Kneifel/Van Staa: Föderalismus ist unverzichtbar   

erstellt am
17. 05. 11

Grenzüberschreitende Gemeindekooperation, Steuerhoheit der Länder
Wien (pk) - Bundesratspräsident Gottfried Kneifel und der Tiroler Landtagspräsident und Präsident der Kammer der Regionen im Europarat, Herwig van Staa, nahmen am 16.05. den aktuellen Bericht des Europarats zum Thema "Föderalismus und der aktuelle Stand der lokalen Selbstverwaltung in Österreich" zum Anlass für eine gemeinsame Pressekonferenz im Parlament.

Präsident van Staa berichtete den Medienvertretern einleitend vom Lob der Europaratskommission für den "kooperativen Föderalismus" in Österreich, wobei insbesondere der Konsultationsmechanismus zwischen Bundesregierung, Ländern und Gemeinden als ein bewährter Transmissionsriemen zwischen verschiedenen Regierungsebenen hervorgehoben wurde.

Weniger zufriedenstellen sei der Fortgang der Modernisierung des Föderalismus in Österreich beurteilt worden, führte van Staa weiter aus. Der Europarat empfiehlt Österreich eine generelle Reform des föderalen Systems und eine Klarstellung der Kompetenzen der verschiedenen Regierungsebenen. Gemeinden und Regionen sollen finanziell besser ausgestattet werden und mehr Entscheidungsfreiheit bekommen, insbesondere im Hinblick auf Steuereinnahmen und auf die Möglichkeit, eigene Abkommen mit Bundesbehörden zu treffen.

An die "Zentralisten" richtete Herwig Van Staa den Appell, sich daran zu erinnern, dass die Republik Österreich von den Bundesländern gebildet wird und es undenkbar sei, den Föderalismus ohne eine Volksabstimmung abzuschaffen. Es gehe vielmehr um den Ausbau des Föderalismus, wobei Van Staa auf Kompetenzschwächen des Bundesrates aufmerksam machte und zugleich festhielt, dass der Bundesrat bei der Wahrnehmung österreichischer Rechte in der Europäischen Union seit dem Lissaboner Vertrag dieselben Kompetenzen wie der Nationalrat hat "und damit unverzichtbar geworden ist". In diesem Zusammenhang schilderte Van Staa die enge Zusammenarbeit zwischen dem Bundesrat und den Landtagen sowie die Arbeit der permanenten Kommission aus Mitgliedern des Bundesratspräsidiums und der Landtage. "Wir werden den Föderalismus weiterentwickeln. Alle Parteien, die zentralistische Tendenzen verfolgen, sollen ihre Initiativen in eine Verbesserung der kooperativen Gestaltung einbringen und ihre Gedankenspielereien zur Abschaffung des Föderalismus beenden", formulierte der Landtagspräsident pointiert.

Bundesratspräsident Gottfried Kneifel begrüßte den Bericht des Europarates und erinnerte daran, dass der Gesetzesantrag zur Umsetzung des Lissabonner Vertrages vom Bundesrat eingebracht wurde. Mit dieser größten Verfassungsreform der Zweiten Republik wurde die Mitbestimmung der Bundesländer im EU-Rechtssetzungsprozess festgelegt, erinnerte der Bundesratspräsident.

Die notwendige Weiterentwicklung des Föderalismus werde von der Bevölkerung mitgetragen, teilte der Bundesratspräsident mit und informierte über jüngste Umfrageergebnisse in seinem Bundesland Oberösterreich: Die Menschen assoziieren mit dem mit "Föderalismus" "Problemlösungskompetenz", "Hilfsbereitschaft" und "Zusammengehörigkeit", sprechen sich aber nur zu 20 % für die Zusammenlegung von Gemeinden aus, nur zu 7 % für die Abschaffung der Landeshauptleute und gar nur 4 % können der Idee etwas abgewinnen, aus den neun Bundesländern drei Großregionen zu schaffen.

Im Hinblick darauf, dass der Bericht des "Österreich Konvents" aus dem Jahr 2006 bis heute weder vom Nationalrat noch vom Bundesrat behandelt worden sei, kündigte der Präsident des Bundesrates an, diesen Bericht im Bundesrat zu verhandeln und einen Punkt dieses Berichts zu realisieren, nämlich die Möglichkeit für Gemeinden, über Landesgrenzen hinweg zu kooperieren. Kneifel kündigte dazu einen Gesetzesantrag des Bundesrats an.

Weiters plädierte Kneifel für eine Entflechtung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern und sprach sich konkret dafür aus, die Mitsprache des Bundes bei der Bestellung von Landesamtsdirektoren aufzuheben und im Gegenzug dazu die Mitsprache der Länder bei der Gerichtssprengelorganisation aufzugeben. Generell hielt es der Bundesratspräsident für möglich und wünschenswert, Kompetenzen zwischen Bund und Ländern abzutauschen.

Zudem nannte es Gottfried Kneifel nicht "gottgegeben", dass Bundeseinrichtungen ihren Sitz ausschließlich in Wien haben. Warum soll die BIG ihren Sitz nicht in Graz, Salzburg, Linz oder Innsbruck haben können, sagte Kneifel und verwies darauf, dass jeder Schweizer Kanton eine Bundeseinrichtung aufweise und auch deutsche Bundesländer Zentralstellen beheimaten.

Von der künftigen Landeshauptleutekonferenz erwarte er sich Forderungen nach zusätzlichen Kompetenzen für den Bundesrat, sagte der Präsident der Länderkammer. In Fragen, die die Länder zentral berühren, etwa beim Finanzausgleich oder bei 15a-Verträgen zwischen Bund und Ländern, sollte der Bundesrat laut Kneifel nicht nur ein aufschiebendes, sondern ein aufhebendes Veto haben,

Als ein Beispiel für die konkrete Vertretung von Länderinteressen durch den Bundesrat erinnerte der Präsident der Länderkammer an die letzte Plenarsitzung, in der der Bundesrat erfolgreich auf eine Zusage von Seiten der Bundesregierung gedrängt hat, die Kosten der zusätzlichen 50 Planstellen, die für die Umsetzung der jüngsten Fremdenrechtsgesetz-Novelle bei den Unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern eingerichtet werden müssen, zu übernehmen.

Die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts braucht neue Strukturen, daher ist der Bundesrat zu Reformen in einem dynamischen Prozess bereit, teilte der Bundesratspräsident mit und äußerte sich positiv zu dem Vorschlag, den Ländern Steuerhoheit einzuräumen. "Wir fürchten uns nicht", sagte Kneifel und hielt Zuschläge zu bestehenden Steuern oder auch eigene Abgaben der Länder für möglich. Von der Regierungsklausur am 30. Mai erwartet sich Bundesratspräsident Kneifel Beschlüsse der Bundesregierung zum Bildungssystem.

In dieselbe Kerbe hieb in der Diskussion mit den Journalisten auch Landtagspräsident Herwig Van Staa. Man sollte den Ländern die Freiheit geben, Steuerhoheit - ohne jede steuerliche Belastung der Bürger - einzuführen, wenn sie das wollen. Überall dort, wo die Länder ausschließlich zuständig sind, sollen sie auch für die Finanzierung zuständig sein. Er erwarte sich an dieser Stelle keine Widerstände von Seiten der Bundesländer. Eine Lanze brach Van Staa auch für die grenzüberschreitende Kooperation von Gemeinden, aber auch zur Einrichtung von Bildungsdirektionen im Sinne des Vorschlages der Unterrichtsministerin.

Zum Schluss forderten Bundesratspräsident Gottfried Kneifel und Landtagspräsident Herwig Van Staa nachdrücklich dazu auf, das Misstrauen zwischen Bund und Ländern abzubauen. Das Vertrauen sei das wichtigste Kapital in der Politik, hielt Kneifel fest, während Van Staa an dieser Stelle den Grundsatz der Wahrhaftigkeit in der Politik einmahnte und ein Zitat von Ingeborg Bachmann abwandelte: "Die Wahrheit ist dem Bürger zumutbar".
     
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