt zu haben.
Klubobmann Karlheinz KOPF (V) bezeichnete den Zweizeiler Großrucks als zutiefst unangebracht und verletzend,
rief die Abgeordneten aber dazu auf, die Entschuldigung des Kollegen zu akzeptieren und zu respektieren.
Abgeordnete Gisela WURM (S) akzeptierte die Distanzierung Großrucks, meinte aber, das Verhalten Strauss-Kahns
eigne sich nicht für Witze und Verharmlosungen.
Präsident Martin GRAF betonte, er habe durch seine Vorgangsweise bloß versucht, einen Fehler eines Abgeordneten
rasch einer Lösung zuzuführen.
Abgeordneter Gerald GROSZ (B) ließ die Begründung Grafs nicht gelten und konterte vielmehr mit dem Vorwurf,
der dritte Präsident hätte eine Grundsympathie für das von Großruck Gesagte.
Abgeordnete Petra BAYR (S) kam wieder auf die Tagesordnungspunkte zu sprechen und unterstützte insbesondere
den Handelsvertrag mit Südafrika aus der Sicht der Entwicklungszusammenarbeit. Sie kritisierte in diesem Zusammenhang
das Überfischen der Meere durch europäische Schiffe auf Kosten der einheimischen Fischer.
Abgeordneter Hermann GAHR (V) begrüßte die Abkommen als Ausdruck der internationalen Zusammenarbeit
und hob in Bezug auf Südafrika auch den Sicherheitsaspekt hervor.
Abgeordneter Anton HEINZL (S) nahm das Abkommen mit Mazedonien zum Anlass, mit Nachdruck für die Einbeziehung
des Westbalkans in den europäischen Integrationsprozess einzutreten.
Abgeordneter Peter PILZ (G) meinte, ein Rücktritt des Abgeordneten Großruck nach dessen Zweizeiler wäre
eine Selbstverständlichkeit, und erinnerte an den seinerzeitigen Rücktritt des VP-Abgeordneten Paul Burgstaller
aufgrund einer gegen eine Grün-Abgeordnete gerichteten sexistischen Aussage. Mit scharfen Worten kritisierte
er überdies den dritten Präsidenten Graf wegen dessen Weigerung, Großruck einen Ordnungsruf zu
erteilen.
Bei der Abstimmung wurden die drei Abkommen einstimmig genehmigt. |